Buchrezensionen

Gerd Blum/ Steffen Bogen/ David Ganz/ Marius Rimmele (Hrsg.): Pendant Plus. Praktiken der Bildkombinatorik, Reimer 2012

Inwiefern steuern Bildzusammenhänge und kulturelle Prägung unsere Wahrnehmung von Kunstwerken? Wird der Kurator zunehmend zum Metakünstler? Mit seinen Aufsätzen »Vom Einzelbild zum hyperimage« (2004) und »Bild gegen Bild« (2005) hat der Konstanzer Kunstwissenschaftler Felix Thürlemann einige spannende Fragen aufgeworfen. In dem Band »Pendant Plus« haben 21 Wissenschaftler den Versuch unternommen, diese weiterzudenken. Leider wirkt die Aufsatz-Sammlung relativ willkürlich, findet Cornelia Lütkemeier.

»Der Arrangeur der Bilder tritt bei der visuellen Suprazeichenbildung als ein zusätzlicher Autor auf, der mit Hilfe der von den Künstlern geschaffenen Bildtexte neue ›Bild-Satzgefüge‹ zusammenstellt. (...) Die Kommunikationsstruktur der klassischen Bildkultur, die von der Symmetrie des Sender/Empfänger-Models und dem Gefälle zwischen einem aktiven Produzenten und einem passiven Rezipienten bestimmt war, wird im Zeitalter der elektronischen Medien immer häufiger die Form eines kaskadenartigen Prozesses annehmen, bei dem von unterschiedlichen Akteuren sukzessive neue kreative Impulse eingeschlossen werden«, so Thürlemann in seinem Essay »Vom Einzelbild zum hyperimage«. An sich eine spannende These.

Im Detail machen seine Texte jedoch an vielen Stellen stutzig:
So kritisiert Thürlemann etwa, die Kunstgeschichte habe das Arrangement von Bildern bisher kaum zum Gegenstand gehabt. »Überraschend wenig Interesse hat die kunstgeschichtliche Hermeneutik (...) den Phänomenen der Bildung von hyperimages oder Suprazeichen entgegengebracht, d.h. der Untersuchung von Bildensembles, die aus autonomen Einzelwerken zusammengesetzt sind und deshalb grundsätzlich der Möglichkeit eines Neuarrangements unterliegen.« Die Behauptung mutet kühn an: Zählt es nicht zu den zentralen Aufgaben des Kunsthistorikers zu klären, unter welchen Umständen ein Kunstwerk entstanden ist und für welchen Kontext es ursprünglich bestimmt war? Die Museologie ignoriert Thürlemann mit seiner Behauptung ebenso wie kuratorische Reflektionen und die zahlreich publizierten Sammlungsgeschichten von Museen – die ja per se durchaus die Kombinatorik von Bildern zum Gegenstand haben.

Ebenfalls diskussionswürdig: Kann man, wie Thürlemann anregt, das Konzept der Intertextualität tatsächlich auf die Kunstwissenschaft übertragen? Oder steht dem entgegen, dass sich Kunst deutlich schwerer in logisch abgrenzbare Elemente zergliedern lässt als Sprache? Was würde dem Wort, dem Kapitel, dem Text entsprechen?

Spätestens Thürlemanns Ausführungen zum Internet lassen den Leser die Stirn runzeln: Unsauber spricht er vom »Medium Internet« und davon, dass Suchmaschinen »Links setzen«. Auch die Behauptung, dass Medienproduktion zu Guttenbergs Zeiten demokratischer war als heute, mutet kühn an: »Anders als bei vorangegangenen Medienrevolutionen, der Erfindung des Buchdrucks, der Fotografie und des Films, kann sich eine neue Syntax für die Text- und Bildpräsentation nicht im souveränen Verfügen der Anwender über die bestehenden Mittel frei entwickeln. Im Medium Internet haben nur wenige professionelle User die Kompetenz, die Ebenen des Signifikanten für die kreative Sinnproduktion autonom zu bearbeiten.« Da möchte man in Zeiten von Homepage-Baukästen, Blog-Vorlagen und sozialen Medien doch gerne Widerspruch einlegen.

Von den 21 Aufsätzen im Buch hätte man eigentlich erwarten können, dass sie solche Passagen kritisch hinterfragen und einordnen. Leider wird der Leser hier enttäuscht: Kein einziger Autor stellt Thürlemanns Begriffe wirklich zur Debatte. Das ist auch den Herausgebern anzukreiden, die im Vorwort offen zugeben, nur einen losen Plan für das Buch gehabt zu haben: Alle Autoren waren »eingeladen, sich von den beiden Texten Felix Thürlemanns hinsichtlich der Wahl ihrer Gegenstände und methodischen Herangehensweise anregen zu lassen«. Ein vernünftiges Konzept klingt anders. Und das merkt man »Pendant Plus« dann leider auch an: Hier wurde zusammengefügt, was nicht zusammengehört.

Das ist schade. Denn für sich genommen sind die Themen vieler Essays durchaus interessant: So untersucht etwa Valerie Möhle »Die Apsisverglasung von St. Kunibert zu Köln als Bildsumme«. Perdita Rösch betrachtet Paul Klees »Näherungen« als Werkgruppe. Joachim Paech geht dem Phänomen des Splitscreens in Filmen nach. Peter Geimer untersucht eine Videomontage von David Claerbount als »Bild im Bild«. Bernd Stiegler schreibt über die Geschichte der Stereoskopie. Albert Kümmel-Schnur beschreibt den Sarajewo-Raum des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien als Beispiel für Bildkombinatorik im Dienste dramatisch-musealer Inszenierung. Und Georg Imdahl befasst sich mit dem Format der Großausstellung als Ort der Bildpräsentation.

Fazit: In der Summe lassen die Aufsätze den Leser ratlos zurück. Es fehlen gemeinsam verabredete Begrifflichkeiten, die thematisch sehr verschiedenen Beiträge und Kapitel nehmen keinerlei Bezug aufeinander. Selbst den Anschluss an Thürlemann muss man bei manchen Aufsätzen schon wohlwollend suchen. Über den Charakter eines Mosaiks kommt »Pendant Plus« damit nicht hinaus.

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