Ausstellungsbesprechungen

Rembrandts graphische Welt – Experiment. Wettstreit. Virtuosität. Wallraf–Richartz Museum Köln, bis 12. Jänner 2020

Unbestritten ist Rembrandt van Rijn (1606–1669) ein Großer der Kunstgeschichte. Sofort wird sein Name wird mit Gemälden wie Die Nachtwache in Verbindung gesetzt. Das umfangreiche graphische Werk des Künstlers scheint jedoch für die Allgemeinheit häufig in den Hintergrund zu treten. Doch auch hier zeigt sich sein feinsinniges Können und Talent Szenen und Sujets mit nur wenigen Strichen eindrücklich darzustellen. Anläßlich des 350. Todestages des Künstlers entführt eine aktuelle Ausstellung im Wallraf–Richartz–Museum nun in diese gedruckte Welt. Sabrina Tesch hat sich für PortalKunstgeschichte vor Ort die 30 gezeigten Radierungen angesehen.

Rembrandt: Selbstbildnis mit weicher Mütze. Radierung, um 1635
Rembrandt: Selbstbildnis mit weicher Mütze. Radierung, um 1635

Wohl bedacht wurde diese kleine Ausstellung früher eröffnet als die derzeit parallel–laufende und großangelegte Schau Inside Rembrandt, damit wurde den Besuchern bereits im Vorfeld die Möglichkeit gegeben, sich näher mit Rembrandts Graphiken auseinanderzusetzen. Denn im Hinblick auf das große bildnerische Werk des Niederländers können die kleinen Radierungen schnell übersehen werden, auch wegen der räumlichen Trennung der beiden Schauen.

»Im siebzehnten Jahrhundert hat Rembrandt mit seinem Pinsel oder mit seiner Radiernadel wirkliche Porträts gemacht. Mein Lehrer Gustave Moreau sagte, daß mein vor diesem Meister nur Grimassen gemalt habe, und Rembrandt selbst konstatierte, daß sein ganzes Werk nur aus Porträts bestand. Ich merke mir dieses Wort, es scheint mir richtig und tiefschürfend.« (Henri Matisse, Porträts, 1954)

Rembrandt: Die drei Bäume. Radierung um 1643
Rembrandt: Die drei Bäume. Radierung um 1643

Rembrandt war kein ausgebildeter Radierer, das hielt ihn aber nicht davon ab, sich mit dem Medium der Graphik und dessen Technik gezielt und im Detail auseinanderzusetzen. Das Besondere dabei: Die Kupferplatte – auf welcher die Radierung mit Nadel und Stichel ausgeführt wird – war für ihn von ähnlicher Bedeutung wie die Leinwand eines Gemäldes.
So schaffte es Rembrandt, im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, die Darstellungen nicht nur naturalistisch wirken zu lassen, sondern ihnen gleichzeitig Emotionalität und Gefühlstiefe einzuhauchen. Dank der Details und den ausgewogenen und spannenden Kompositionen kann sich der Betrachter den kleinformatigen Arbeiten kaum entziehen. Dynamisch, lebendig und virtuos bilden die Radierungen nicht nur flüchtigen Momente des Augenblicks, sondern inszenierte (meist biblische) Situationen ab. Um Dreidimensionalität zu erzeugen, setzte Rembrandt – ähnlich wie in seinen Gemälden – auf starke Hell/Dunkel–Kontraste, mit einem durchschlagenden Ergebnis: Die Radierungen wirken plastisch und lebendig, wie virtuose Zeichnungen.

Rembrandt: Selbstporträt mit Saskia. Radierung, um 1636
Rembrandt: Selbstporträt mit Saskia. Radierung, um 1636

Auch in der Wahl des Druckmediums unterschied sich der Meister deutlich von seinen Zeitgenossen: Anstelle des üblichen Bütten– bevorzugte er Japanpapier, damit wurde der Radierung allein durch die Papierauswahl eine besondere Qualität verliehen. Die Radiernadel wurde gar wie einen Bleistift eingesetzt. Eine Technik, die Rembrandts Grafiken im weiteren Verlauf der Kunstgeschichte zur Inspirationsquelle für spätere Künstlergenerationen werden ließ. Zum Vergleich zeigt die Kölner Ausstellung abschließend Arbeiten von Giovanni Castiglione und Max Beckmann, die sich darin auf Rembrandt beziehen.

Rembrandts Graphiken stehen demnach keineswegs im Schatten seiner Malerei. Trotz der vorgegebenen Flächigkeit des Papiers und ohne die Farbe als Mittel des Ausdrucks, schaffte es der Meister, den Figuren und Szenen Plastizität und Lebendigkeit zu verleihen.
Nicht umsonst ragt Rembrandts Werk bis heute aus dem Kanon der Kunstgeschichte heraus, oder wie es der Kunsthistoriker Erik Hinterding einmal treffend formulierte:

»Rembrandt ist ein Genie. Er gehört zu den ganz wenigen unter all den hervorragenden holländischen malern des 16. Jahrhunderts, die den Betrachter wirklich packen. Seine Bilder und Grafiken ziehen förmlich in sich hinein.«

Rembrandt: Selbstporträt mit nach vor gezogener Mütze. Radierung, 1629 - 1633
Rembrandt: Selbstporträt mit nach vor gezogener Mütze. Radierung, 1629 - 1633

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