Ausstellungsbesprechungen

Andreas Gefeller: OUT OF SIGHT – Fotografien. NRW-Forum Düsseldorf. Bis 14. Mai

Andreas Gefeller fordert die visuelle Wahrnehmung heraus: Kategorien wie Groß und Klein, Hell und Dunkel, Farbig und Farblos werden neu bestimmt, das Verhältnis zur Realität immer wieder neu definiert. Er setzt Techniken ein wie das Collagieren digitaler Einzelbilder, Langzeit-, Kurzzeit- und Überbelichtung, Aufnahmen bei Nacht sowie aus ungewöhnlichen Perspektiven. Dadurch gewinnt er aus scheinbar vertrauten Orten noch nicht dagewesene, bislang verborgene Bilder. Birgit Rackensperger war vor Ort.

Einblick in die Ausstellung, Andreas Gefeller, OUT OF SIGHT, NRW-Forum Düsseldorf. (Foto: Birgit Rackensperger)
Einblick in die Ausstellung, Andreas Gefeller, OUT OF SIGHT, NRW-Forum Düsseldorf. (Foto: Birgit Rackensperger)

Der Fotokünstler Andreas Gefeller (*1970) zeigt im NRW-Forum in Düsseldorf, einem internationalen Ausstellungshaus für Fotografie, Pop und digitale Kultur, rund 60 seiner Werke, die in den Jahren von 2000 bis heute entstanden sind. Er studierte Kommunikationsdesign und Fotografie an der Folkwang Universität der Künste Essen, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Die meist großformatigen Fotografien sind in Serien angelegt und spiegeln häufig gesellschaftlich relevante Themen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar sind.

Die Ausstellung beginnt mit Naturaufnahmen, wie beispielsweise Regentropfen, die auf eine Wasseroberfläche treffen und viele kleine und größere kreisrunde, sich überschneidende Wellen bilden. Fast meditativ wirkt die Fotografie im Gegensatz zur hoch aufsteigenden, aufs Schärfste abgelichteten hellen Gischt des Meeres, die sich scheinbar wild aufbäumt vor tiefschwarzem Hintergrund. Die Natur zeigt ihre eigenen Formen und Gebilde, die der Künstler auf sehr abstrakte Weise sichtbar macht.

In modulierten Wolkenformationen, die sich oftmals bedrohlich aufbauschen, ein
bevorzugtes Thema von Künstler:innen, zeigt Andreas Gefeller in seiner Serie CLOUDS,
dass es sich keineswegs um harmlose Wolken handelt. Tatsächlich wurden hier die vom Menschen erzeugte Klimaerwärmung sowie die Umweltverschmutzung in Form von wolkenartigen Verdunstungen der Kühltürme eines Braunkohlekraftwerkes abgelichtet.

Das Spiel mit der Wahrnehmung wird in den Fotografien der Serie SUPERVISIONS auf Landschaften, Parkplätze, Betonflächen und sogar in eine Massentierhaltung gelenkt.
In diesem Fall wurden die Objekte durch eine Kamera mit Stativ, befestigt am Körper des
Künstlers aufgenommen, indem dieser Schritt für Schritt die Objekte abging. Die so entstandenen bis zu 1000 Aufnahmen in mehrstündiger Aufnahmezeit, wurden anschließend am Computer zu einer Gesamtkomposition zusammengesetzt, die einen Blick aus der Vogelperspektive zeigen. Die Werke dokumentieren nicht nur den aktuellen Moment, sondern auch die Zeitspanne der fotografischen Entstehung.
Die Orte der Entstehung, häufig auch nachts aufgenommen, dokumentieren das Umfeld des Menschen,  jedoch bleibt der Mensch selbst unsichtbar. Auf diese Art entstand auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin, das insgesamt 2711 quaderförmige Betonstelen umfasst und von Gefeller im Winter bei Schnee aufgenommen wurde. Die zahlreichen Fußspuren in den Gängen zwischen den Stelen sind in der Nahsicht gut erkennbar.

