Nina Gerlach nimmt den Garten als »Urform des cineastischen Sets« wahr. Aus diesem Seherlebnis hat die Autorin eine Untersuchung in Gang gesetzt, die die Filmgeschichte der letzten sechzig Jahre auf dieses Motiv und seine Wirkungsgeschichte hin beleuchtet. Susanne Gierczynski fasst ihre Eindrücke zusammen.
Neben ästhetisch-kulturgeschichtlichen Diskursen, gehen in die Untersuchung soziokulturelle Aspekte ein, die die drei Hauptstränge der Untersuchung unter den Topoi »Form, Typologie und Bilddiskurse der cineastischen Gartenkunst« begleiten. Analog dieser Herangehensweise will Gerlach ihre Abhandlung unter die methodische Schirmherrschaft Aby Warburgs gestellt wissen. Die Kunstgeschichte wird einleitend in ihre Schranken gewiesen, insofern der historisch verifizierbare dokumentarische Anspruch in der nachfolgenden Untersuchung hintenangestellt werden soll, wo er die Fiktionalität, sprich die suggestive Kraft des Spielfilms, einschränkt. So hat das Motiv des Gartens in der Filmgeschichte seit 1945 nichts mit der tradierten christlichen Ikonografie gemein, wie wir erfahren. Vielmehr gerät der Garten, insbesondere der neo-barocke, zur Kulisse »für machtbesessene, mörderische Szenen«, wie Gerlach an Film-Beispielen von Stanley Kubrick, Lewis Gilbert, Orson Wells und Peter Greenaways belegt. Die Begründung dieses Habitus‘ des Gartens sieht Gerlach weniger im Film, als »vielmehr in der Mentalitätsgeschichte bzw. der Moralphilosophie und in der Theoriegeschichte der Gartenkunst« verankert.
Für die Auswahl von »Schlüsselfilmen des Gartenkinos« waren Garten-Typen entscheidend, »die eine gewisse Gartenstil- und Genrevarianz aufweisen«. So wird Peter Greenaways Film »The Draughtsman‘s Contract« (1982) sowohl für die Gegenüberstellung von formaler Gartenkunst und Landschaftsgarten herangezogen, als auch für die »Rolle barocker Gartenkunst in einem erkenntnisphilosophisch ambitionierten Film«. Für letzteren Aspekt wurden auch Alain Resnais‘ »L‘Année Dernière à Marienbad« (1961) herangezogen, sowie Roland Joffés Historienfilm »Vatel« (2000). Jacques Tatis‘ »Mon Oncle« (1958) zeigt zudem den Gartentyp der französischen Moderne als filmischen Set. Mit den Suburbia-Filmen der 1990er Jahren greift Gerlach einen Gartentyp auf, den sie anhand von Filmen wie »Edward Scissorhands« von Tim Burton (1990), »Pleasantville« von Gary Ross (1998), »The Truman Show von Peter Weir« (1998) und »American Beauty« von Sam Mendes (1999) stellvertretend bespricht. Mit Ang Lees »Sense & Sensibility« (1995) und Joe Wright‘s »Pride & Prejudice« (2005) wird die Rolle des Landschaftsgartens untersucht und schließlich anhand von Vittorio De Sicas Drama »Il Giardino dei Finzi-Contini« (1970) und Hal Ashbys Satire »Being There« (1979) eine »Analyse ausgewählter Parkarchitektur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts« angeschlossen.
In Summe bleibt zu konstatieren, dass das Motiv der genannten Gartentypen vorherrschend kulturpessimistisch daherkommt: Ob als Motiv, das die als »Täuschung wahrgenommene Historizitätskonstruktion« dekonstruiert oder als »Indikator von Macht und Reichtum«, der als »Symbol despotischen Machtmissbrauchs« fungiert als »sozialistische Kritik am Klassenfeind«, als »linke Stadtkritik der 1960er Jahre«, bis zur Darstellung der »Opferrolle des Kindes«. Dass eine »Uniformität von Vorgärten« auf ein entsprechendes Maß an Konformität von gelebten oder aufgezwungenen Normen einer Mehrheit einer Gesellschaft schließen lässt, thematisiert Gerlach am Beispiel des so genannten Suburbia-Films der 1990er Jahre. Neben diesem vorherrschend kulturpessimistischen Gewand des Gartenfilms, wird der ‚natürlich‘ belassene Garten durchaus auch als Raum »individuellen Glücks« und dann zumeist mit einem happy ending einhergehend, eingesetzt. Im Film seit 1945 wird »das vermeintlich ‚Richtige‘ ikonisch mit Naturentsprechung« verbunden. Bis wiederum das Gartenkino der 1970er und 1980er Jahre (Vittorio De Sica, Hal Ashby, Woody Allen) »das Naturparadies als Scheinwelt, in der das ‚Glück‘ lediglich Weltflucht darstellt«, entlarvt.
Pionierleistungen, wie sie Nina Gerlach mit ihrer Dissertation über die »Gartenkunst im Spielfilm« vollführt, sind waghalsig und müssen das auch sein. Umso wichtiger ist die Routenplanung, die die Autorin dem Leser zur Hand geben sollte, damit dieser willig jeder einzelnen thematischen Etappe folgt. Gerlach hat weite Felder wissenschaftlicher Diskurse durchkämmt um ihrem Thema »Gartenkunst im Spielfilm« notwendige theoretische Unterfütterung zu geben. Zweifelsohne ist damit thematisches Neuland betreten worden, dessen reiche Spannung allerdings unter dem Druck der notwendigen wissenschaftstheoretischen Rechtfertigung in unterschiedliche Fachbereiche hinein, leidet. Zwischen den Forschungsfeldern Kunstgeschichte, Gartenkunstgeschichte und Filmgeschichte, Moralphilosophie und Mentalitätsgeschichte fehlt es der Arbeit an methodisch klar konturierten Abgrenzungen und Definitionen. Eine klare Benennung der Grenzziehung zwischen filmischer und gartenhistorischer Determinierung des Themas fehlt. Wenn es zum Beispiel keinen »postmodernen Garten« im wortwörtlichen Sinn gibt, sondern den barocken Garten im postmodernen Kino, dann sollte auch nicht vom »postmodernen Garten« gesprochen werden. Wenn unterschiedliche Gartenstile genannt werden (formale Gartenkunst, barocke Gartenkunst, Gartentyp der französischen Moderne, Landschaftsgarten, Parkarchitektur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts etc.), fehlt die präzise Definition derselben. Das gleiche gilt für den Topos der Suburbia-Filme.
Die methodische Problematik der Arbeit äußert sich augenscheinlich in der Gliederung der Untersuchung und ihrer einzelnen Kapitel. So besitzt das nummernlose Kapitel »Gartenkunstgeschichte im Spielfilm« im Inhaltsverzeichnis vier erkennbare Untertitel. Beim Lesen ergeben sich zahlreiche Unterkapitel, die im Inhaltsverzeichnis nicht genannt werden, was nicht nur wenig leserfreundlich, sondern einer mangelnden methodischen Präzision geschuldet ist.
Es fehlt eine eingangs klar formulierte Arbeitsthese, eine überschaubare Beschreibung des aktuellen Forschungsstandes und ein abschließend formuliertes dezidiertes Forschungsergebnis. Die, immer wieder zu extrahierenden guten und ambitionierten, Überlegungen der Autorin gehen in einem unübersehbaren wissenschaftstheoretisch überformten Überbau der Arbeit unter. Der Leser bleibt irgendwie bereichert und zugleich verwirrt zurück.