Rezensionen

Friederike Zenker: Das Tier im Bild - Verbindungen von Tierethik und Ästhetik. transcript Verlag

Ästhetik und Ethik gehen nicht nur eine Symbiose ein, sondern bekunden eine Einheit, die auch über eine rein ästhetische Darstellung des Tieres in der Kunst hinausgeht. Friederike Zenker betrachtet in ihrem Buch das Tier aus ethischer wie ästhetischer Perspektive und verlangt danach, in dem ‚Lebewesen Tier‘ eine höchst eigene Würde und Schönheit zu erkennen. Melanie Obraz hat diese spannungsreiche wie vielschichtige Argumentationsebene erkundet.

Cover © Transcript Verlag
Cover © Transcript Verlag

Was heißt es überhaupt ein Gefühl für das Ästhetische zu haben – für das Schöne und für das Ansehnliche? Ist damit nur gemeint, dass etwas angenehm ist und gern angesehen wird? Und was heißt es, ein Gefühl für das Ethische zu haben – ein Gefühl für das Gute, für die Güte, gekoppelt und gegründet in einer Moraltheorie, die ein gutes Leben ermöglicht und es zugleich mit Schönem erfüllt? Diesen Fragen widmet sich Friederike Zenker in ihrem aktuellen Buch und kombiniert sie mit der Sicht für und auf die Tierwelt. Ihre These: Das Tier soll und muss einer bloßen Instrumentalisierung und Nutzbarmachung entgehen! Aber wie? Die Autorin diskutiert diese Frage(n) detailliert, indem sie philosophisch-ästhetische wie auch die der Philosophie so inhärenten ethischen Gesichtspunkte als Grundlage veranschaulicht.

© 2023 Jo-Anne McArthur
© 2023 Jo-Anne McArthur

Das Tier steht als Subjekt und als Singularität im Mittelpunkt von Zenkers beachtenswerter Untersuchung. Ihr kommt es darauf an, die Unverwechselbarkeit und Individualität jeden Tieres herauszustellen. Sie sind Subjekte des Lebens und weisen damit einen moralischen Wert auf. Ihr ist es wichtig, die Situation des Tieres nicht von einem vermenschlichenden Standpunkt aus, den Betrachtern:innen zu präsentieren - das Tier, vornehmlich das sogenannte Nutztier, wird daher auch im Alter dargestellt, was für das Nutztier höchst selten der Fall sein dürfte. Ziegen, Hühner, Schweine etc. besitzen ihre eigene Schönheit auch im Alter und bezeugen ihre Daseinsberechtigung über den Lebensmittellieferdienst für Menschen hinaus . Damit übersteigt die Autorin die uns bereits vertrauten Anschauungsweisen der Bio- und Tierethik. Ihr gelingt es, sich von den Einteilungen in richtig/falsch, legal/ illegal zu lösen und auf die kulturellen Praktiken aufmerksam zu machen.

© 2023 Jo-Anne McArthur
© 2023 Jo-Anne McArthur

Lebende Tiere sind in zeitgenössischer Kunst in vielfältigen Kontexten präsent so z.B. in Installationen. Darüber hinaus zeigt die Kunstgeschichte, dass Tiere über Jahrhunderte hinweg in der Malerei und der Skulptur als Motive beliebt waren, meist als Teil der Naturschönheit oder als Spiel- und Arbeitsgehilfe der Menschen. Dagegen war eine anthropologische Differenz nie der fundamentale Aspekt.

Der Autorin geht es in diesem Buch aber nicht um Schockbilder, die uns aufrufen, doch endlich vegetarisch oder vegan zu leben. Friederike Zenker stellt in der Hauptsache auf die Einfühlung in das Tier ab, um es in seiner Würde als nichtmenschliches Wesen herauszustellen. Denn: Unsere Kultur und ihre Errungenschaften haben es mit sich gebracht, dass Tiere letztendlich nicht als Mitgeschöpfe gesehen werden. Nun besteht aber die Möglichkeit, dass gerade die Kultur und damit auch die Ästhetik hier den Blick erweitern und im optimalen Fall auch eine Verbesserung für die Lebenssituation der Tiere mit sich bringen.

