Ausstellungsbesprechungen

Die Geburt des Kunstmarktes. Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters, Bucerius Kunst Forum Hamburg, bis 7. Januar 2018

Für uns ist es selbstverständlich, dass die Kunst einen Markt hat und das einzelne Bild einen Geldwert darstellt, aber eine solche Situation musste sich erst allmählich heranbilden. Das geschah hauptsächlich in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Stefan Diebitz hat die Hamburger Ausstellung besucht, die diesen Prozess beleuchtet.

Es war eine ungeheuer produktive Epoche mit Genies, die bis heute unser Bild von Kunst beeinflussen – allen voran Rembrandt –; und doch ist es nicht allein legitim, sondern sogar notwendig, nach den ganz profanen sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für eine Blütezeit wie das Goldene Zeitalter zu fragen. Nachdem die Holländer in den Worten Hegels »sich zu Protestanten gemacht und die spanische Kirchen- und Königsdespotie« überwunden hatten – 1648 war nicht allein das Ende des Dreißigjährigen, sondern auch des Achtzigjährigen Krieges –, mussten die alten Auftraggeber durch neue ersetzt werden; und damit veränderten sich natürlich auch Thematik und Sujets. Der alte Adel fiel fast ganz aus, und auch die Bilderfeindlichkeit der calvinistischen Kirche hinterließ große Lücken in den Auftragsbüchern der Künstler. Dazu kamen Zuwanderer aus dem Süden, welche natürlich die Konkurrenz befeuerten.

An die Stelle des Adels traten wohlhabende Bürger, die wie die höfische Welt Porträts forderten, aber doch in einem ganz anderen Stil, so dass viel persönlichere Abbildungen, aber auch Tronies, also Gesichts- und Ausdrucksstudien, entstanden; und statt großer Triptychen für Altarretabel mit Heiligen waren jetzt kleinere Genreszenen oder Landschaften für das bürgerliche Paradezimmer gefragt. Ebenfalls neu war die hohe Bildung der Auftraggeber, denn kein anderes europäisches Land jener Jahre besaß eine ähnliche Alphabetisierungsrate wie die dicht besiedelten Niederlande.

Seine Konsequenzen hatte das natürlich auch für die Organisation der Künstler in Gilden und ebenso für den Berufsstand des Kunsthändlers, der sich damals erst entwickelte. Und zwar geschah das aus der Mitte der Künstler heraus. Die ersten Galeristen, über welche auch diese Ausstellung, vor allem aber der Katalog informiert, waren zumeist »wenig erfolgreiche Künstler« (Michael North), die anfangs neben ihren eigenen Bildern zusätzlich die ihrer Kollegen ausstellten und verkauften, bevor sie hauptberuflich und ausschließlich diesem Beruf nachgingen. Besonders wichtig war Hendrick Uylenburgh (1584 – 1681), der vier entscheidende Jahre lang mit Rembrandt zusammenarbeitete. Der aufstrebende Rembrandt leitete für ihn eine Werkstatt, bevor er sich selbstständig machte.

Noch interessanter scheint das Leben des Amsterdamers Kunsthändlers Johannes de Renialme, der ursprünglich ein Börsenhändler gewesen war. Das 17. Jahrhundert in den Niederlanden war ja die Zeit der Spekulation, und es gab auch noch andere Geldanlagen als die legendäre Tulpenmanie. So spielten Lotterien, in denen man Bilder gewinnen konnte, eine wesentliche Rolle, und die Ausstellung präsentiert das Ankündigungsplakat einer solchen Lotterie in Leiden. Lotterien spielten, schreibt Kurator Franz Wilhelm Kaiser in seinem Katalogbeitrag, »eine entscheidende Rolle bei der Popularisierung von Kunst«.

