Ausstellungsbesprechungen

Zu wahr um schön zu sein – Kritischer Realismus von Otto Dix & Co, Museum voor Moderne Kunst Arnhem, bis 9. Januar 2011

Eine Ausstellung im niederländischen Arnheim zeigt Werke von Otto Dix, seinen Weggefährten und seinen Schülern an der Dresdner Kunstakademie. Ein Projekt, das mit Hilfe von Gera, der langjährigen Partnerstadt Arnheims, zustande kam. Cornelia Ganitta ist für Sie hingefahren und hat sich alles angesehen.

Ernste Gesichter, zahnlose Weiber, Kartoffelnasen, dicke Leiber oder Hungerhaken. Das, was das Museum für Moderne Kunst in Arnheim aktuell präsentiert, ist wahrlich kein Wettbewerb der Schönheitsideale. Liest man den Titel der Schau »Zu wahr um schön zu sein – Kritischer Realismus von Otto Dix & Co« weiß man auch schnell warum. Denn Otto Dix war ein Hauptvertreter dieser Kunstströmung, die eng verbandelt mit der Neuen Sachlichkeit, in den vermeintlich Goldenen 1920er Jahren nüchtern und schnörkellos die "wahren" sozialen Verhältnisse anprangerte. Tatsächlich gab es kurz vor der großen, wirtschaftlichen Depression gegen Ende der Weimarer Republik für einen Großteil der Bevölkerung wenig zu lachen.

Es sind aber nicht gesellschaftliche Szenerien, die in der Ausstellung dominieren. Vielmehr geht es um die vom Leben Gezeichneten selbst, die von den Malern rund um Otto Dix zuhauf porträtiert wurden. Ihren fahlen Gesichtern sieht man an, welch harte Arbeit, Schmerz und Entbehrungen viele Menschen in der Zeit zwischen den beiden großen Kriegen hinnehmen mussten. In mehr als 100 Gemälden, Zeichnungen und Dokumenten, die das Museum zu einem Großteil aus ostdeutschen Museen zusammengetragen hat, kommt diese damals vorherrschende Realität zum Tragen. Darunter viele Werke von Künstlern, die in einem ähnlichen Stil arbeiteten, wie Kurt Günther, Conrad Felixmüller, Otto Griebel oder Wilhem Lachnit. Aber auch jene von Dix-Schülern, die der 1927 ernannte Professor an der Dresdner Kunstakademie bis zu seiner Absetzung durch die Nazis 1933 unterrichtete. So sind Bilder von Rudolf Bergander, Heinz Hamisch, Rudolf Nitschke und Kurt Sillack zu sehen. Außerdem Porträts von Gussy Ahnert, Lea Langer und Erika Streit, den wenigen Studentinnen an der Akademie. Künstler und Künstlerinnen einer vergessenen Generation, die – aus den unterschiedlichsten Gründen – nie die Popularität ihres Lehrherrn erlangten.

Otto Dix selbst malt sich 1922 (die NSDAP bestand bereits zwei Jahre) finster dreinblickend, fast einem Schwerverbrecher gleich. Die Sozialkritik ist dem Mitglied der Roten Gruppe, einer Vereinigung kommunistischer Künstler, zu der auch Georges Grosz zählte, förmlich ins Gesicht geschrieben. Ein Ölgemälde von Tochter »Nelly mit Puppe« aus dem Jahr 1929 zeigt ein Kind, dass sich an seine dicke, fast ebenso große Puppe klammert. Selbst dieses Bild ist nicht gerade Ausdruck purer Lebenslust. Dass solche Kunst nicht mit dem Heile-Welt-Schema der Nationalsozialisten korrespondierte, ist bekannt. Kein Wunder also, dass die Neue Sachlichkeit in Nazi-Deutschland schnell als "entartet" galt. Viele Werke der Dresdner Künstler wurden beschlagnahmt, vernichtet oder fielen dem Bombardement der Stadt im Jahr 1945 zum Opfer.

Die jetzige Schau ruft dank der Wiedervereinigung und des Sammlereifers einiger Liebhaber die Zeit der Neuen Sachlichkeit in Erinnerung und bietet einen Vorgeschmack auf das Dix-Jahr 2011 in Gera, Geburtsstadt des Künstlers und zugleich Partnerstadt von Arnheim. Sie passt hervorragend zur hauseigenen Sammlung Magischer Realismus, der als ein Arm der Neuen Sachlichkeit gilt. Hier verschmelzen reale Wirklichkeit und traumhafte Vorstellungen zu einer "dritten Realität". In den Niederlanden gehören Raoul Hynckes, Carel Willink und Pyke Koch dieser Strömung an, deren Vorbild unter anderem die Dix-Schule war.

"Wenig DIX, beinah´ NIX" ist im Gästebuch zu lesen. Das entspricht nur der halben Wahrheit. Es stimmt, dass lediglich eine Handvoll Werke von Otto Dix gezeigt werden. Eine reine Dix-Schau zu gestalten aber, war nicht Anspruch der Ausstellungsmacher. Vielmehr sollten seine weniger bekannten Schüler und Kollegen zum Zuge kommen, die nach dem Krieg und durch die Teilung des Landes in Vergessenheit gerieten. Als ihr Weggefährte und Kunstlehrer aber, war Dix Vorreiter. Und als solcher darf er durchaus zum Zugpferd im Titel werden.

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