Der Weg der Künstlerinnen war immer steiniger als der ihrer männlichen Kollegen – unabhängig davon, dass die Frauen in bescheidener Zahl immerhin über alle neuzeitlichen Epochen hinweg ihr Schattendasein behaupteten.
Schwieriger wird der Weg allerdings, wenn schon die Begriffe nicht zur Verfügung stehen, die die Herren der Schöpfung in die Moderne einbrachten: Der Flaneur ist eine längst etablierte Figur, die um die Jahrhundertwende zelebriert wurde, den Blick in die Welt der Dandys und der Schickeria öffnete und zudem in gesellschaftliche Bereiche vordrang, wo der brave Biedermann rote Ohren und verschämtes Herzklopfen bekam. So wesentlich die Damenwelt hinter den Sperrbezirken war – ohne die nun mal kein Rotlichtbezirk existieren würde und ohne die ein Barbesuch nur halb so prickelnd war – , den Frauen, die ihrer Rolle als Gattin oder Mutter gerecht zu werden hatten, war diese Welt (mitunter unter Strafe!) verboten. Kein Wunder, dass eine weibliche Form des Begriffs »Flaneur« allenfalls als Konstrukt denkbar ist - »Flaneuse«, »Flaneurin« oder »Femme Flaneur«.
In detektivischem Spürsinn haben das August Macke Haus in Bonn und das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen – nach Eigenaussage das erste Museum weltweit, das einer Künstlerin gewidmet wurde – rund 80 Gemälde und Grafiken von 12 Künstlerinnen zusammengetragen, die das Phänomen in den Blick nehmen. Chercher la femme. Und siehe da: ganz ohne weiblichen Beitrag ist auch die künstlerische Sicht »zwischen Boulevard und Sperrbezirk« nicht vollständig. Bei genauer Betrachtung ist dies nun allerdings nicht ganz so spektakulär, wie man meinen könnte. Zum einen erkämpften sich Frauen wie Käthe Kollwitz oder Marianne Werefkin ohnehin frühzeitig einen Platz in der Kunstgeschichte, der dem der Künstler in nichts nachstand und wohl einen gewissen Freiraum ermöglichte; zum anderen profitierten Künstlerinnen wie Charlotte Berend-Corinth vom Ruf ihrer Lebenspartner, denen sie zudem thematisch folgen konnten. Überdies mag die dargestellte Welt zwar tabuisiert und die Bilder von Dix, Grosz & Co. verpönt gewesen sein – ihre Kunst hatte direkten Einfluss auf Malerinnen wie Jeanne Mammen, Sella Hasse und viele andere mehr.
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Das Besondere der Ausstellung liegt darin, das Problem überhaupt benannt zu haben bzw. nachvollziehbar zu machen: wie schwer es den Frauen noch im 20. Jahrhundert war, eine Welt zur Kenntnis zu nehmen, in der die Männer wie selbstverständlich verkehrten – mehr noch: in der Bordell und Boudoir zu »Schauplätzen der Moderne« geadelt wurden (wie die Ausstellung in der Tübinger Kunsthalle zur Zeit eindrucksvoll zeigt). Bonn und in der Folge Bremen haben gezeigt, dass es trotz aller Widrigkeiten Künstlerinnen gab, die die Grenzen von Konvention und Schicklichkeit in der Zeit zwischen den Weltkriegen außer Acht ließen und eine Männerdomäne stürmten. Erstaunlicherweise unterschieden sich die männlichen und weiblichen Einblicke in die großstädtischen Bars und Nachtlokale allerdings nicht wesentlich. Dafür ermöglicht die Ausstellung die Entdeckung von Namen, die in anderem Kontext allzu oft ausgespart werden (wohl wissend, dass manche davon zweitrangig bleiben – aber das ist ja bei der »männlichen« Kunst kaum anders). Neben den genannten Künstlerinnen sind in der Ausstellung vertreten: Ida Gerhardi, die wirklich erstaunliche Tanzlokalszenen und ein herrliches Porträt der »Chanteuse« Baronne de Riau schuf, Lou Albert-Lasard mit Anleihen aus dem Brücke-Umfeld, Gerta Overbeck und Grethe Jürgens, die im besten Sinne naive Tendenzen ausloten, sowie Elfriede Lohse-Wächtler und Elsa Haensgen-Dingkuhn.
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 11–18 Uhr (Ostermontag geöffnet)
Eintritt (nur Wechselausstellung)
Erwachsene 5,- € / ermäßigt 3,- €
Führungen
Sonntag 11.30 Uhr