Unzählige Zahnräder und -rädchen, die ineinander greifen, Hebelmechanismen und Gegengewichte: So eine Uhr ist ein Kosmos für sich. Wann der erste Mensch damit begonnen hat, die Zeit zu messen, kann nur spekuliert werden. Was man weiß, ist, dass dies mit einem Stock geschah. Das Räderwerk kam später und auch eine der vermutlich verspieltesten Verquickungen von Kunst und Technik: die Automatenuhr.
Unsere Faszination für künstliche Wesen ist alt. Bereits in den Sagen des Altertums finden sich Hinweise auf menschenähnliche Automaten und lebende Statuen. Laut Überlieferung soll der göttliche Schmied Hephaistos nicht nur für sich selbst zwei metallene Dienerinnen geschaffen haben, sondern auch den Riesen Talos, der die Insel Kreta bewachte. Dies führte den Philosophen Aristoteles zu Überlegungen, was es ist, dass einem natürlichen Körper Leben gibt, ihn also »lebendig« macht. Es entsteht die erste bekannte Abhandlung »Über die Seele« (De anima). Dass Materie erst lebendig, wird, wenn man ihr Leben einbläst, findet sich auch in der Bibel (1. Mose 2,7): »Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele«. 1580 erregte die Legende eines künstlich erschaffenen Menschen die Gemüter. Der aus Worms stammende Prager Rabbiner Judah Löw habe eine menschliche Gestalt aus Lehm erschaffen, die er Joseph Golem nannte und zum Schutz der jüdischen Gemeinde einsetzte. Damit er sich bewegte, musste ihm ein Zettel mit dem Namen Gottes unter die Zunge gelegt werden.
Weitaus weniger magisch, aber mindestens genauso faszinierend, sind die fast zeitgleich zur Golem-Geschichte in Mode kommenden Automatenuhren. Ihre Funktion als Zeitmesser trat dabei in den Hintergrund. Angetrieben von einem Uhrwerk konnten sie Bewegungen ausführen und Figuren quasi verlebendigen. Man stelle sich die verzückten Augen des Besitzers vor, wenn der Strauß in einem Beispiel aus dem Württemberger Landesmuseum mit den Augen rollt und mit den Flügeln schlägt. Hinzu kommt noch ein Bärchen, das trommelt und den Unterkiefer bewegen kann. Mittels eines im Bein des Straußes verlaufenden Drahtes sind beide Figuren synchronisiert. So verbinden sich im Objekt feinstes Kunsthandwerk, Zeitgeist und neueste Technologie.
Eine der ersten Automatenuhren gab es vermutlich im Orient. Dabei handelt es sich um die Elefantenuhr des Abu’l Izz Ismacil al–Jazari (1136-1206). Er war es auch, der als erster den Term »automatische Maschine« verwendete. In seinem »Buch des Wissens von sinnreichen mechanischen Vorrichtungen« (1206) beschrieb er seine Uhr genau. Versteckt im Inneren des lebensgroßen Elefanten befindet sich ein durch Wasser angetriebener Mechanismus. Er bewirkt, dass sich der Vogel auf der Spitze dreht und dann zwei weitere Vögel Metallkugeln aus ihren Schnäbeln in die offenen Rachen zweier Schlangen werfen. Durch das Gewicht senken diese sich langsam herunter und lassen die Kugeln in tiefe Töpfe gleiten. Wenn dann die Figur des Elefantentreibers auf die Trommel schlägt, ist eine halbe Stunde vergangen. Eine funktionstüchtige Nachbildung befindet sich heute übrigens in der Ibn Battuta Shopping Mall in Dubai.
Stücke wie die mechanische Schildkröte mit ihrem Reiter aus dem Londoner Victoria and Albert Museum waren mit ziemlicher Sicherheit Teil einer Kunstkammer, die nur einem exklusiven Publikum zugänglich war. Mit den Fortschritten des Uhrenbaus im 16. Jahrhundert erschienen Automaten mit kleineren Dimensionen und zum Teil kostbarer Ausführung als Repräsentations- oder Kabinettstücke für die Aristokratie und das reiche Bürgertum. Vor allem Nürnberger und Augsburger Feinmechaniker traten hier hervor. So etwa der Augsburger Hans Schlottheim (1545–1625). Um 1585 stellte er für Karl V. einen Schiffsautomaten her. Dieser hat Räder und bewegt sich, wenn er ausgelöst wird, auf einer sich dahinschlängelnden Bahn vorwärts. Eine Orgel spielt, auf der Brücke erheben Trompeter ihre Instrumente, Trommeln und Zimbeln werden geschlagen, in regelmäßigen Abständen donnern Kanonen.
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