Ausstellungsbesprechungen

Francis Bacon: Man and Beast. Royal Academy of Arts, London (29.01. – 17.04.2022)

Tiefgründig und bewegend sind die Gemälde des irischen Künstlers Francis Bacon. Immer wieder verwischt darin die Grenze zwischen Mensch und Tier, werden wir daran erinnert, dass unsere Urinstinkte direkt unter der Oberfläche schlummern. Eine beeindruckende Ausstellung in London konzentriert sich aktuell auf Bacons – Sohn eines Pferdezüchter - untrügliche Faszination für Tiere, wie diese seine Herangehensweise an den menschlichen Körper sowohl geprägt als auch verzerrt hat. Katrin Ego-Gaal war vor Ort.

cover © The Estate of Francis Bacon
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Die menschliche Figur und das Biest stehen im Mittelpunkt der Ausstellung »Francis Bacon: Man and Beast« in der Royal Academy of Arts in London. Francis Bacon (1909-1992) wird als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts gefeiert. Seine düsteren, verzerrten, abstrakt deformierten Figuren sind nicht nur hochemotional, sondern eröffnen gleichzeitig eine stille, visuelle Konversation. Es ist die erste Ausstellung, welche seine Faszination mit Tieren in den Mittelpunkt stellt und die Bedeutung, welche diese auf sein ultimatives Subjekt, die menschliche Figur, darstellt. Diese Ausstellung präsentiert 46 bedeutende Werke seiner umfangreichen Karriere, darunter frühere Arbeiten aus den 1930ern und 1940ern bis hin zu seinem letzten Werk »Study of a Bull« von 1991.

»Man and Beast« führt überwiegend chronologisch durch Bacons Schaffen. Galerie eins mit dem Titel »Flesh, Skin and Bone« beginnt mit Kreaturen, die weder als Mensch noch als Tier identifiziert werden können oder doch eventuell als beides. Bacon beschreibt sie als »... organische Form, die sich auf das menschliche Image bezieht, aber eine komplette Verzerrung davon ist«. Die Gestalt in »Fury« von 1944 ist weder Mensch noch Biest, weist jedoch physikalische Ähnlichkeiten auf wie ein menschliches Ohr, Zähne eines wilden Tieres und Rippen, die sich auf seinem biomorphischen Körper abzeichnen. Diese Furien kommen aus der griechischen Mythologie; Gottheiten von Schuld und Vergeltung, die mit Bacons eigenen Emotionen und Vorstellungen verkörpert werden wie in »Tryptich inspired by the Oresteia of Aeschylus«, welches nach dem griechischen Stück »The Oresteian Triology« von Aischylos benannt wurde. Ebenfalls in der ersten Galerie wird »Crucifixion« von 1933, eines seiner ersten bedeutenden Werke, präsentiert.  »Ich war immer schon sehr bewegt von Fotos über Schlachthäuser und Fleisch und für mich gehören sie zum gesamten Akt der Kreuzigung hinzu«, so Bacon. Dieses Werk scheint ein düsteres Abbild zu sein zu einem Foto, welches John Deakin 1952 für die Vogue fotografierte: Im Hintergrund steht Francis Bacon mit nacktem Oberkörper und hält zwei Schweinehälften.
Die menschliche Grausamkeit spiegelt sich auch im Werk »Fragment of a Crucifixion« von 1950 wider: Zwei Kreaturen, welche aussehen wie ein Hund und eine schreiende, Blut spritzende Eule sind die Protagonisten, während im Hintergrund, bedeutend kleiner, Menschen und Autos auf einer Strasse das tägliche Leben suggerieren. Die Gewalt und Grausamkeit in Bacons frühen Werken sind jedoch auch ein Spiegel der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den Kriegen und dem daraus resultierenden Elend.

cover © The Estate of Francis Bacon
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Nicht weniger düster sind einige der Werke in der zweiten Galerie mit dem Titel »Wildlife«. Tiere haben für ihn immer schon eine bedeutende Rolle gespielt, doch aufgrund einer Asthma-Erkrankung konnte Bacon sie nur aus der Ferne beobachten, die Faszination jedoch blieb. Das Portrait eines schreienden Schimpansen in »Chimpanzee« von 1955, eingesperrt in einen Käfig, düster, emotional und schmerzerfüllt, steht im Kontrast zu »Study for Chimpanzee« von 1957, mit einem pinkfarbenen Hintergrund und einem Affen, der in sich ruht und lächelnd auf einer Holzkiste sitzt. 
In den frühen 50ern bereiste er Südafrika und war gleichermaßen fasziniert von den Tieren und von den trockenen und großen Landschaften. In seinen »Landscape« Bilder lassen sich auch menschliche Figuren erahnen, welche oft sexuelle Handlungen wie bei „Figures in a Landscape“ von 1956-57, andeuten. In „Man Kneeling in Grass“ von 1952 hocken nackte, menschliche Figuren im Gras. Verwundbar und mit dem Kopf nach unten, wie ein Tier, das sich ergeben will, kriecht die Gestalt durch das Gras und wird dabei von einer geisterhaften Figur, die im dunklen Hintergrund erscheint, beobachtet.

