Raiko Oldenettel über Cornelius Gurlitt und seine Rolle im Drama um den Münchner Kunstfund.
Cornelius Gurlitt ist achtzig Jahre alt und zurzeit der wahrscheinlich bekannteste Rentner Deutschlands. Mit seiner geheim gehaltenen Sammlung sorgte er für einen Eklat in allen Reihen. Akademiker, Behörden, private Sammler und vor allen Dingen bei den Hinterbliebenen der Enteigneten aus den schwarzen Kapiteln der jüngsten deutschen Geschichte. Über alledem schwebt die Einsamkeit eines Mannes, der sich allein durch den Besitz einem Leben verschrieben hatte, das hinter den Rollos einer unscheinbaren Siedlung stattfand. Wer ihn beneidet, beneidet einen Gefangenen.
Hatte er eine Verpflichtung die Kulturgüter den Menschen zurückzugeben? Eine moralische zumindest. Recht und Pflicht gehen weit auseinander. Wollten Sie an so einer Grenze stehen? Das, was Ihnen von ihrem Vater blieb, von Ihrer Identität, Ihrer Vergangenheit steckt in diesen Werken. Würden Sie Ihre Identität dem kulturellen Apparat schenken? Auf die Gefahr hin, dass selbst bei einer Schenkung die Welt mit dem Finger auf Sie zeigt? Ein Dinosaurier, ein Relikt einer bösen Zeit. Wie Wogen schwingen die Stimmen auf und ab. Gerechtigkeit für diejenigen, denen nicht mehr viel Zeit bleibt, um sich noch einmal an den Bildern zu erfreuen. Gerechtigkeit durch das System, denn offensichtlich ist es nun nicht mehr so, dass die deutschen, sondern die österreichischen Behörden durch eine Hauptwohnsitz-Frage zuständig für seinen Fall sind. Gerechtigkeit, die sich auch gegen die Beamten wendet, die den sogenannten Schatz in den Augen der Menge zu lange zurückhielten.
Keiner freut sich, alle schreien. Der Umgang mit den Werken ist ihnen wichtiger, als die Tatsache selbst. Sie sind aufgetaucht! Macht Luftsprünge! Sie sind den kommenden Generationen erhalten geblieben, weil jemand ein Leben in einem Gefängnis geführt hat, mit dem wir alle nicht tauschen wollen würden.