Seine Gemälde sind der Inbegriff des französischen Rokoko, seine »Einschiffung nach Kythera« weltweit gefragt. Jean-Antoine Watteau ist zweifellos einer der bedeutendsten Maler seiner Zeit. Das Städel richtet nun den Blick auf sein Werk und stellt dabei Stefanie Handke hat sich die Schau angesehen.
Natürlich ist das bekannte Gemälde auch in dieser Ausstellung zu sehen. Darin lassen sich so einige der hier gezeigten Zeichnungen entdecken. Einige der Pilgerstudien Watteaus lassen sich hier entdecken, und auch einige Kleidungsstücke findet man wieder. Das Gemälde ist eng verbunden mit Jean-Antoine Watteaus Wirken als Dekorations- und Theatermaler, dem aber im Alter von 25 Jahren die Anerkennung als Künstler folgte. Dabei blieben Gaukler und Theaterleute, Figuren der Commedia dell’arte, der Comédie Française und generell solche eines schönen Lebens stets Themen seiner Bilder, und die »Einschiffung nach Kythera« steht gleichsam für sein Werk.
Bekannt wurde der Künstler vor allem mit seinen fêtes galantes und diesen Theaterszenen, aber auch Jagdszenen, für die man in Frankfurt zahlreiche Studien entdecken kann. Damen in Jagdkleidung finden sich da, deren schwere Stoffe man fast glaubt fühlen zu können, so genau arbeitet Watteau mit Strichen und den unterschiedlich gefärbten Kreiden. Durch ähnliche Naturnähe zeichnen sich seine Theaterstudien aus. So begrüßen den Besucher zwei Ausführungen (eine davon ein Gegendruck) von »Allegorie des Winters oder Kinder parodieren einen Ball«, die wohl eine Vorstudie zum gleichnamigen Gemälde sein müssen und Produkt von Watteaus Zeit in der Werkstatt Gillots, ja wurden dem sogar eine Zeitlang zugeschrieben. Pierrots, weitere Schauspieler und Szenen von Theaterstücken finden sich auch als Gemälde wieder und zeigen so eindrucksvoll wie die Rötelfiguren in Farbe umgesetzt wurden.
Ideen- und Entwurfsskizzen, Figuren- und Kompositionsstudien waren die Grundlage für sein Wirken als Maler. In der Ausstellung fragt man sich unwillkürlich, ob sie nicht die eigentliche Meisterschaft Watteaus offenbaren. Denn er, der keine Ausbildung an der französischen Akademie genossen hatte, sondern bei einem Maler in die Lehre ging und später im Atelier von Claude Gillot tätig war, nutzte sie nicht nur als reine Vorarbeit, sondern zeigte sich offen für ihre Aussagekraft. Verschiedene seiner Werke scheinen nach zufälligen Beobachtungen entstanden, obendrein ist bekannt, dass er seine Modelle nicht postierte, sondern sich frei bewegen ließ, um deren natürliche Bewegungen einzufangen. So ganz offensichtlich ist das Verhältnis zwischen Zeichnung und Gemälde in Watteaus Werk also nicht und so widmet sich Christoph Martin Vogtherr im Katalog genauer dieser spannenden Frage. Er weist nach, dass der Künstler auf ein umfangreiches Konvolut an Zeichnungen für seine Gemälde zurückgriff wie es auch bereits der Comte de Caylus konstatierte. Statt also für jedes Bild eigene Studien zu schaffen, bediente er sich oftmals an einmal vorhandenen und neue wanderten wohl in diese Sammlung, sodass manche Figuren in unterschiedlichen Gemälden auftauchen. Freilich, so beweist Vogtherr, schuf Watteau auch spezifische Vorzeichnungen, jedoch prägten sie sein Schaffen weniger als das Werk vieler seiner Zeitgenossen – Spontaneität und Unmittelbarkeit sind der Kern dieser Zeichnungen, die hier zu sehen sind.
So verwundern seine Frauenköpfe mit verschiedenen Gefühlsausdrücken nicht. Auf der Suche nach Motiven für Gemälden erkundete er Gefühlsregungen und verschiedenste Posen. Ein Großteil der gezeigten Personen scheinen aus einem festen Kontext zu stammen: Theaterfiguren, edel gekleidete Damen und Herrschaften, Soldaten und Jagdgesellschaften, aber auch orientalische Figuren, die wohl in Verbindung mit einer Gesandtschaft stehen, die 1715 den Hof Ludwigs XIV. besuchte. Aber auch sozial weniger hochgestellte Figuren lassen sich entdecken, etwa ein junges Mädchen, das anmutig seinen Rock hebt und einen Schritt nach vorn macht. Ebenso findet sich in seinem Spätwerk ein kummervolles Mädchen, fast schon ein Porträt, das man so kaum von Watteau erwartet – vielleicht handelt es sich dabei also im eine spontan entstandene Studie.
