Rezensionen

Mozartfest Würzburg (Hrsg.): Imagine Mozart | Mozart Bilder. Deutscher Kunstverlag (DKV)

Person und Musik Mozarts faszinieren bildende Künstler bis heute. Zum 100–jährigen Jubiläum des Mozartfests Würzburg gehen eine Ausstellung im Museum im Kulturspeicher und der begleitende Katalog dieser langen Wirkungsgeschichte nach. Neben originalen Zeugnissen Mozarts spannen rund 70 Kunstwerke – unter anderem von Chagall, Klee und Slevogt – einen Bogen von Porträts und Denkmälern, die das Bild des Komponisten nachhaltig bestimmen, über Bühnenbilder zur Zauberflöte bis hin zur abstrakten Malerei. Eine Rezension von Christina Wimmer

cover © Deutscher Kunstverlag
cover © Deutscher Kunstverlag

Während 2020 aus Anlass des Beethoven–Jubiläums einige Ausstellungen u. a. in Bonn, Wien und Berlin zu sehen waren, wurde 2021 in Würzburg Mozart mit einer Schau unter dem Titel »Imagine Mozart | Mozart Bilder« gefeiert. Den Grund lieferte nicht etwa der 230. Todestag des Komponisten, sondern das Jubiläum 100 Jahre Mozartfest Würzburg. Interdisziplinär kuratiert von den Professoren Damian Dombrowski (Kunstgeschichte, Julius–Maximilians–Universität Würzburg), Andrea Gottdang (Kunstgeschichte, Universität Augsburg) und Ulrich Konrad (Musikwissenschaft, Julius–Maximilians–Universität Würzburg) und ursprünglich für das Martin von Wagner Museum geplant, musste pandemiebedingt ins Museum im Kulturspeicher gewechselt werden. 74 Exponate aus der Zeit Mozarts bis ins 21. Jahrhundert waren zu sehen, darunter sowohl bekannte als auch weniger bekannte Kunstwerke; berufen konnte man sich auf den Gründer des in Räumen der Würzburger Residenz stattfindenden Klassikfestivals, Hermann Zilcher, der »die innige Vermählung zwischen Ton, Architektur und Farbe« anstrebte. Es war allerdings beileibe nicht die erste Kunstausstellung zu Mozart (von früheren Ausstellungen seien exemplarisch genannt: Slevogt und Mozart, Edenkoben und Mainz 1991; Mozart in art 1900–1990, Salzburg, München, Bad Urach 1991; Mozart–Bilder – Bilder Mozarts, Salzburg 2013).

Der Katalog gliedert sich folgendermaßen: Auf die Grußworte des Würzburger Oberbürgermeisters und des Präsidenten der Julius–Maximilians–Universität folgt das Geleitwort der Intendantin des Mozartfestes Evelyn Meining, die die Ausstellung initiierte. Eine Einführung der Kuratoren erklärt das Konzept der Schau. In ihrem glänzend geschriebenen Essay zeichnet Andrea Gottdang die Rezeption Mozarts in der Kunst nach, thematisch der Ausstellungsgliederung entsprechend. Zuerst widmet sie sich der Komplexität der Bildnisse, von denen immer mehr auftauchen, und deren Authentizität umstritten ist, etwa im Fall eines von Johann Georg Edlinger gemalten männlichen Porträts, das 2005 für Wirbel sorgte. Hierauf werden Monumente und Brunnen für Mozart vorgestellt. Bereits 1792, ein Jahr nach Mozarts Tod, ließ der Kaufmann Franz Deyerkauf in seinem Grazer Garten einen Tempel mit der Darstellung einer Apotheose des Komponisten bauen, ein paar Jahre später entstand das Denkmal in Tiefurt bei Weimar, 1842 folgte ein erstes Denkmal in Mozarts Geburtsort, 1907 ein weiteres in Dresden. Noch 1914 und 2005 schufen Edmund Hellmer und Markus Lüpertz in Salzburg heftig umstrittene Statuen.

