Ausstellungsbesprechungen

Begegnungen. Deutsche und Dänische Malerei 1860 bis 1960. Lübeck, Museum Behnhaus Drägerhaus, bis 30. Dezember 2016

Im großbürgerlichen Ambiente des Lübecker Behnhauses treffen noch bis zum Jahresende deutsche und dänische Kunst aufeinander; paarweise gehängt, erlauben Bilder des 19. und 20. Jahrhunderts einen Vergleich zweier verwandter und doch verschiedener Stile. Stefan Diebitz hat sich die 68 Gemälde angeschaut.

Auf dem Weg von Hamburg nach Kopenhagen überquert man erst Fehmarn und dann Lolland, eine Insel, die womöglich noch platter ist als ihr deutsches Gegenüber. Dort liegt, dicht bei Nykøbing, der ziemlich winzige Ort Toreby mit seiner strahlend weißen Treppengiebelkirche. In diesem Dorf befindet sich das Fuglsang Kunstmuseum, mit dem das Lübecker Behnhaus im Rahmen eines neuen deutsch-dänischen Netzwerks (»Interregprogramm« genannt) zusammenarbeiten wird. Eine erste Ausstellung kann man jetzt bis zum Ende des Jahres besuchen.

Das Behnhaus ist auf die Kunst nach 1800 bis einschließlich der klassischen Moderne spezialisiert, und die Bilder dieser Ausstellung gehören in die zweite Phase dieser Epoche. In fünf Gruppen sind die Gemälde eingeteilt: es werden Kinder gezeigt, Stillleben, Landschaftsbilder (mit der Untergruppe Stadtlandschaft), und schließlich finden sich einige sehr ausdrucksstarke Porträts. Da die Lübecker Museumsbesucher die meisten Bilder des Behnhauses gut kennen, sind die eigentlich interessanten die dänischen Werke; und zusätzlich ist der Kontrast lehrreich oder auch nur der etwas andere Stil.

Wahrscheinlich ist es doch eher Zufall, dass die meisten der dänischen Bilder sich etwas mehr in Richtung französischer Kunst orientieren; auch sind sie ländlicher – selbst im provinziellen Lübeck scheint die Kunst urbaner gewesen zu sein. Das spiegelt sich übrigens auch in der Geschichte der beiden Häuser, die im zweisprachigen Katalog in zwei Essays geschildert wird; Anne Højer Petersen berichtet, wie es auf dem platten Land nach verschiedenen Vorläuferhäusern in Maribo zu einem modernen Museumsbau in Toreby kam, und Alexander Bastek erzählt die Geschichte des Behnhauses, in der besonders die erstaunliche Lebensleistung von Carl Georg Heise hervorgehoben werden muss.

Heise, der nach dem 2. Weltkrieg zehn Jahre lang die Hamburger Kunsthalle leitete, hatte nämlich sehr früh nicht allein die kunstgeschichtliche Bedeutung des Lübeckers Friedrich Overbeck erkannt – das hat eigentlich nahegelegen –, sondern vor allem auch beim sehr frühzeitigen Erwerb von Werken der klassischen Moderne einen unbestechlichen Blick für Qualität und überhaupt eine sehr glückliche Hand bewiesen. Wer heute durch die Räume des Stadtpalais geht, das immer noch nach seinem früheren Besitzer, nicht etwa nach dem bekannten Bildhauer »Behnhaus« heißt, der kann sich an einer Reihe von Werken der allerersten Garnitur erfreuen: Edvard Munch, Max Liebermann oder Ernst Ludwig Kirchner heißen die Künstler, um nur einige der Großen zu nennen; und die meisten dieser Werke hat Heise angeschafft.

Die Bilder dieser Ausstellung sind immer paarweise gehängt. So haben der Däne Laurits Tuxen (1853 – 1927), Mitglied der Malergruppe an der Nordspitze Jütlands (die »Skagenmaler«), und Gotthardt Kuehl (1850 – 1915) zwei sehr verschiedene häusliche Szenen gemalt; Tuxen zeigt seine Tochter bei dem »Frokost« genannten Mittagessen, beobachtet oder sogar beaufsichtigt von seiner zweiten Frau, Kuehl eine Szene in einem Waisenhaus, in dem sich eine ganze Anzahl Jugendlicher an einem diagonal durch das Bild laufenden Holztisch aufhält – sie beschäftigen sich mit Lektüre, Stricken oder Schach. Ganz links hinten liegt eine Diele im hellen Sonnenlicht. Beide Bilder zeigen ein friedliches Szenario und ein ganz natürliches, sehr entspanntes Verhalten; in Farbgebung wie Raumaufteilung sind beide meisterhaft.