Andreas Gefeller, FLAMES, Inkjetprint, 2022,  Thomas Rehbein Galerie, Köln und der Künstler.  (Foto: Birgit Rackensperger)
Andreas Gefeller, FLAMES, Inkjetprint, 2022, Thomas Rehbein Galerie, Köln und der Künstler. (Foto: Birgit Rackensperger)

Für THE JAPAN SERIES richtete Gefeller den Blick durch die Kamera nach oben und zeigt symmetrisch angelegte Obstplantagen, wobei das Geäst mittels Drahtgeflechts in exakt geometrische Formen gelenkt wird. Im Gegensatz dazu zeigt der Künstler wirre, völlig ungeordnete Kabelkonstruktionen und stellt damit heraus, dass in der Natur vorkommende Strukturen immer mehr dem menschlichen Willen unterworfen werden, während im Gegensatz dazu die Technik die natürlichen Formen annimmt.

Die natürlichen Formen des Ephemeren, das Flüchtige in der Serie FLAMES, wird von ihm greifbar, wie zu fester Materie geworden, dargestellt. Vor schwarzem Hintergrund wirken die abstrakten Gebilde wie weich geformte oder auch bizarre Skulpturen.
Im Gegensatz dazu erscheinen wiederum feste Strukturen wie ein Wolkenkratzer oder gesamte Stadtansichten in gleisend hellem Licht fast durchscheinend, sich in der Helligkeit auflösend.
Die Serie BLANK wurde mit Langzeitbelichtung aufgenommen, dazu extrem überbelichtet, sodass die Ansicht beispielsweise von Tokio nur schemenhaft die dicht gedrängten, oft ineinander verschachtelten Architekturen sichtbar macht. Bei genauem Rezipieren fallen die zahlreichen Dachansichten auf, die oftmals begrünt, begehbar, mit Treppen versehen zu weiteren Aufbauten führen und somit einen zusätzlich geschaffenen Lebensraum darstellen.

Auch hier zeigt der Künstler die Lebensräume der Menschen, so auch eine helle Hausfassade, gekennzeichnet durch exakt vertikal und horizontal angeordneter Quadrate, die sich kaum merklich voneinander unterscheiden, sich jedoch hinter jedem dieser Fenster ein individueller Wohnraum befindet. Die Fassaden der verschiedensten Architekturen wurden von Andreas Gefeller in abstrakter Form abgelichtet, jedoch bleibt der Mensch wiederum unsichtbar.

Andreas Gefeller, BLANK, FR 23, Seoul, 2014.  (Foto: Birgit Rackensperger)
Andreas Gefeller, BLANK, FR 23, Seoul, 2014. (Foto: Birgit Rackensperger)

Und so verliert sich die Wahrnehmung in den unendlichen Formen, Details und Strukturen der Werke. Das Suchen und Abtasten mit den Blicken um ein Verstehen, und doch einer Täuschung zu obliegen, wie in den galaktischen, dunklen Großformaten, in denen feinster, heller Sprühnebel über die Oberflächen zieht. Die in der Serie DUST fotografierten gesteins- artigen Explosionen vor tiefschwarzem Hintergrund sind kleinste Teilchen von Asche, Metall und Glas, die in einer Verbrennungsanlage in die Luft gewirbelt wurden.

Andreas Gefeller macht sichtbar, was sich hinter dem Scheinbaren verbirgt. Entstehungsprozesse werden hinterfragt und subtil aufgezeigt. Er vermittelt als fotografischer Formgestalter die gesellschaftlich relevanten Themen, zeigt den Stillstand in der Bewegung und lässt den flüchtigen Moment als Ereignis hervortreten.

Die Ausstellung ist bis zum 14.5.2023 zu sehen.
Am 11.5. bietet der Künstler selbst eine Führung durch die Ausstellung. Es gibt weitere verschiedene Themenführungen, z.B. „Vertraute Orte in unvertrauter Art und Weise“. Eine Führung ist zu empfehlen, um die Hintergründe der Entstehung, sowie die Anwendung der unterschiedlichen
Techniken der fotografischen Werke und die Intentionen des Künstlers zu erfahren.

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