Buchrezensionen

Luise Hellas/Wilma Rambow/Felix Rössl: Kunstvolle Oberflächen des Sozialismus: Wandbilder und Betonformsteine, VDG Weimar 2014

Hässlich, seelenlos, grau. Architektur und baubezogene Kunst der 1960er und 1970er Jahre sind ein schwieriges Thema. Insbesondere im Osten Deutschlands, wo sie noch dazu ein Mittel der sozialistischen Staatspropaganda waren. Muss man sowas erhalten? Die drei Autoren beleuchten in »Kunstvolle Oberflächen des Sozialismus« diverse Objekte und widmen sich auch der Denkmalfrage. Rowena Fuß hat sich eingelesen.

25 Jahre liegt der Mauerfall zurück. Zur Silberhochzeit der einst getrennten beiden deutschen Staaten in diesem Jahr lassen Zeitungen und TV die Wende Revue passieren und befragen Zeitzeugen, wie sie das Ereignis wahrgenommen haben. Man schwelgt in Erinnerungen, gedenkt Ostprodukten, die es nicht mehr gibt oder etwa beleuchtet Fluchtversuche durch selbst gegrabene Tunnel.

Die DDR ist passé. Trotz Nostalgie-Hype ist das ist ein unverrückbarer Fakt. Und dennoch: Etwas ist geblieben. Es ist die Architektur des Sozialismus. Bis heute prägt so mancher Kollossalbau das Bild seines Viertels. Trotzig recken sie ihre Flachdachkonstruktionen dem Zahn der Zeit entgegen. Ungeliebt, aber scheinbar unverwüstlich. Wäre da nicht die »Bauchbinde«, ein buntes Mosaikfries mit Szenen einer jungen Gesellschaft voller Optimismus, was die Zukunft anbelangt, stünde sogar das in den Jahren 1962 bis 1964 errichtete Haus des Lehrers ebenfalls ziemlich trostlos am Berliner Alexanderplatz.

Der Wiederaufbau nach dem Krieg verlief in West und Ost unterschiedlich. Während in der BRD eine Erneuerung und Überformung historischer Strukturen und Stadtbilder stattfand, spielten Städtebau und Architektur in der Sowjetischen Besatzungszone eine bewusstseinsbildende Rolle. 1952 erklärte die DDR-Führung den »planmäßigen Aufbau des Sozialismus« zur grundlegenden Aufgabe und schuf mit den parallel laufenden Bauvorhaben Abbilder dieser Idee.

In kurzen Absätzen wird im Buch daher zunächst die Kultur- und Baupolitik in der DDR abgehandelt. Schnell gelangt man dann zu einem Hauptprotagonisten architekturbezogener Kunst: Walter Womacka. Dessen Leben und Werk bilden ein Zentrum der Publikation. Einen weiteren Schwerpunkt bilden denkmalpflegerische Fragestellungen zum Umgang mit baugebundener Kunst der DDR, wobei die Inventarisation wie auch die Bewertung hierbei eine herausragende Rolle spielen. Der dritte Abschnitt widmet sich schließlich der Analyse von Hubert Schiefelbeins Betonformsteinen in Erfurt.

Bemerkenswert ist im Beitrag zu Walter Womacka, dass dessen für das Staatsratsgebäude in Berlin gestaltete Fenster zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung normalen Bürgern gar nicht zugänglich waren. »Selbst den ausführenden Architekten wurde der Zutritt zum Gebäude nach dessen Fertigstellung verwehrt«, schreibt Luise Helas. Hieran zeigt sich eine Doppeldeutigkeit des Regimes: Nach außen hielt man den Bürger hoch, machte ihn zum »Held der Arbeit« und zum Zentrum jeder Kunst. Aber eigentlich war dies geheuchelt, eine ideologisch gefärbte Blendung, hinter der sich Diktatur und Unfreiheit verbargen.

Die Fenster, die im Umfeld der I. Bitterfelder Konferenz entstanden, auf der man 1959 über die richtige Form einer sozialistischen Nationalkultur debattierte, machen deutlich, was auch in weiteren Abschnitten sinnfällig wird: Sie begleiten die Entwicklung der DDR. Denn natürlich dienten Architektur und bildende Kunst der Staatspropaganda. Penibel wurden daher die Vorgaben an die Künstler von der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten kontrolliert. Gleichzeitig sollten architekturbezogene Kunstwerke die – v.a. heute – klotzig und trostlos daherkommenden Bauten auflockern. Erst nach 1971 gelang es den Künstlern, sich ein wenig vom staatlichen Dogmatismus zu lösen und neue Ausdrucksformen, die sich vom Sozialistischen Realismus entfernten, bei der Parteiführung durchzusetzen.

Die zunehmende Entindividualisierung des Menschen, der zum Volkskader oder zur Arbeiterbrigade zusammengefasst wurde, machen die vereinfachten Figuren im Fries am Haus des Lehrers deutlich. Es sind Typen. Mit dicken Konturlinien, wie man sie sonst nur aus dem Comic kennt, sind die Protagonisten umrissen. Kantig sind ihre Züge. Schönheit und Arbeit sind an der Südfassade in eins gesetzt. Hier geben ein Stahlarbeiter, eine Frau in Kittelschürze und ein Intellektueller in Denkerpose dem Künstler Tipps zur Gestaltung seines Frauenporträts. An der Westfassade wird hingegen fleißig geforscht und gelehrt.

Die Publikation widmet sich mit den beschriebenen Arbeiten einem Randthema in der Auseinandersetzung mit der Ostmoderne. Viele baubezogenen Werke wurden zudem direkt nach der Wende zerstört oder überdeckt. »Ihre Präsenz wird zumeist als überflüssig bewertet«, schreibt Wilma Rambow in ihrem Beitrag zum Umgang mit architekturbezogener Kunst der DDR. Sie bemängelt, dass primär ästhetische, gesellschaftshistorische und nutzungsbedingte Argumente angeführt werden, wenn es um eine Be- bzw. Entwertung geht. Für viele seien die Objekte nicht mehr als der »Weisheitszahn eines unbequemen architektonischen Erbes«. Was macht sie also schützens- und erhaltenswert? Um diese Frage zu klären, muss zuerst festgestellt werden, ob die Objekte Denkmaleigenschaften besitzen. An dieser Stelle wird es bürokratisch. Viele Werke sind nicht mehr in ihrem Originalkontext erhalten, es fehlen Inventarlisten und Bestandsverzeichnisse, Dokumentationen von Demontagen etc. Außerdem wäre eine »Optimierung des Informationsaustauschs und die Vernetzung der Interessengruppen von Nöten«, so Rambow. Es nimmt daher nicht wunder, wenn ihr Fazit lautet, dass es keine Bewertungskriterien für baugebundene Kunst in der DDR gibt. Die Schutzwürdigkeit der Objekte ließe sich also lediglich aus dem allgemeinen Grundsatz aller Denkmalgesetzgebungen ableiten, wonach eine künstlerische, wissenschaftliche, geschichtliche und/oder städtebauliche Bedeutung und ein öffentliches Erhaltungsinteresse bestehen muss. Hieran entzündet sich die ganze Diskussion zwischen Fachleuten. Denn: Besitzen die Wandbilder, Reliefs, Mosaike und Fassadenobjekte diese Werte?

Es ist dieser Denkanstoß, der das Buch lesenswert macht. Zudem mag es bei dem ein oder anderen Leser auch zu einer (Wieder)Entdeckung der jüngeren deutschen Geschichte führen.

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