Buchrezensionen

Weski, Thomas und Department Medien & Kunst (Hrsg.): Photography, Made in Zurich, Jahrbuch 2 Departement Medien & Kunst, hgkz, Verlag Scheidegger & Spiess AG, Zürich 2007.

Fotografie und Kunst – diesen Zusammenhang sieht nicht jeder. Nach Erfindung von Fotografie und Film mokierten Philosophen, wo das Einmalige, das Innovative bliebe. Walter Benjamin zum Beispiel, sprach von der »Zertrümmerung der Aura«, von einem Verlust des Betrachtens der Kunst.

Bilder gäbe es nun im Überfluss, sie prasseln auf uns ein - der Zuschauer kann sie nicht mehr berühren, in aller Ruhe, in einem Museum, stattdessen berühren die Bilder den Zuschauer. Darauf folgt die Weiterentwicklung von der Ausdrucksform »Fotografie« hin zum Massenprodukt: Werbebanner auf den Straßen, Zeitungsbilder und Urlaubsfotos wohin das Auge reicht. Wir sind nicht mehr für den Wert einer Fotografie sensibilisiert.

Fotos kann heute jeder machen – und jeder macht es auch. Dank Photoshop werden schöne Fotos en gros produziert. Knippsen und bearbeiten, Pickel weg, Weichzeichner, Sonnenaufgang hier, Modelpose da. Kein Wunder, dass Fotografie nicht mehr gleich Kunst ist. Recht hat er behalten, der Benjamin. Doch da kommt »Photography, Made in Zurich«, der Beweis, dass der Zusammenhang doch noch besteht.

Das zweite Jahrbuch des Forschungsinstituts »Departement Medien & Kunst« wurde gestaltet von Thomas Weski, Hauptkurator im Haus der Kunst und Martin Jaeggi, freischaffender Publizist und Fotografiekritiker. Die Züricher Kunsthochschule betont extra deren Abseits zur Akademie. Während Jaeggi in dem Beitrag »Vom Handwerk zur Autorenschaft« die internationalen historischen und kulturellen Rahmenbedingungen nachzeichnet, wählte Thomas Weski aus 5000 eingesendeten Fotos von 200 Absolventen der letzten 20 Jahre. Ausmachen wollte Weski, ob fotografische Handschriften in Zürich zu finden sind. »Photographie, Made in Zurich« soll die künstlerische Lehre und deren Folgen an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich nachzeichnen und dabei dem Profil des Departments Rechnung tragen. Das Forschungsinstitut möchte mit den regelmäßig erscheinenden Bildbänden künstlerische und mediale Arbeiten vorstellen und zu ihrer kritischen Überprüfung einladen.

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»Am Abend tun mir die Augen weh«, konstatiert Weski über seine Arbeit. Der Aufwand hat sich gelohnt: Der Bildband strotzt vor Energie und Innovation. Ausgewählte Werke von 60 Studenten sind zu sehen: Fotografien von abgeschrammelten Wohnungen, Puffs von außen, Swingerclubs von innen, in Abgrenzung zur Werbefotografie hängen die Brüste der meisten Modells, die Haut der abgebildeten Menschen ist rosa und fettig, nicht zart und gelb. Manch abgelichtetes T-Shirt hat Schweißflecken, manche Menschen sind sehr alt, behindert oder im falschen Körper geboren. Die Selbstporträts faszinieren, die Bilder wirken echt, trotz der Inszenierung. Ensembles von Gegenständen teilen den Bildraum geometrisch und sind dabei schöner als die Werke von Malewitsch. Für viele Bilder hat Terry Richardson Pate gestanden – einer der letzten Mainstreamkünstler, der authentisch ist.

Es kann nicht der beste Künstler oder das Lieblingsfoto bestimmt werden. Stattdessen ist es ärgerlich, dass die Seiten links und rechts bedruckt sind, sonst könnten sie herausgerissen und die Wände mit den Bildern tapeziert werden. Zum Beispiel faszinieren Zoe Meyers Detailaufnahmen EVE (weibliches Geschlecht in hautfarbener Strumpfhose), HAIR (schwarze Schamhaare in gelblicher Körperflüssigkeit) und das hinreißende Bild HEAVEN (pastell-türkiser Himmel durchkreuzt von einem Flugzeug). Ganz fantastisch ist auch die Reihe »Vom Bett« von Francoise Caraco: drei Zigaretten auf einem verkeimten Teppich, ein ausgenuddeltes Bustier vor blauem Grund, Heftchen und Lutscher in dreckigem blau und orange. Diese Bilder sehen aus, wie Calvin Klein-Werbung vergeblich sein will: verrucht und schön.

Ernst sind dagegen die Fotografien von Goran Galic in Bosnien-Herzegowina. Unter dem Titel »Ma bicé bolje – Wird schon wieder« zeigt uns Galic Bestandsaufnahmen von vergessenen Menschen in vergessenen Dörfchen: eine Familie arbeitet vor ihrem schönen großen Haus – nur fehlt das Dach; die Gemeinde tummelt sich auf dem Friedhof, der auf jedem halben Quadratmeter einen Grabstein birgt; eine junge Mutter kämpft beim Wäsche aufhängen mit dem Wind, während Tochter und Hunde vor einem Wellblechhaus spielen.

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Auch nicht zu vergessen ist die Serie »De: Lupita para: Boris« von Fabian Marti. Ein weibliches Modell in der Nacht, in der Natur, auf dem Spielplatz, auf einer Baustelle. Die Bilder sagen genau das, was eine Frauenzeitschrift mit überbezahlten Models und Starfotografen vermitteln will: fühl dich frei! Geh in goldenen Pumps auf ein Klettergerüst! Hüpf nackt herum auf einer Baustelle!

Es ist überflüssig, jeden Künstler und jedes Bild zu beschreiben. Adäquat kann ein Text die Eindrücke dieses Bandes nicht wiedergeben. Zu groß ist die Vielfalt der Themen und Ideen, zu gut deren Umsetzung. Einziger Wermutstropfen: Die Eingangstexte des DMK und des Herausgebers Weski holpern ein bisschen vor sich hin, aber die muss man nicht unbedingt lesen. Schließlich brauchen die folgenden Bilder keine Erklärung, sie sprechen für sich …

 

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