»Die Kunst ist für alle geschaffen, doch sind nicht alle für die Kunst geschaffen.« Der ukrainische Bildhauer Alexander Archipenko (1887–1964), der 1909 nach Paris gekommen war und in der Gesellschaft mit Braque, Modigliani und Picasso unmittelbar in die Moderne eintauchen konnte, wusste um 1920 – als er diese nüchterne Zwischenbilanz zog – um die Relativität der Kunst. Er war einer der besten Plastiker seiner Zeit. Unser Autor Günter Baumann hat die umfangreiche Ausstellung zu Archipenko besucht.
Alexander Archipenko war einer der besten Plastiker seiner Zeit – aber gerade die Bildhauerei hatte auch damals schon einen längeren Weg ins öffentliche Bewusstsein: Das trifft auf das Jahrhundertgenie Brancusi genauso zu wie auf die wenigen Künstler, die den Kubismus ernsthaft in die freie Plastik übertrugen (das Relief blieb mehr der Malerei verwandt), namentlich Henri Laurens und Alexander Archipenko. Dabei machte der Ukrainer hier nicht Halt. Kaum hatte er die plastischen Elemente zerlegt und wieder in ein Ganzes überführt, revolutionierte er etwa zeitgleich mit Rudolf Belling das Raum-Zeit-Gefüge und brachte – mehr in gefühlter Ahnung als in wissenschaftlicher Auseinandersetzung – Einsteins Erkenntnisse zur Relativitätstheorie in plastische Anschauung. Der leere Raum nahm Gestalt an.
Gemessen an den schnöden Daten war Deutschland nur eine Zwischenstation auf dem Weg von Paris in die neue Welt. 1913 war seine Kunst in New York (Armory Show) und in Berlin (Der Sturm) zu sehen, die Optionen wären da sicher noch in beide Richtungen denkbar gewesen. Der Krieg ließ ihn jedoch zunächst 1914 für vier Jahre nach Nizza ausweichen, länger als schließlich nach seinem Umzug ins Berlin der Golden Twenties, die so golden wohl nicht waren: 1921 gründete Archipenko eine Kunstschule, liebäugelte aber schon mit den USA, wo im selben Jahr eine Einzelausstellung zu sehen war. 1923 wanderte er aus und ließ sich in New York nieder, wo er sogleich wieder an einem eigenen Institut unterrichtete. Rund vierzig Jahre später, 1964, starb er dort.
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Es ist mehr ein Zufall bzw. Archipenkos Sinn für dankbare oder denkenswerte Begegnungen, dass Archipenkos Nachruhm auch Deutschland, genauer gesagt dem Saarland und insbesondere dem Saarlandmuseum zu verdanken ist. Rudolf Bornschein, einstiger Direktor der Saarbrücker Sammlung, veranstaltete 1960 eine große Retrospektive, die den Bildhauer offenbar so beeindruckte, dass er das Haus großzügig bedachte: Nach seinem Tod 1968 ging der Nachlass nach Saarbrücken. Aufbauend auf diesen Schätzen, ergänzt um etliche Leihgaben, präsentiert das Saarlandmuseum nun eine große Archipenko-Schau, begleitet von einem grandiosen Bildband, der zugleich ein Bestandsverzeichnis der Arbeiten im Besitz des Saarlandmuseums ist.
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