Schinkel, Sternenhalle der Königin der Nacht, 1819 , cover © Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln
Schinkel, Sternenhalle der Königin der Nacht, 1819 , cover © Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln


Auch die Kompositionen des Salzburgers regten bildende Künstler an; 1803 malte Vincenzo Sacchetti ein Deckenfresko mit der Königin der Nacht in das Wiener Haus des Librettisten der Zauberflöte, Emanuel Schikaneder. Moritz von Schwind setzte Mozartopern häufiger bildlich um, so zeichnete er 1825 einen »Hochzeitszug des Figaro«. Max Slevogt schuf mehrere Wandbilder nach Mozartopern, etwa im Musiksaal seines Pfälzer Landhauses. Jean–Auguste–Dominique Ingres und Eugène Delacroix verehrten Mozart, was Eingang in ihre Kunstauffassung fand. Die Autorin stellt zutreffend fest, dass sich im 19. Jahrhundert vor allem die Salonmaler Mozart widmeten, nicht die Avantgarde, die am Ende des 19. Jahrhundert dem Kult um Richard Wagner huldigte. Im 20. und 21. Jahrhundert schufen einige bedeutende Maler und Architekten dann Bühnenbilder für Mozarts Opern, z. B. André Derain, Balthus, Robert Longo, Frank Gehry oder Zaha Hadid.

Ulrich Konrad bespricht in seinem kürzeren Essay Mozartbilder von Musikkritikern, Komponisten, Dichtern und in Filmen. Um 1800 wurde zwar der frühe Tod des Talentes betrauert, sein Werk wurde aber nicht nur positiv bewertet. Friedrich Rochlitz – Herausgeber der Allgemeinen Musikalischen Zeitung – idealisierte Mozart und verglich ihn mit Raffael, genauso wie Franz Xaver Niemetschek, der die erste Mozart–Biografie schrieb. Auch E. T. A. Hoffmanns Erzählung »Don Juan« (1813) und Ludwig Tiecks Novelle »Der junge Tischlermeister« (1836) verklärten Mozart romantisch. Doch dann wurden Leben und Werk des Komponisten immer besser erforscht, denn 1862 erschien das »Köchel–Verzeichnis«, 1880 wurde die Internationale Stiftung Mozarteum gegründet, dennoch wurden zu dieser Zeit andere Komponisten mehr geschätzt. Um 1900 setzten Aufführungen der späten Opern durch Ernst von Possart in München und Gustav Mahler in Wien Maßstäbe. Eine ideologische Vereinnahmung im Nationalsozialismus schloss sich an, vor allem 1941, als Mozarts 150. Todesjahr gedacht wurde. In den 1970er Jahren entstaubte der Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer den Wiener Klassiker mit seinem Essay, genauso wie etwa Peter Shaffers Theaterstück »Amadeus« (1979) und der danach entstandene oscarprämierte Film (1984).

Henry Nelson O’Neil (1817–1880), Die letzten Stunden Mozarts, vor/um 1849, cover © Bridgeman Images
Henry Nelson O’Neil (1817–1880), Die letzten Stunden Mozarts, vor/um 1849, cover © Bridgeman Images

