Eine Aura des Vergänglichen, Geheimnisvollen, Unbewussten und manchmal auch Gruseligen umgibt die Werke der sieben präsentierten spanischen Künstler. Allesamt Sahnestückchen einer postmodernen fantastisch-realistischen Malerei, die zuletzt in den 1970er Jahren in Deutschland ausgestellt wurde. Rowena Fuß hat sich diesen überaus empfehlenswerten Insidertipp genauer besehen.
Was den Besucher im Panorama Museum erwartet, ist eine Mixtur aus barockem Stillleben und Goyas Caprichos, Reales vermischt sich mit Magischem, Visionärem, Symbolischem, Groteskem, Träumerischem und Fantastischem. So begegnet man gleich rechts von der Treppe, die in die erste Etage des Museums führt, einem Universum versteinerter Äste und vom Leben verlassener Gestalten in der »Chronik eines ewigen Gedankens« von Marcial Gómez. Es zeigt einen Mann mit hochgekrempelten Hemdärmeln. Sein Gesicht ist eine Maske mit leeren Augenhöhlen unter einem Zweispitz. Mehrere winzige Kinder laufen im Hintergrund über einer Bergwiese neben einem Haus. Interessant ist die Anordnung der Bild- bzw. Realitätsebenen: Mehrere zerbrochene Glasscheiben isolieren den Mann von den herumtollenden Kindern. — Letztere übrigens auch nur ein Leinwandbild auf einer Staffelei.
Das Thema Vergänglichkeit setzt sich in den Werken von José Hernández fort. Hier dient es als Leitmotiv dazu, die Spuren von Unmenschlichkeit, Gewalt und Eitelkeit aufscheinen zu lassen. So zeigt »Ort der Betrübten« eine breite, flach ansteigende Treppe, die zum Vorbau eines Gebäudes führt. Auf ihr befinden sich dicht gedrängt abscheuliche Ungestalten und merkwürdiges Gerümpel. Rechts davon erscheint der Oberkörper eines Bischofs, an dem der Zahn der Zeit genagt hat und darauf verweist, dass die Zeit ein gefräßiges Wesen ist, welches vor Niemandem Halt macht.
Scheinbar bunter und fröhlicher geht es in den nachfolgenden Bildern von Luis Sáez zu. Sie sind gekennzeichnet durch Formballungen, die als Ganzes einen anthromorphen Charakter besitzen. In den beiden Gemälden »Ref./Sg.3« und »Ref./Gue.V« setzen sich die angehäuften Gegenstände zu bizarren Kriegerfiguren zusammen, bestehend aus Armkacheln, einem mit bunten Federn geschmückten Helm, dessen Visier Zähne fletschend offen steht und einer Fahne oder Lanze. Beide zeigen durch das Burgfenster bzw. vom Wehrgang den Blick auf eine Meereslandschaft mit Felsen. Insgesamt wirken die Szenen bedrohend und skurril zugleich. Alles ist tote Materie, auch wenn der menschliche Leib darin geistert. Es sind daher surreale Stillleben nach Art der Pittura Metafisica Giorgio de Chiricos.
Ein buntes Treiben kennzeichnet auch die Gemälde von Vicente Arnás. Dieser parodiert menschliche Handlungen und Verhaltensweisen. So zum Beispiel in »Dr. honoris causa«: Ein Kaiserpinguin empfängt hier die Weihe eines Ehrendoktorhutes aus der Hand eines Würdenträgers, der sich huldvoll dem etwas steif stehenden Tier herabbeugt. Die Rechtsprechung steht hingegen im Bild »Urteilsreif« zur Debatte. Anklage- und Richterbank erscheinen wie die Ränge eines Stadions. Die hohen Herren des Gerichts und der Angeklagte bilden eine illustre Schar karnevalesk gekleideter Gestalten. Sie gestikulieren, tun gewichtig und machen das alberne Schauspiel perfekt. Hinzu kommen Schnecken, die auf den Bänken kriechen, und für die Langsamkeit des Verfahrens stehen. Der groß ins Bild ragende Marabu im Vordergrund deutet obendrein auf Korruptheit und Verleumdung hin.
Ernüchternd steht man nun den in subtilen Helldunkelkontrasten gehaltenen Arbeiten von José Viera gegenüber, die das memento mori zum Leitmotiv haben. Ein altertümlich gekleideter und mit Machtinsignien ausgestatteter Herr zeigt in »Serenissimus« auf einen Menhir. Dieser aus vielen kleinen menschlichen Figuren aufgebauter Stein repräsentiert die Ahnen und dient als Ersatzleib für die Seele der Verstorbenen der kultischen Verehrung.
Untrennbar mit dem menschlichen Körper verbunden ist auch das Werk des Diplommediziners Dino Valls. Anspielungen auf Dantes Höllenfahrt finden sich in »Limbus«. Der Titel verweist auf den in zwei Orte aufgeteilten Aufenthaltsraum für Seelen, die schuldlos vom Himmel ausgeschlossen sind bzw. als Fachterminus auf die weiße Außenhaut im Auge, die Übergangszone von Horn- und Lederhaut. Zu sehen sind zwei Mädchen mit pubertär-androgynen Zügen. An ihren Oberkörpern befinden sich chirurgische Instrumente und medizinische Fachbegriffe. Der Kopf des linken Mädchens ist sogar mit einem Gestänge fixiert. Beide Figuren schauen dem Betrachter in die Augen. Der so ebenfalls Fixierte verfällt in eine Art Meditation auf der Suche nach Erklärungen.
Schweigsam oder im wahrsten Sinne des Wortes kopflos präsentieren sich zuletzt die Personen in den Bildern von Eduardo Naranjo. »Das Bild der vergangenen Zeiten« präsentiert eine kopflose Puppe im weißen Spitzenkleid und bodenlangen Umhang, die vor einem leeren Goldrahmen steht. Stricke scheinen die Puppe an der Wand festzuhalten. Der Rahmen birgt Glasreste, geisterhafte Wolkenspiegellungen, Illustriertenseiten und Fotoschnipsel. Diese zeigen unter anderem Hitler, einen Boxkampf und Soldaten. In Verbindung mit dem von der Wand bröckelnden Putz stehen sie für Erinnerungen des Künstlers. Die kopflose Puppe versinnbildlicht zudem verschwundene Leidenschaften und charakterisiert Naranjos Gemälde als Reflexionen des Selbst. Passend dazu befindet man sich nun wieder an der Ausgangstreppe, wo ein Ansichtsexemplar des Ausstellungskataloges ausführliche Informationen zu den gezeigten Künstlern und Bildern bereit hält.
Fazit: Die Bilder sind nicht leicht zu entschlüsseln, sie wirken wie introvertierte Menschen, denen man erst nach einiger Zeit auf die Schliche kommt. Als ausgesprochen vorteilhaft erweist sich dazu die Anordnung der Werke und der Katalog am Ausgang. Also: Nutzen Sie die Chance, mit dieser exzellenten Führung in die menschliche Psyche hinabzusteigen!
Der Katalog zur Ausstellung ist nur im Museumsshop erhältlich.