»Kunst ist Malerei, Skulptur und dergleichen, eben all das, was so in Galerien und Museen zu sehen ist. Wozu braucht es da noch Kunsttheorie?« – Wer möglicherweise regelmäßig mit dieser Ansicht konfrontiert wird, oder ihr gar selber anhängt, der tut gut daran einen Blick in »Kunsttheorie für Einsteiger« zu werfen, sagt Benjamin Schaefer.
Der putzig dahingekritzelte langhaarige junge Mann mit Totenkopf-Shirt, der das Eingangszitat lieferte, dient dem Autorenpaar Richard Osborne und Dan Sturgis als prototypischer Schüler und Anlass für einen Parforce-Ritt durch die Geschichte der Gedanken zur Kunst – vornehmlich der westlichen Welt. Der durchaus dichte Text wird dabei eben von nonchalanten, meist in Schwarzweiß gehaltenen Illustrationen von Natalie Turner durchbrochen und inhaltlich akzentuiert.
Während die Autoren zunächst die Dialektik von Kunsttheorie und Kunstgeschichte erörtern, tritt etwa ein Mann mit Hut auf, der das ganze Buch hindurch landläufige Aussagen wie »Das kann doch keine Kunst sein, denn schön sieht anders aus« trifft – die daraufhin im Text analysiert und kritisch betrachtet werden. So gerät der Leser unversehens in Rede und Widerrede von Philosophen, Künstlern, Kritikern der verschiedenen Epochen von der Antike bis zur Postmoderne, die vor allem in den Illustrationen mit sehr bodenständigen Kommentaren kontrastieren.
Der Erzählstrang nimmt den traditionellen westlichen Weg von den Griechen über Vasari und die Renaissance mit einem Schwerpunkt auf der Aufklärung. Das Problem der Moderne erhält viel Raum und oft werden inhaltliche Bezüge im chronologischen Vorgriff hergestellt. Wenn sie gelingt, ist diese Raffung von Inhalten eine große Stärke des Buches, etwa wenn Karl Marx und Bertrand Russell in Originalzitaten über die Bedeutung der griechischen Zivilisation räsonnieren oder Kants ästhetisches Urteil in einem Schaukasten zusammengefasst ist.
Nach dem Minimalismus und den Sechzigern wird die Erzählung stellenweise stakkatoartig, wobei die Autoren jedoch dankenswerterweise etwa dem schillernden Schlagwort „Postmoderne“ viel Platz einräumen. Leider bleiben dagegen wichtige Begriffe wie Strukturalismus und Poststrukturalismus weitgehend unerläutert und finden sich auch nicht im Index wieder; ebenso verliert sich der Abschnitt über Semiotik und Kunst im scheinbar Undefiniert-Ironischen.
Im Formalismus von Clive Bell und Clement Greenberg, die in der Tradition Kants stehen, sowie im späteren Akzent auf den culture studies macht sich die angelsächsische Herkunft der Autoren deutlich bemerkbar. Denn nichtwestliche Kunst wird zunächst kurz mit dem Mittelalter unter »Kunst und Religionen« abgehandelt, bevor sie in den Neunzigern im Rahmen der „Identitätspolitik“ von Edward Said, Stuart Hall und Homi Bhabha wieder auftaucht. Den Endpunkt der Erzählung bildet nach Queer-Theorie und Institutionskritik ein Plädoyer für den Begriff der „visuellen Kultur“ und die Kulturwissenschaften.
Durch die Fachterminologie ist »Kunsttheorie für Einsteiger« für ein geisteswissenschaftlich vorgebildetes Laienpublikum gedacht, das andererseits auch Lust auf Slapstick-Humor haben sollte. Sowohl Personen als auch Werke werden herrlich locker von Turner zeichnerisch porträtiert, was die Aura der Hochkultur effektiv bekämpft. Durch ein sehr grobes Inhaltsverzeichnis und erwähnte fehlende Schlüsselbegriffe wird der Wert des Buches als Nachschlagewerk leider geschmälert. Jedoch wiegt das Herstellen vielfacher Bezüge zu Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften und die größtenteils gelungene humorvolle Aufbereitung diese Mängel auf.