© 2023 Jo-Anne McArthur
© 2023 Jo-Anne McArthur

Zenker unternimmt zudem den Versuch, sich den Erfahrungen des Tieres anzunähern. Die dazu eingeforderten Fotos stellen das Tier als konkretes Individuum dar, mal als schöne und grazil wirkende Giraffe im Zoo, ein andermal als Kampagne „I’m Me, Not Meat“, Doch gerade deshalb hebt Zenker auch hervor, dass es nicht hauptsächlich um biologische Objektivitätskriterien gehen darf. Schon allein die Formulierung „das Tier“ legt ihrer Meinung zufolge eine Einheit nahe, die uns stutzig machen sollte. Die übergroße Vielgestaltigkeit der Erscheinung Tier und der jeweils spezifischen Individuen komme damit in keiner Weise zum Ausdruck. Eine nicht zu tolerierende Vereinheitlichung findet statt, die das Tier als Teil einer spezifischen Art (Säugetiere, Insekten etc.) gar nicht sieht und damit erst recht also jede dem Tier eigene Individualität verneint. Tiere sind eben nicht nur nützlich, unterhaltsam oder abschreckend, es ist entscheidend, sich von der anthropozentrischen Sichtweise zu verabschieden.

Vor allem ist es Friederike Zenker eine Herzensangelegenheit die Wahrnehmung in Richtung auf eine Fürsorge zu stärken. Bildern und Fotografien ist die Potentialität eigen, Distanzen überwinden zu können. Also auch jene zwischen Tier und Mensch. Allerdings sind Bildpräsentationen wie sie auf Musterhöfen vorgenommen werden, nicht unproblematisch, beabsichtigen sie doch oft, Portraits von Tieren und eine sich daran anschließende Verwertbarkeit als Harmonie darzustellen.

© 2023 Jo-Anne McArthur
© 2023 Jo-Anne McArthur

In diesem Sinne steht der Mensch in Bezug auf ein Tier ebenso im Fokus dieses Buches. Es ist die Interaktion und der Blick des Menschen auf das Tier, womit auch die gemeinsame Schwäche beider Spezies in der Verwundbarkeit, Bedürftigkeit, Abhängigkeit und schließlich der Sterblichkeit zur Ansicht gelangt. Den Menschen ist selten bewusst, dass die Hühner, Schweine oder Kühe in der visuellen Kultur zum größten Teil jung und auch gesund sind. Die Unauswechselbarkeit jeden einzelnen Tieres muss aber in diesem Kontext im kollekitven Gedächtnis verankert werden. Tiere sind nicht eben nur bestimmte Artvertreter, sondern singuläre Geschöpfe. In diesem Kontext kommt der Ästhetik in Verbindung mit einer Tierethik eine wichtige Rolle zu, da infolge der Verbindung jener Disziplinen ethische Vorstellungen generiert werden.

Abschließend sei noch gesagt, dass sich schon Charles Darwin mit der Ästhetik von Tieren beschäftigte. Er setzte jedoch lediglich die Wahrnehmung des Tieres hinsichtlich spezifischer Merkmale in den Mittelpunkt wie beispielsweise bunte Federn und andere von Menschen als Schönheitsmerkmale bezeichneten Besonderheiten. Friederike Zenker erweitert nun diesen biologistisch ausgerichteten Fokus auf die Ästhetik im Sinne einer Ethik-Ästhetik, die den Menschen als fürsorglichen Mitbewohner der Welt auszeichnet – auszeichnen sollte. Und so zitiert die Autorin Horkheimer/Adorno: „Das lässige Streicheln über Kinderhaar und Tierfell heißt: die Hand hier kann vernichten.“

Titel: Das Tier im Bild. Verbindungen von Tierethik und Ästhetik
Autorin: Friederike Zenker
Umfang: 274 Seiten, 15 Abbildungen
Verlag: transcript Verlag

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