Die Globalisierung hat zu einer Verstärkung der alten Gegensätze zwischen Arm und Reich auch in den Industrieländern geführt, die durch die aktuelle Finanzkrise noch einmal an Bedeutung gewinnen dürften. Andererseits gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die gegenüber dem herrschenden Konsumdenken für ein ›einfaches Leben‹ wieder mit stärkeren spirituellen Wurzeln eintreten. Die Tagung wird das Thema in der Kunst des 20. Jahrhunderts behandeln und dabei nicht nur besonders umstrittene Positionen präsentieren, sondern auch einen ersten thematischen Überblick versuchen.
Eine umfassende Geschichte der Armutsdarstellungen ist noch nicht geschrieben. Doch herrscht Einigkeit darüber, dass das Thema in der Frühen Neuzeit mit der Reform des Fürsorgesystems erstmals größere Bedeutung gewinnt. Seit dieser Zeit sind wir gewohnt, zwischen ›bedürftigen‹ und ›unwürdigen‹ Armen zu unterscheiden. Erst in jüngerer Zeit, etwa bei dem US-amerikanischen Fotografen Andres Serrano, begegnen uns Arme in würdevoller Darstellung (Nomads, 1991), obwohl uns die Bilder keinerlei Auskunft geben, ob sie ihr Schicksal selbst verschuldeten. Sie spiegeln die auch in Deutschland geführte Diskussion um eine staatliche Grundsicherung für alle, unabhängig von konkreten sozialen Leistungen, und die Forderung nach mehr Respekt auch gegen die gesellschaftlich Exkludierten.
Freitag, 13. November 2009
14.00 Norbert Schneider (Karlsruhe): Begrüßung
14.15 Michael Scholz-Hänsel (Leipzig): Einführung: Konstanten und Brüche. Ein historischer Rückblick zur Armutsikonographie seit der Frühen Neuzeit
RAHMENTHEMA I: Armut und Neue Medien
Moderation: Norbert Schneider (Karlsruhe)
15.00 Andreas Pitz, Nierstein: Armut als Ausstellungsthema
Friedrich Tietjen, Leipzig: Fotografie als Apotropaion der Armut
Ute Hermanns, Berlin: Armut im Film – Positionen der Revolte: Luis Buñuel, Nelson Pereira dos Santos,Walter Salles, Eduardo Coutinho und Alejandro González Iñarritu
16.30 Diskussion
17.00 Kaffeepause
RAHMENTHEMA II: Umstrittene Positionen
Moderation: Michael Scholz-Hänsel (Leipzig)
17.15 Maria Leucht, Frankfurt a. M.: Käthe Kollwitz und Heinrich Zille. (Nicht-) Verortung des Bildes der Armut
Margret Woitynek, München: Sebastião Salgado: Ein Fotograf zwischen Ästhetik und Fotojournalismus
Natalia Fomina, Karlsruhe: Boris Mikhailovs ›Case History‹: Sündhafte Märtyrer –moralstiftendes Böses – ekelerregende Schönheit
18.45 Diskussion
Samstag, 14. November 2009
RAHMENTHEMA III: Versuch einer thematischen Chronologie
Moderation: Martin Papenbrock (Karlsruhe)
09.30 Fanny Stoye (Leipzig): Die Werke der Barmherzigkeit im Wiener Steinhof – Zur Repräsentation und Sakralisierung der staatlichen Armen- und Fürsorgepolitik um 1900
Thilo Scheffler (Leipzig): Das Fotoprojekt der FSA
10.30 Diskussion
11.00 Kaffeepause
11.15 Kristin Winkler (Leipzig): ›Arte povera‹ und andere künstlerische Bekenntnisse zur Armut Agneta Maria Jilek (Leipzig): Die Poesie des Verfalls. Zeugnis und Metaphorik in der Fotoserie ›Häuser und Gesichter. Halle 1983-85‹ von Helga Paris Franziska Eißner (Leipzig): Armut und Mobilität. Der Obdachlose als ›role model‹ in der zeitgenössischen Kunst?
12.45 Diskussion
13.15 Mittagspause
14.45 Stephanie Bremerich (Leipzig): Armut im Fotobuch - Jacob Holdt und Jonas Bendiksen
Katja Harfert (Leipzig): Martin Parr und Richard Billingham: Farbige Blicke auf die Unterschicht
15.45 Diskussion
16.15 Resümee
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Tagungsgebühr wird nicht erhoben.