Ausstellungsbesprechungen

Kunst im Nationalsozialismus. Werner Peiner - Verführer oder Verführter, KunstForumEifel, Schleiden-Gemünd, bis 26. August 2012

Seit August 2011 sorgt das Ausstellungsprojekt über den nationalsozialistischen Maler Werner Peiner (1897-1984) für lebhafte Diskussionen in Presse und Internetforen. Keineswegs als Forum für eine Rehabilitation Peiners gedacht, will die historische Dokumentation vielmehr eine Facette der Kunst des Dritten Reichs aufarbeiten. Rainer K. Wick hat es sich angeschaut.

Bisher ist der beschauliche Kneipp-Kurort Gemünd in der Eifel, der nur wenige Kilometer Luftlinie von der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang entfernt liegt, nicht durch sonderlich bemerkenswerte künstlerische Initiativen aufgefallen. Das „KunstForumEifel“ in den Räumlichkeiten der ehemaligen alten Schule bietet der Eifeler Heimatmalerei eine institutionelle Plattform, doch bewegt sich das meiste, was dort von Laienmalern und so genannten Hobbykünstlern ausgestellt wird, auf einem Niveau, das über einen peinlichen Dilettantismus kaum hinausgeht.

Insbesondere bei Gegnern der Neonazi-Szene sorgt nun eine Ausstellung für Aufregung, die dem Werk von Werner Peiner gewidmet ist, einem im Dritten Reich hoch angesehenen und gefeierten Staatskünstler. Im Mittelpunkt der von Dieter Pesch, dem verdienstvollen früheren Direktor des Rheinischen Freilichtmuseums in Kommern, und dessen Sohn Martin kuratierten Ausstellung steht die Frage, ob Peiner von den Nationalsozialisten zur Gefolgschaft verführt wurde, oder ob er – zumal in seiner Rolle als Lehrer – selbst Verführer gewesen ist. Damit entziehen sich die Kuratoren, die beide Historiker und nicht Kunsthistoriker sind, bewusst der Frage nach der künstlerischen Qualität und der ästhetischen Relevanz des Peinerschen Œuvres, das sich lange vor der Machtübernahme durch die Nazis entwickelt hatte und das mit dem Ende des Dritten Reiches keineswegs beendet war.

Peiner wurde 1897 in Düsseldorf geboren und starb 1984 in Leichlingen im Bergischen Land. Sein kurz nach dem Ersten Weltkrieg begonnenes Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie konnte er in der erstaunlich kurzen Zeit von nicht einmal zwei Jahren als Meisterschüler beenden. Den Kunst-Ismen der Moderne stand er ablehnend gegenüber, er hielt sie für einen „billigen Bluff“. Hier ergibt sich eine direkte Parallele zum späteren „Lieblingsbildhauer des Führers“ Arno Breker, der Anfang der 1920er Jahren ebenfalls an der Akademie in Düsseldorf studierte. Peiner orientierte sich vorwiegend an den Alten Meistern und deren minutiöser Malweise, auch wenn er im Jahr 1928 eine Reihe qualitätvoller Landschaften im impressionistischen Stil gemalt hat.

Mit seiner Vorliebe für eine realistische Kunstauffassung hatte er nicht nur bei seinen privaten Auftraggebern Erfolg – er war in den vermeintlich „Goldenen Zwanziger Jahren“ einer der bestbezahlten Porträtmaler des Rheinlandes –, sondern er fand sich unversehens im Kontext der Malerei der Neuen Sachlichkeit wieder. Gleichwohl war die Neue Sachlichkeit keineswegs ein einheitliches Phänomen. Neben den so genannten Veristen wie George Grosz, Otto Dix, Christian Schad u.a., die ein schonungsloses Bild der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse mit all ihren Negativaspekten und sozialen Verwerfungen malten, gab es unter den neusachlichen Künstlern auch Vertreter eines Neoklassizismus und eines Magischen Realismus. Peiner distanzierte sich dezidiert von der »kalten Härte« (Anja Hesse) der Veristen und tendierte eher zu einer »romantischen« (Pesch und Pesch) Variante der Neuen Sachlichkeit. Abgesehen davon, dass sein Interesse von Anfang an dem monumentalen Wandbild galt, was er im Dritten Reich im großen Maßstab in die Tat umsetzen konnte, orientierte er sich in seinen Landschaftsbildern der 1920er und 1930er Jahre deutlich an Pieter Bruegel d.Ä., so dass er sich sogar massiven Plagiatsvorwürfen gegenübersah.