Statt mit der Feder zeichnete Watteau ausschließlich mit Kreide, zunächst ausschließlich mit Rötel, gerne auch in unterschiedlichen Tönungen, später kamen weiße und schwarze Kreide hinzu. Offensichtlich änderte seine Tätigkeit für Gillot daran nichts und bis heute sind ausschließlich Kreidezeichnungen von ihm bekannt. Darunter finden sich zahlreiche Skizzen und flüchtige Studien, die die Ausstellung zuhauf präsentiert: Soldaten etwa, von denen sich zahlreiche Beispiele finden. Dabei stand für Watteau nicht etwa das rein militärische Geschehen im Mittelpunkt, nein, er konzentrierte sich auf den Alltag und so finden sich Studienblätter mit Soldaten samt Gepäck in verschiedenen Stellungen, aber auch ganze Szenen wie »Karten spielende Soldaten vor einem Gemäuer« (um 1710-12). Diese spielen Karten, diskutieren ihr Blatt miteinander oder rauchen, ein Soldat schaut ihnen dabei zu. Im Hintergrund sieht man eine Wand mit Rundfenster, ein Gewehr lehnt an dieser Mauer, weitere Figuren sind angedeutet. Damit orientierte sich Watteau an einer niederländischen Genretradition, zugleich ist die Zeichnung seine eigene Kompositionsstudie zum Soldatenleben. Weitere Studienblätter, die in Frankfurt zu sehen sind, finden ihre malerisch ausgeführte Entsprechung im lange verschollenen »Escorte d’équipages« (um 1715).
Auch seltene Landschaftsstudien lassen sich entdecken: Auf der Rückseite eins Blattes mit den Studien eines Mannes mit Stock sowie eines Drehleierspielers findet sich eine solche, obendrein eine ganz besondere: Die Rötelstriche ergänzt eine farbige Lavierung. Vor allem die Pflanzen der dargestellten Landschaft sind hier in Wasserfarben ausgeführt und verdecken den Ausblick auf das im Zentrumstehende Dorf mit Kirchturm. Fast noch beeindruckender ist die Rückseite eines Blattes, das zwei Pilger und eine Frau zeigt: Mit äußerst zarten Strichen schält sich eine liebevolle Pflanzenstudie aus dem Gelb des Papiers, teils gezeichnet, teils wieder mit Wasserfarben ergänzt. Manche der Striche nimmt man auf den ersten Blick kaum wahr und doch sind sie da, formen Blattadern und Stängel, Gras und Schatten. Freilich blieben seine Landschaften Kulisse für seine Szenen, jedoch offenbaren sie eine beeindruckende Beobachtungsgabe wie auch ein großes Interesse an Pflanzen.
Nicht zu kurz kommt der Dialog mit den Zeitgenossen, denn auch Werke François Lemoynes oder François Bouchers finden sich, Studien Nicolas Lancrets oder eine Jahrmarktszene von Watteaus Arbeitgeber Claude Gillot. Darunter fallen vor allem zwei Kreidezeichnungen Bouchers auf. Sie zeigen eine junge Frau im Profil und von hinten, ihre Röcke bauschen sich lebendig. Seine intensive der Kunst Watteaus, mit der Boucher über seinen Lehrer Lemoyne in Berührung kam, ist hier deutlich zu sehen und so verwundert es kaum, dass sein »Violinspieler« (um 1734-46) zeitweise gar Watteau zugeschrieben wurde. Auch Fragonard lässt sich hier entdecken, von dem zwei Parklandschaften gezeigt werden. Diese Rötelzeichnungen beziehen sich wohl auf die fêtes galantes Watteaus. Lemoyne hingegen demonstriert mit »Kopf einer Frau mit Schleier« die Innovation seines Zeitgenossen: Während sich die Figuren Watteaus durch ihre Natürlichkeit auszeichnen, ist die Pose der Schleierfrau eine künstlerisch-theatralische.
Mit diesem Abschluss ermöglicht die Ausstellung eine Gesamtschau auf den Maler Watteau, die nicht auf seine Gemälde konzentriert ist, sondern sich mit der Zeichnung ganz den Grundlagen seiner Arbeit widmet. Die feinen Kreidezeichnungen, stets lebendig, oftmals auch zart und von ungeheuerer Lebensnähe zeigen einen unabhängigen und doch bestens in den Kunstbetrieb seiner Zeit eingebundenen Künstler, der zu recht von den Zeitgenossen geschätzt wurde. Sicherlich ist diese Schau keine Neubewertung Watteaus, aber sie legt den Fokus auf einen Aspekt seines Werks, der zuweilen unterzugehen scheint. Charmant!