Ausstellungsbesprechungen

Neo Rauch – Neue Rollen. Bilder 1993 bis heute.

Der Hype ist ungebrochen: Neo Rauch, Jahrgang 1960, ist der Star unter den Malern der Leipziger Schule.

Als Nachfolger von Arno Rink auf dessen akademischen Lehrstuhl leitet er die Geschicke dieser Bewegung, die allenfalls vergleichbar ist mit den so genannten Neuen Wilden vor einem Vierteljahrhundert, als Julian Schnabel auf dem Markt in Schwindel erregende Höhen katapultiert wurde. Bei Rauch stehen sie Schlange, er malt seinen Auftraggebern hinterher, dass man Sorge haben muss, ihm könnte bald die Luft ausgehen (man kennt das: Dalí kopierte irgendwann nur noch sich selber, Chirico rutschte stilistisch ab usw.). Im gnadenlosen Geschäft mag man ihm da viel Glück und Durchhaltevermögen wünschen: Erfolg kann ja auch stressig sein!

Doch vorerst darf er darin baden: Wolfsburg hat ihm eine erste wirklich große (Vorab-) Retrospektive eingerichtet, mit rund 80 Gemälden des Surrealisten mit gehobener Bewusstseinswahrnehmung (»Für mich bedeutet Malen die Fortsetzung des Traums mit anderen Mitteln«). Ab Mai dann ist sein Werk im Metropolitan Museum am New Yorker Central Park zu besuchen. Neo Rauchs Erfolgsrezept liegt auf der Hand: Seine Bildgeschichten wecken die Erzählfreude des Betrachters, der die roten Fäden fasziniert aufnimmt, von einer heiteren Welle des Dargestellten mitgetragen wird, um dann zu erkennen, dass er sich in einem Netzwerk der Seelenpein und der Angst verheddert hat. Und auch da liefert ein Gelegenheitsaphorismus des Malers genügend Zündstoff, um den Gedankenapparat im Gehirn zu trainieren: »Das Dargestellte soll letztlich Privatangelegenheit bleiben, die Malerei selbst jedoch als Profession und Ziel erscheinen«. Rätselfragen will er stellen, die Antworten interessieren ihn weit weniger; dafür macht sich der Betrachter auf, tausenderlei Antworten zu suchen, zu denen er nie eine Frage gestellt hat.

Es ist bewundernswert — und darin ist Rauch wirklich ein Meister — wie der Maler es versteht, mit fingierten Gegenständen und abstrakten Details ein reales Bild mit einer stimmigen Inszenierung zu verbinden. In Arbeiten wie »Landschaft mit Sendeturm« (1996) weiß man nie so recht, ob der Gegenstand ins Nichts entfliehen, oder ob aus dem malerischen Nichts ein Universum entstehen will. Die jüngeren Bilder sind wahre Epen, Szenen aus der Kopfgeburt namens Realität, in die abstrakte Versatzstücke, Banalitäten und eine (stellenweise pathetisch aufgeladene) Farbigkeit eindringen wie eine Säure. Ob ihm da einer aus der Leipziger Kollegenschar das Wasser reichen kann, ist eher unwahrscheinlich.

 

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