Zu einem Schlüsselwerk avancierte das Bild »Deutsche Erde« von 1933, das dem neuen Reichskanzler Hitler noch im Jahr seiner Machtübernahme von der Eifelgemeinde Mechernich zum persönlichen Geschenk gemacht wurde. Dieses Gemälde, das einen pflügenden Bauern zeigt, gilt als Inkunabel der „Blut- und Boden-Malerei“ des Nationalsozialismus und wurde durch zigtausende Reproduktionen […] zur »Ikone der ›neuen deutschen Malerei‹ stilisiert« (Pesch und Pesch). Schon Anfang der 1930er Jahre hatte sich Peiner dem heraufziehenden Nationalsozialismus angenähert, 1937 trat er in die NSDAP ein, ein Schritt, den er – ähnlich wie Breker – nach 1945 immer geleugnet hat. Im Oktober 1933 wurde er an der inzwischen von Lehrenden wie Heinrich Campendonk und Paul Klee „gereinigten“ Düsseldorfer Kunstakademie zum Leiter der Meisterklasse für Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik und Gobelinweberei berufen. Ein dreimonatiger Sonderurlaub führte ihn 1935 nach Ostafrika. Die Erhabenheit der Landschaft und die dort lebenden Massai, die in Übereinstimmung mit der Rassenideologie der Nazis zu afrikanischen „Herrenmenschen“ stilisiert wurden, inspirierten ihn zu zahlreichen, zum Teil großformatigen Gemälden. 1936 gelang es ihm mit persönlicher Unterstützung seines Mäzens und Gönners Hermann Göring, seine Klasse aus der Düsseldorfer Akademie auszugliedern und in seiner Wahlheimat Kronenburg, einem idyllischen Eifeldorf unweit der belgischen Grenze, anzusiedeln.

Als Leiter der Schule und maßgeblicher Lehrer praktizierte Peiner einen autokratischen Führungsstil. Die überaus strenge Ausbildung zielte nicht auf freikünstlerische Entfaltung der Schüler (einer von ihnen, Willi Sitte, wurde später zu einem der prominentesten Staatskünstler der DDR), sondern auf Unterwerfung unter die Kunstdoktrin des NS-Staates und die ästhetische Auffassung des „Meisters“.

1944 setzte Hitler den Maler auf die Liste der „gottbegnadeten“ Künstler. Allerdings musste die Schule schon im selben Jahr angesichts der näher rückenden Westfront aufgegeben werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Karriere Werner Peiners beendet. Die Bewohner Kronenburgs verweigerten ihm, der sich – wie Breker – nach 1945 stets als unpolitischer Künstler inszeniert hat und doch bis zu seinem Lebensende nicht von nationalsozialistischem Gedankengut lösen konnte, die Rückkehr in den Eifelort. Stilistisch blieb er in den fast vier Jahrzehnten bis zu seinem Tod einem obsoleten Malstil – »etwas zu genau und pedantisch«, wie Goebbels schon 1939 kritisch angemerkt hatte – verpflichtet.

Die Ausstellung in Gemünd, die vorwiegend Arbeiten aus der Zeit vor 1933 und nach 1945 zeigt, demonstriert den erschreckenden, bis zum religiösen Kitsch reichenden Abstieg eines begabten, wenn auch durch und durch konservativen Malers, der keineswegs ein „Verführter“ war, sondern der sich dem NS-Regime bewusst angedient und in seiner prägenden Lehrerrolle zweifellos auch als „Verführer“ der ihm anvertrauten Kunststudenten, die geradezu „verpeinerisiert“ wurden, gewirkt hat. Dies ist das Fazit der von den Kuratoren erarbeiteten, nicht um Rehabilitation eines exemplarischen NS-Künstlers, sondern fast 80 Jahre nach der Machtergreifung um Aufklärung bemühten Ausstellung. Das gleiche gilt für die begleitende Buchpublikation, die ergänzend zu den beiden kunsthistorischen Untersuchungen über Peiner von Anja Hesse (1995) und von Nikola Doll (2009) eine Fülle von kaum bekannten, gut dokumentierten Details – auch aus den Nachkriegsjahrzehnten – liefert. Leider ist der Preis dieser broschierten, 172 starken und in schlechter Druckqualität sowie unprofessionellem Layout daherkommenden Veröffentlichung mit 49,99 € alles andere als eine Einladung.

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