Im Katalog zeigen die Aufsätze von Kaiser, des Greifswalder Historikers Michael North und des Autorenteams Friso Lammertse und Jaap van den Veen sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte dieses Prozesses auf, der sich nicht in allen Einzelheiten beschreiben lässt, weil viele Vorgänge heute mangels Quellen nicht mehr nachvollziehbar sind. North weist daraufhin, dass es für »den direkten Verkauf von Gemälden an Kunden im Atelier kaum Quellenhinweise« gibt, und Lammertse / van der Veen beklagen, dass die »Geschichte eines Unternehmens […] vorzugsweise anhand seiner Buchhaltung erforscht wird«, dass aber »von keinem einzigen Amsterdamer Kunsthandel des 17. Jahrhunderts ein solches Firmenarchiv erhalten« blieb, »nicht einmal ein Teil davon«. Gefragt ist unter solchen Umständen also sozialgeschichtliche Detektivarbeit. Immerhin finden sich Nachlassverzeichnisse.

Aus der Sicht eines Kunsthistorikers muss es interessanter sein, etwas über den Wandel zu erfahren, den der Markt für die Arbeitsweise der Künstler herbeiführte. Der kommerzielle Druck und die wegen vieler Zuwanderer aus dem Süden der Niederlande gesteigerte Konkurrenz hatte die verschiedensten Konsequenzen zur Folge, von denen die wichtigste wohl die Spezialisierung vieler Künstler war; einen anderen Ausweg bildete die Ausbildung verschiedener Arbeitsweisen.

Die einen arbeiteten sehr schnell – dabei bildete sich die Ton-in-Ton-Malerei heraus –, andere, die sich »Feinmaler« nannten, investierten eine enorme Zeit in die subtile und filigrane Ausarbeitung ihrer Gemälde. Das vielleicht erstaunlichste Bild dieser Art ist das winzige Selbstporträt Gerard Dous (nicht mehr als 12,4 x 8,3 cm), des Begründers der Leidener Schule der Feinmaler. Man mag gar nicht glauben, dass ein Maler sich selbst so klein und doch so unfassbar genau erfassen konnte – sein Gesicht ist kaum mehr als einen Zentimeter hoch! –, und man könnte es für die fotografische Verkleinerung eines großen Gemäldes halten.

Die Ausstellung zeigt nicht nur diese höchstbezahlte und höchstangesehene Malerei, sondern noch dazu das andere Ende des Spektrums, Historienmalerei, die im Schnellverfahren für die weniger vermögenden Käufer gepinselt wurde. Und auch die Drucke – es gibt eine ganze Anzahl aus der Hand von Rembrandt zu bewundern – waren sicherlich billiger; oder sie wären es gewesen, wenn Rembrandt nicht so unerhört viel hätte fordern können und entsprechend natürlich auch gefordert hat. Die Ausstellung präsentiert einige seiner besonders schönen, großen und sorgfältig durchmodellierten Radierungen zu biblischen Themen aus den dreißiger Jahren. Die Preise aber waren fantastisch.

Ein prominentes Beispiel für Spezialisierung war Jacob Isaack van Ruisdael, der die für Holland so untypischen, weiß schäumenden Gebirgsbäche malte; Allart van Everdingen konzentrierte sich auf ebenso exotische norwegische Fjordlandschaften; und dem vielleicht kommerziell erfolgreichsten Künstler dieser Epoche, aber auch wirklich enorm fähigen Philips Wouwerman wollte es einfach nicht gelingen, ein Bild ohne Pferde zu malen. Sogar Kühe fanden Absatz, jedenfalls dann, wenn man sie auf Bildern von Paulus Potter entdeckte. Erwähnt werden wollen auch noch die Jagdbeute-Stillleben von Willem van Aelst; in der Ausstellung hängen drei große tote Hasen direkt nebeneinander. Schließlich schuf der großartige Otto Marseus van Schrieck, der derzeit noch in Schwerin ausgestellt wird, das allein ihm gehörige »Waldbodenstillleben« mit Kröten und Schlangen, aber auch Pflanzen und Tagpfauenaugen, im Katalog gewürdigt durch einen Beitrag von Gero Seelig.

So ist es eine sehr vielseitige Ausstellung, die sämtliche Genres der Malerei und eine Vielzahl von bedeutenden Künstlern präsentiert. Der Katalog mit seinen fakten- und teils sogar zahlengesättigten Aufsätzen sollte vor allem für alle, die sich für die Sozialgeschichte der Kunst interessieren, ein unbedingtes Muss sein.

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