Der sich anschließende Katalogteil enthält ausführliche Texte zu jedem Exponat, die von den Kuratoren sowie Christoph Großpietsch (Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg), Werner Telesko (Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien), Denise Wendel–Poray (Autorin, Journalistin und Kuratorin) und Carolin Goll (Martin von Wagner Museum Würzburg) verfasst wurden, und gliedert sich in vier Sektionen.
In der ersten mit dem Titel »Mozart–Originale« sind u. a. Objekte mit Bezug zu Würzburg zu sehen, so ein Brief des Musikers, den er 1790 aus Frankfurt an seine Frau schrieb, und in dem er seine Durchreise durch Würzburg erwähnt. Joseph Lange, der in der Domstadt geboren wurde und mit Mozarts Schwägerin Aloysia Weber verheiratet war, schuf sein ikonisches, unvollendetes Porträt des Klavierspielenden Mozart wohl 1789. In der Sektion »Mozartiana | Musiker und Mythos« steht die Person Mozart im Fokus. So erläutern Großpietsch und Telesko die Bemühungen um die Errichtung der Denkmäler in Salzburg (1842, von Schwanthaler) und Wien (1896, Tilgner). Bedauernswerterweise wird im Katalog Edmund Hellmers Einreichmodell zum Wiener Denkmal als einziges gezeigtes Objekt nicht abgebildet.
Bei der Besprechung von Anton Romakos Gemälde »Mozart am Spinett« (1877) erwähnt Großpietsch seltsamerweise nicht, dass Langes Porträt als Vorbild diente. Das Wunderkind thematisieren Plastiken von Louis–Ernest Barrias (späte 1880er Jahre), Philip Jackson (1991), ein Stich von Ludwig Czerny (1852) und ein Gemälde Giacomo Mantegazzas (um 1891). Den sterbenden Mozart stellten u. a. Henry Nelson O’Neil und Mihály Munkácsy dar, wobei ihnen frühe Biografien als Quelle dienten; von zweitgenanntem Werk wurde leider nicht das Original, sondern eine Studie präsentiert. Die nächste Sektion »Inspiration | Creative Clouds« widmet sich Kunstwerken, die sich mit Mozarts Kompositionen auseinandersetzen. Das Rollenporträt »Le Chérubin de Mozart« (um 1903/04) von Jacques–Émile Blanche ist eine Entdeckung, wohingegen Schwinds Entwürfe zu Fresken in der Wiener Staatsoper (1860er Jahre), Slevogts Gemälde »Der weiße d’Andrade« (1902) und seine Randzeichnungen zur Zauberflöte (1920) zu den bekanntesten Kunstwerken gehören, die eine Oper Mozarts verbildlichen. In größtenteils abstrakten Tuschezeichnungen setzte Hanna Höch um 1930 möglicherweise Musikstücke um, während Raoul Dufy ein »Mozart–concert« figürlich wiedergab. Tom Philipps Siebdruck »Mozart« von 1980, auf dem man den Geige spielenden Wunderknaben und Billardkugeln sieht, hätte auch in die vorherige Sektion gepasst. Gerhard Richter und Thomas Grochowiak schufen inspiriert von Mozart gänzlich abstrakte Gemälde. Wendel–Porays Texte zur letzten Sektion »Bühne | Musik Kunst Theater« scheinen nicht optimal übersetzt zu sein. Hier werden ausschließlich Bühnenbild– und Kostümentwürfe zur Zauberflöte besprochen. Karl Friedrich Schinkels berühmte »Sternenhalle der Königin der Nacht« (1816) und seine Verarbeitung bei Simon Quaglio (1818/26), Ewald Dülberg (1929) – der fälschlicherweise als Bauhauskünstler bezeichnet wird – und William Kentridge (2006) machen den Auftakt. Oskar Kokoschkas und Marc Chagalls Entwürfe aus den 1960er Jahren sind ebenfalls bedeutend, den Abschluss bilden Karel Appels farbintensive und zum Teil archaisch anmutende Bühnenbildmodelle (1995).

Die Publikation zeichnet sich durch qualitativ hochwertige Abbildungen, Vergleichsabbildungen zu nicht ausgestellten Werken und ein ansprechendes Layout aus und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern zeigt eine repräsentative Auswahl mit einer Zusammenfassung des Forschungsstandes. Neben den erwähnten kleinen Mankos wären etwas mehr Fußnoten bei den Essays, vor allem jenem Konrads, wünschenswert gewesen. Insgesamt bietet der Katalog jedoch einen lesenswerten, größtenteils von Experten der Thematik verfassten Überblick, der vor Augen führt, wie vielfältig sich bildende Künstler mit Mozart und seinem Werk auseinandersetzten.

Titel: Imagine Mozart | Mozart Bilder Herausgeber: Mozartfest Würzburg in Kooperation mit dem Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg und dem Museum im Kulturspeicher Herausgegeben von der Stadt Würzburg Autoren: Damian Dombrowski, Andrea Gottdang und Ulrich Konrad unter Mitarbeit von Carolin Goll und Dimitra Will Mit Beiträgen von Damian Dombrowski, Carolin Goll, Andrea Gottdang, Christoph Großpietsch, Ulrich Konrad, Werner Telesko und Denise Wendel–Poray
Verlag: Deutscher Kunstverlag Berlin/München 2021
kartoniert, 200 Seiten

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