»The Animal Within« ist Titel der dritten Galerie und beschäftigt sich intensiv mit der Portraitmalerei, die das innere Tier im Menschen zum Vorschein bringen soll. Doch: Nicht das Gesicht steht für Bacon im Vordergrund, sondern der gesamte Kopf; er ist Ausdrucksform für den Schrei des Schmerzens und Grimasse der Furcht. Der angedeutete Käfig, besonders gut zu erkennen in »Head VI« von 1949 und »Pope« von 1951, isoliert die Figur zusätzlich und unterstreicht die Einsamkeit. Das Portrait »Head IV (Man with a Monkey)« von 1949, zeigt einen menschlichen Hinterkopf und im Spiegelbild das Antlitz eines Affen. Bacon spielt mit der Illusion; sind es tatsächlich Mensch und Tier, die sich gegenübersitzen, oder ist doch alles nur Einbildung. Eines der wichtigsten Werke der »Head«- Serie ist »Head VI« von 1949; der Schrei des im Käfig sitzenden Papstes, reduziert auf ein gefangenes Tier, ist die erste Andeutung auf Velázquez´ Portraits von Papst Innozenz X. von ca. 1650. In mehr als 50 Papst-Bildern nimmt Bacon dem kirchlichen Würdenträger jegliche Autorität, umgeben von einem höhlenartigen Hintergrund münden die Gefühlsausbrüche des Geistlichen in einem stummen, zur Grimasse verzerrtem Schrei.

cover © The Estate of Francis Bacon
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Die Bewegung steht im Mittelpunkt der nächsten Galerie. »Bodies in Motion« erzählt von Bacons Faszination mit der Fotografie und seinem Versuch die Bewegung des Körpers einzufangen. »Ich schaue mir die ganze Zeit Tierfotografien an. Da die Tier-Bewegung und die menschliche Bewegung in meiner Vorstellung ständig mit der menschlichen Bewegung verbunden sind«, so Francis Bacon. Besonders die Arbeiten des Fotografen Eadweard Muybridge mit seinen fotografischen Sequenzen von Menschen und Tieren in Bewegung, hatten einen tiefgreifenden Eindruck auf Bacon und dessen weiteren Arbeiten. Zwei ringende Männer, ein Diskuswerfer, ein Kind, das nackt auf allen vieren krabbelt und zwei Menschen bei einer sexuellen Handlung zählen zu den Werken dieser Galerie. Besonders »Two Figures« von 1953, in dem zwei Männer umschlungen aufeinander liegen, provoziert, da Homosexualität zu diesem Zeitpunkt illegal war. Bacon lebte aber schon seit langer Zeit offen homosexuell und unterstreicht das auch in seinen Werken. Bacons Faszination mit Muybridges Fotografien und die Obsession des Körpers in Bewegung darzustellen, führten ab den 1960er Jahren zu noch extremeren Verzerrungen der menschlichen Form. Bei allen Werken in dieser Galerie stehen Körper und Farbe im Mittelpunkt. Üppige weibliche, verdrehte Formen mit Farben, die an Fleisch erinnern und Lust und Verletzlichkeit kommunizieren, räkeln sich auf einer Liege. Dieser Raum präsentiert auch einige seiner Triptychen, besonders emotional ist dabei »Triptych August« von 1972, welches Bacon nach dem Tod seines Geliebten George Dyer kreierte. Die beiden äußeren Gemäldeflügel zeigen den auf einem Stuhl sitzenden Dyer vor einer schwarzen Tür oder Öffnung. Sein Körper ist nicht mehr vollständig,  Teile scheinen herausgeschnitten, rosafarbene Flüssigkeit tritt aus, als ob der Körper schmelzen wolle. Im mittleren Bild des Triptychon sieht man Dyer am Boden liegen, wobei das Gefühl entsteht, noch eine Person liegt unter oder auf ihm, eventuell Bacon selbst. Dieser Triptychon seines toten Geliebten soll an die Sterblichkeit aller Lebewesen erinnern und gleichzeitig an die Bedeutungslosigkeit materieller Dinge.

Am Schluss der Ausstellung steht der Stierkampf, eine der brutalsten, emotionalsten und kraftvollsten Begegnungen zwischen Mensch und Tier, »man and beast«. Zum ersten Mal zusammen präsentiert, erzählen diese drei Bilder die kontroversen Themen in Bacons Oevre: Gewalt und Erotik, Fleisch des menschlichen Körpers und Fleisch des Tieres, Leben und Tod. Die beiden Stierkampfszenen in »Study for Bullfight« von 1969 zeigen eine tobende gesichtslose Menge , zurück gehalten von der Barriere des Ringes. Im Mittelpunkt der Totentanz des Stieres mit dem Torero. In der zweiten Version dieses Themas aus demselben Jahr ist die Komposition des Bildes zwar ähnlich, die aggressive Menschenmenge wurde jedoch durch eine weiße Wand ersetzt und der Torero ist nur noch ein schwaches Abbild seiner selbst, der Stier strotzt hingegen vor Kraft und Überlebenswillen.

cover © The Estate of Francis Bacon
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Das letzte Bild der Ausstellung »Study of a Bull« von 1991 ist auch das letzte Gemälde von Francis Bacon. Die bunten, vibrierenden Farben seiner früheren Stierkampfbilder sind helleren, beige-weißen Tönen gewichen. Der Stier steht nicht kampfeslustig im Mittelpunkt sondern agiert ruhig am Rande des Bildes und ist jederzeit bereit, aus dem Bild zu verschwinden. Es ist nicht überraschend, dass dies das letzte Gemälde Werk von Bacon ist, alle Indizien sprechen dafür, dass er bei der Entstehung des Werkes selbst bereit war, sich aus seinem Lebens-Gemälde zu verabschieden. Ein leises Abtreten, jedoch mit einem faszinierenden leidenschaftlichen Lebenswerk, welches uns an die Verantwortung und den Respekt erinnern soll, die wir für uns Menschen und die Tiere übernehmen müssen.

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