Ausstellungsbesprechungen

Individual Stories – Sammeln als Porträt und Methodologie, Kunsthalle Wien, bis 11. Oktober 2015

Individual Stories versteht das Sammeln als Porträt der jeweiligen Sammler, aber auch als künstlerische Methode. Es ist Ausdruck von Neugier, flanierendem Entdeckertum oder der methodischen Annäherung an besondere Objektwelten. Das Ergebnis ist eine Sammlung individueller Sammlungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Andreas Maurer hat sich die Ausstellung näher angeschaut.

Dass man bei manchen Künstlerinnen und Künstlern als Sammler einen Blick ins Atelier werfen darf, ist schon etwas seltenes, dass sie einem aber ihre eigene Sammelleidenschaft offenbaren, ist etwas nahezu Unbekanntes. Derzeit zeigen in der Kunsthalle Wien im Museumsquartier zwanzig Künstlerinnen und Künstler persönlich zusammengetragene Dinge aus ihren »Sammlungen«. Konzipiert als große Wunderkammer für all jenes, das ihnen als Inspirationsquelle für Werke dient, einer persönlichen Leidenschaft entspringt, einen privaten Fetischismus offenbart oder gar einer Obsession folgt.

Die Zusammenstellung dieser kreativen Archive folgt dabei dem Beispiel Marcel Duchamps, der nicht nur den Begriff des »Künstlers als Sammler« prägte, sondern auch seine »Readymades« zu eigenständigen Kunstwerken erhob. Im Gegensatz zu klassischen Sammlungen sind Künstlersammlungen aber meist nicht-hierarchische und nicht-wissenschaftliche Zusammenstellungen, und so kommen bei dieser Ausstellung in der Wiener Kunsthalle durch diese modernen »Readymades« jene erhofften persönlichen Porträts der ausgewählten Sammlerinnen und Sammler leider nicht zustande. Auch lässt die Ausstellung das Intime einer wirklichen Sammlung vermissen und spürt mehr der Geste des Sammelns als Prozess denn ihrem Ergebnis nach.

Um im weitläufigen Ausstellungsraum nicht an Halt zu verlieren, macht man sich mit einem etwas zu gross geratenen Begleitheft auf den Weg. In diesem Wegweiser: Texte der Künstlerinnen und Künstler, in welchen sie selbst beschreiben, warum sie damit begonnen haben etwas zu sammeln. Der noch extra beigelegte Saalplan ist aber, ob seiner Grösse, der nicht chronologischen Abfolge der Exponate und der beidseitigen Bedruckung, leider etwas unhandlich, und so verliert man schnell die Lust sich weiter daran zu orientieren. Sollte man aber versuchen sich seinen Weg ohne Schatzkarte durch die Ausstellung zu bahnen, sieht man sich Exponaten gegenüber, denen keinerlei Erklärungen oder Beschriftungen beigegeben wurden – selbsterklärend sind sie aber leider nur in den wenigsten Fällen.

Manchmal scheint das Sammeln von Neugierde getrieben, manchmal von der systematischen Suche nach etwas. Dieser Methodik folgt etwa die (An–)Sammlung des Belgiers Jacques André, der versucht den Zustand einer Wiederherstellung der Bestände eines Produktes, sei es eine Schallplatte oder ein bestimmtes Buch, zu erreichen. Der aus Düsseldorf stammende Hans-Peter Feldmann stellt dagegen eine Variation von hochhackigen Damenschuhen aus, um welche ihn die meisten Frauen sicher beneiden. Dazwischen stösst man aber doch immer wieder auf den einen oder anderen Gegenstand den man wahrscheinlich selten sieht – etwa die aus dem 19. Jahrhundert stammenden biologischen Lehrmodelle aus dem Besitz des österreichischen Künstlers Hubert Scheibl. Die ausgestellten Sammlungen an sich haben jedoch wenig bis keinen Bezug zueinander, auch wenn dies in manchen Fällen versucht wird herzustellen, wie etwa mit den im ganzen Raum verteilten Monitoren von Marie Angeletti.

Sicher führen die ausgestellten Exponate oder Gegenstände in die Kunst- und Denkwelten der einzelnen Künstlerinnen und Künstler ein, doch werden wahrscheinlich nicht jedem Ausstellungsbesucher die Werke der einzelnen Leihgeberinnen und Leihgeber bekannt sein – hier hätte man dem Begleitheft sicher mehr zutrauen können. Der Geist einer oft jahrelangen Schatzsuche, die jeder Sammler auf sich nimmt, um das Objekt der Begierde in seinen Besitz zu bekommen, fehlt in dieser Ausstellung gänzlich. Auch erschliesst sich die individuelle Auswahl der Ausstellerinnen und Austeller dem Besucher nicht direkt.

Von einem Besuch sollte man sich aber dennoch nicht abschrecken lassen. Wer sich für die Objekte als eigenständige Kunstwerke oder als Zugang zu den künstlerischen Welten der Sammlerinnen und Sammler interessiert, wird sicher seine Freude daran haben – der wahre Sammler aber ist ein Jäger, ständig auf der Suche. Und er sammelt meist nicht für andere, sondern nur für sich selbst.

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