Zwei der Werkgruppen der Ausstellung sollen hier hervorgehoben werden: Stillleben und Landschaftsbilder, unter denen besonders die Schneebilder hervorragen. Vielleicht auf keinem anderen Gebiet ist das Gemälde der Fotografie mehr überlegen als hier, und das zeigen in dieser Ausstellung die großartigen Gemälde der Lübeckerin Maria Slavona (1865 – 1931) oder der dänischen Meister Olaf Rude (1886 – 1957) oder L.A. Ring (1854 – 1933); beide Bilder kamen aus Toreby nach Lübeck. Rings Bild zeigt einen alten Mann und einen Jungen, die über eine flache Kuppe gehen; es scheint, dass der Junge den Alten überholt, worin man eine Allegorie sehen mag. Aber überzeugen kann das Bild vor allem mit seiner Ruhe, mit seiner so wenig spektakulären, aber sehr fein gemalten Landschaft und der aus dem angegrauten Schneeweiß auf den Betrachter einströmenden Kälte: man glaubt fast den Schnee unter den Füßen der beiden knirschen zu hören.

Von Ring gibt es noch ein zweites, aber rein malerisch deutlich schwächeres Bild, das Zimmerleute bei der Arbeit zeigt. Sie zersägen ein Kreuz, und auf der Hand eines der Männer findet sich ein Wundmal, so dass sich das sehr große Gemälde als antireligiöse Tendenzmalerei darstellt. Das Bild verliert viel, weil einige Einzelheiten verzeichnet wirken, zum Beispiel eine Hand auf dem Holz eines der Arbeiter oder die unverhältnismäßig großen Füße eines anderen – sie fallen gleich ins Auge und stören (oder zerstören) den Gesamteindruck.

Auf dem Umschlag des Kataloges findet sich ein optischer Witz, nämlich eine Zusammenstellung zweier expressionistischer Gemälde eines Waldes von Harald Giersing (1881 – 1927) und Hermann Max Pechstein (1881 – 1955); Atmosphäre und Farbgebung beider Bilder sind einander so ähnlich, dass man zunächst den diagonalen Schnitt von links unten nach rechts oben gar nicht sieht.

Es gibt eine ganze Reihe sehr schöner Stillleben, unter denen ich ein meisterhaft gemaltes, in seiner Thematik ungewöhnliches von Franz Radziwill hervorheben möchte. Alexander Bastek spricht in seiner Beschreibung von »drohend vertrauten Welten«, denn Radziwill hat in einer extremen Untersicht einen Teller mit Besteck, ein Tuch und einen Leib Brot auf einem Holztisch dargestellt; eigentlich nimmt der Betrachter die Perspektive eines Kindes wahr, das noch nicht groß genug ist, von oben auf den Tisch herunterzuschauen, sondern das gerade so eben über eine Bank hinweg zu dem Tuch hochschaut.

Besonders schön sind auch einige Blumenstillleben in geradezu altmeisterlicher Manier von Albert Aereboe (1889 – 1970) und dem Dänen Otto Diderich Ottesen (1816 – 1892), deren Rosen ein bunter, virtuos auf die Leinwand gefetzter Blumenstrauß aus der Hand von Lovis Corinth entgegensteht.

Als letztes soll eines der Schmuckstücke des Fuglsang-Museums angesprochen werden, für das allein sich der Besuch der Ausstellung lohnt. Jais Nielsen (1885 – 1961) hat in kubistischer Manier ein durch den Bahnhof eilendes Paar gemalt, das in ganz unvergleichlicher Art die Hektik einer solchen Abreise darstellt – der Zug wartet schon, und ein Mann kreuzt den Weg des Paares, das mit raumgreifend-dynamischen Schritten dahineilt, während der Mann seiner Frau mahnend die Taschenuhr vor Augen hält. Obwohl das Bild nun wirklich nicht naturalistisch ist, wird jeder sagen: so ist es! Und so ist es wirklich.

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