Es muss wohl kaum betont werden, dass New York eine Metropole ist, die nicht näher am zeitgenössischen Kunstgeschehen sein könnte – und das bei Tag und Nacht. Konkret äußert sich das in der Vielfalt an Institutionen, die sich durch ihre Individualität auszeichnen und im Netzwerk der Stadt – und darüber hinaus – interagieren. Stefanie Proksch-Weilguni war in der Stadt unterwegs.
Aktuell präsentiert das Whitney Museum of American Art unabhängig voneinander zwei amerikanische Künstler: Richard Artschwager und Wade Guyton. Auf unterschiedliche Art und Weise leisten beide einen bedeutenden Beitrag zur Gegenwartskunst.
Wade Guyton setzt die Technologien des 21. Jahrhunderts für die Produktion von Kunst ein: Programme wie Word und Photoshop ersetzen in seinen Arbeiten den Pinsel. Es entstehen überdimensionale Drucke auf Papier und Leinwand, die einen mehrteiligen Druckprozess notwendig machen. Dabei kommt es zu Verschiebungen und Abweichungen in den gedruckten Bändern, Blöcken, Punkten und vergrößerten Xs und Us. Das Endresultat liegt weit entfernt von einer technischen Perfektion. Es bleibt offen, welchen Impuls der Künstler oder die Maschine setzt. Selbst der Titel der Show »Wade Guyton: OS« – wobei OS für computer operating system steht – transportiert die untrennbare Interaktion von Künstler und Technik. Die Ausstellung präsentiert einen zeitgenössischen Künstler, der von sich selbst sagt, dass er zwar Malerei schaffe, ihn dieser Umstand aber noch nicht zum Maler mache.
Ein Stockwerk darüber ist in der herausragenden Architektur von Marcel Breuer, eine umwerfende Schau über Richard Artschwager zu sehen. Retrospektiv gesehen, zählt der 1923 Geborene am ehesten zu Strömungen wie Pop Art, Konzeptkunst und Minimal Art. Aber eigentlich ist er bekannt für seine einzigartige Formsprache, die ihn einer eindeutigen Zuordnung entzieht. Seine Arbeiten umfassen die Medien Skulptur, Zeichnung, Malerei und alles, was dazwischen liegt. Seine möbelähnlichen Objekte sind über die ganze Ausstellungsfläche verteilt. Die Kombination aus verschiedenen Furnieren erinnert an Massenfertigungsprodukte, Ready-mades und Pop Art. Die reduzierte Formensprache und das Konzept, wie die Objekte mit der Umgebung korrespondieren, basieren auf der Minimal Art. Richard Artschwager bewegt sich ständig zwischen diesen Grenzen und das auch noch mit Humor.
Mit Satzzeichen setzt er Signale in den Raum, um den Blick auf die Umgebung zu schärfen. Ein neongelbes, rundplastisches Ausrufezeichen schreit beispielsweise geradezu in den Raum hinein und gibt der Ausstellung auch ihren Namen:»Exclamation Point«. Aus den Anführungszeichen und Kommas entwickelt er seine ganz eigenen Signalobjekte. Die »Blps« sind in ungewohnter Hängung über die Schau verteilt und funktionieren wie kleine Blickfänge, die gewöhnliche Ansichten in Installationen verwandeln.
Wer durch die Ausstellung auf den Geschmack gekommen ist und sich entschließt, dass ein »Blp« auch das eigene Wohnzimmer in eine andere Perspektive rücken soll, begebe sich nach Chelsea in die entsprechende Galerie: David Nolan für Richard Artschwager oder Petzel Gallery für Wade Guyton.
Wer darüber hinaus neugierig geworden ist, sei gewarnt: Das berühmte Galerienviertel bietet eine Fülle, die zu einer Selektion zwingt. Nichtsdestotrotz sollte man genügend Zeit zum Schlendern einplanen. Denn wenn die Dunkelheit hereinbricht, wird die Kunstszene erst richtig lebendig: Vernissagen, Eröffnungen und Veranstaltungen reihen sich dann aneinander. Dort kann man namhafte Künstler wie Rainer Ganahl, Lawrence Weiner, Daniel Buren oder Stephen Prina treffen – Menschen die unsere Kunstwelt auch über die Grenzen von Chelsea hinaus maßgeblich beeinflussen.
Abseits von der elitären Szene finden sich in Brooklyn junge, engagierte KünstlerInnen und ihr Publikum. Denn Manhattan ist teuer. Williamsburg und Bushwick haben sich hier als neue Trendviertel etabliert und lassen mittlerweile auch auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge die Preise steigen.
Dem feinfühligen Sammlerehepaar Essl aus Österreich ist das Potential des neuen New Yorks ebenfalls nicht entgangen. Die Schau »New.New York« in Klosterneuburg bei Wien stellt 19 junge KünstlerInnen vor, die hauptsächlich in Bushwick leben und arbeiten. Seine Entscheidung begründete der Kurator John Silvis im Kurier wie folgt: »Es war nicht unbedingt das Ziel, nur Künstler aus dieser Gegend in die Ausstellung zu nehmen. Aber als ich die Ateliers besuchte, merkte ich, dass ein Großteil der Künstler dort lebt und arbeitet.«
Die Ausstellung fasziniert vor allem durch ihre Materialvielfalt. Die Brüder William und Steven Ladd kombinieren Stoffreste und Knöpfe, die in bestimmten Ordnungssystemen neue Objekte entstehen lassen. Lisa Sigal spielt mit der Gattungsgrenze zwischen Skulptur und Malerei und arbeitet mit den malerischen Eigenschaften von Fenstergittern. Der Schau wohnt ein Charakter inne, der Nachhaltigkeit propagiert.
New York war und ist eine Kunstmetropole, die eine anhaltende weltumspannende Faszination ausübt. Etablierte sowie aufstrebende KünstlerInnen, Kunstinstitutionen und Sammler schaffen eine kontrastreiche Situation, die ein pulsierendes Netzwerk ergibt, das weit über die Insel von Manhattan hinausreicht und immer wieder zu einem Besuch einlädt.