In diesem Jahr fand vom europäischen Kunstbetrieb nahezu unbemerkt die Kochi Biennale statt. Das Anliegen der Macher ist, eine an die Venezianer Biennale angelehnte indische Kunstschau zu schaffen. Ein eindrucksvolles Vorhaben, das Nina Zöpnek auf das nächste Mal warten lässt.
Die Luft ist feucht und schwer, wenn man in Kochi aus dem Flugzeug steigt. Wie ein zusätzlicher Rucksack legt sie sich auf die Schultern, während man den Bus sucht, der nach Fort Kochi fährt. Doch die Hitze und die Schwüle sind der lang ersehnte Ausgleich zur beißenden Kälte im Januar und die Palmen und Kokosnussstände, die am Busfenster vorbeiziehen, wecken die Lust auf Strandspaziergänge an lauen Sommerabenden und das Gefühl von Sand unter den Fußsohlen. All das wird in Kochi möglich sein, doch der Grund für den Besuch in der zweitgrößten Küstenstadt Keralas ist eigentlich ein anderer: die Kochi-Muziris Biennale, die hier von Dezember 2014 bis März 2015 stattfand. Zum zweiten Mal war die Stadt über einen Zeitraum von vier Monaten zum kulturellen Zentrum im Süden Indiens geworden, nachdem man schon im Jahr 2010 beschlossen hatte, eine Biennale ähnlich jener in Venedig ins Leben zu rufen, um internationaler Kunst in Indien eine Plattform zu bieten.
Ausgerechnet Fort Kochi für dieses Vorhaben ausgewählt zu haben, ist wahrscheinlich kein Zufall, denn die Stadt galt seit dem 14. Jahrhundert als eine der wichtigsten Hafenstädte Indiens und war zudem Sterbeort des portugiesischen Seemanns Vasco da Gama, der den Seeweg von Portugal nach Indien über das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung entdeckt und somit den Weg für die zukünftigen portugiesischen Kolonialherren geebnet hatte. Aber auch die niederländische Ostindien-Kompanie des 17. Jahrhunderts und später die Engländer konnten der Stadt ihren Stempel aufdrücken. Somit reicht der internationale Einfluss auf Cochin, wie die Stadt bis 1996 genannt wurde, über Jahrhunderte zurück und bietet eine interessante Basis zur »Welterforschung«.
Denn »Whorled Explorations« war das Thema der vergangenen Biennale. Die Ausstellung der »verworrenen Erforschungen der Welt« sollte als »… Beobachtungsplattform für Gedanken zu unserem Planeten dienen und zugleich ein Werkzeugkasten für persönliche Reflexionen…« sein, wie der Kurator Jitish Kallat selbst sagt.
Man schlendert also durch das Hafenstädtchen bei etwa 30 Grad und erfreut sich am Anblick der Palmen, während man sich mit einem Papierplan der Biennale eindeutig als Tourist ausweist und somit von jedem Riksha-Fahrer freundlich, aber bestimmt dazu aufgefordert wird, die paar Meter bis zum nächsten Ausstellungsgebäude doch mit ihm mitzufahren, um die eigenen Kräfte zu schonen.
Ist man dann angekommen, am ersten und auch größten Veranstaltungsort – egal, ob fahrend oder laufend – eröffnet sich einem etwas, das aussieht wie ein alter Viehhof direkt am Wasser. Durch einen blühenden Garten in der Mitte des U-förmigen Aspinwall House geht es in die Ausstellungsräume, die zwar an White Cubes angelehnt sind, aber noch den Charme eines Bauwerks versprühen, das Geschichten der vergangenen 150 Jahre erzählen könnte. Eines der ersten Kunstwerke in der ansonsten dunkel gehaltenen Halle der ehemaligen Geschäftsräumlichkeiten des Gewürzhändlers John H. Aspinwall brennt sich ins Gedächtnis wie ein glühender Stempel auf das Hinterteil einer indischen Kuh: An den frisch gestrichenen Wänden eines separaten Raumes hängt eine Bilderserie aus 90 Kohle-Zeichnungen des indischen Künstlers und Filmemachers K.M. Madhusudhanan. Die Wände leuchten einem schneeweiß entgegen und bieten somit einen harten, aber ästhetisch hervorragenden Kontrast zu den schwarz-weißen Bildern. Unterschiedlichste historische Ereignisse wurden vom Künstler aufgegriffen, kommentiert durch Symbole wie etwa dem Schwein als buddhistisches Zeichen des Geizes, schwappen dem Publikum aus jeder einzelnen Zeichnung wie unvorhergesehene Erinnerungsfetzen ins Gesicht und erwecken die Assoziation einer modernen Umsetzung Francisco de Goya´s »Desastres de la Guerra«.
Doch Madhusudhanans Serie ist natürlich nicht das einzige imposante Kunstwerk, das die Kochi-Muziris Biennale zu bieten hat. In acht Ausstellungsstätten über die gesamte Stadt verstreut bieten indische, sowie internationale Künstler Einblick in deren Oeuvre aus Malerei, Zeichnung, Installationen oder Video-Kunst. Unter ihnen Yoko Ono, Charles and Ray Eames, Pushpamala N., Anish Kapoor und das Raqs Media Collective, um nur ein paar wenige Teilnehmer zu nennen.
Nach zwei Tagen intensivster Auseinandersetzung mit den Kunstwerken der Biennale ist es wohl das Beste, sich am Straßenrand bei einem der Kokosnussstände eine Erfrischung zu holen um dann in der Stille und Harmonie der südindischen Backwaters alles Revue passieren zu lassen. Und vielleicht, vielleicht läuft man ja schon 2016 zur nächsten Biennale wieder durch Kochi und genießt das Zusammenspiel aus Kunst und Natur.
Da leider nur Eindrücke geschildert und die Biennale nicht in ihrer Gesamtheit in Worte gefasst werden kann, bietet die Website noch weitere Einblicke.