Zahlreiche Kinderbücher hat die Autorin und Illustratorin Britta Teckentrup bereits veröffentlicht und kratzt dabei gern an der Grenze zwischen Natur und Kunst – das ist eit »Das Ei« klar. Mit »Die Feder« legt sie ein neues schön gestaltetes Sachbuch für Kinder vor. Walter Kayser hat mit Freuden darin geblättert.
Britta Teckentrup wurde in Hamburg geboren und hat am Royal College of Art in London Kunst und Illustration studiert. Heute lebt sie in Berlin und hat sich als Kinderbuchautorin und –illustratorin einen Namen gemacht. Zuletzt wurde im vergangenen Jahr ihr inzwischen als Bestseller über den Ladentisch gehendes Sachbuch »Das Ei« von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur als »Naturbuch des Monats« prämiert. Das Ei ist ja tatsächlich eine Urform des Lebens und zugleich eine Urform der Kunst – man denke nur an Jean Arp.
Im Überschneidungsbereich von Natur und Kunst ist auch ihr neues Sachbuch angesiedelt. Es beschäftigt sich ein weiteres Mal mit der Vogelwelt, diesmal mit der Feder. Kein Kind, das in einem gewissen Alter nicht eine urtümliche Faszination für Vogelfedern empfände und sie in seiner Schatztruhe sammelte; und wieder solch ein Naturphänomen, das reichhaltige Zugänge bietet und mit einem unendlichen kulturgeschichtlichen Facettenreichtum aufwarten kann.
In verdichtetster Weise geht es zunächst und überwiegend um alle erdenklichen biologischen Aspekte. Der Aufbau, die Erscheinungsformen, die Farben der Federn kommen ebenso zur Sprache wie evolutionäre Entwicklung, Gewicht, Flugeigenschaften und die erstaunliche Vielfalt in Funktion und aerodynamischen Eigenschaften bei unterschiedlichsten Vogelarten. Worin unterscheiden sich langsame Schlagflügel und Schwebeflügel? Warum sind die Federn einer Eule lautlos, wohingegen der männliche Keulenschwingenpipra aus Zentralamerika mit seinen Federn singen kann? Federleicht werden solche kniffligen Fragen in Wort und Bild beantwortet. Gegen Ende des Buches schneidet die Autorin auch noch kurz kulturgeschichtliche Gesichtspunkte an: Federn in der Mythologie, als indianisches Kultelement oder als Requisit modischer Kleidung. Auch die Schreibfeder darf in solch einem Buch natürlich nicht fehlen oder Ikarus und der uralte Menschheitstraum vom Fliegen.
Das Bestechende an dieser Neuerscheinung ist zu allererst ihre Klarheit. Die zeigt sich zum einen bereits in der Aufteilung: Jeder Aspekt wird in prägnanter Kürze mit einem konzisen Text und einem Bild bedacht, die jeweils nie mehr als eine Seite umfassen. Die bewusste Beschränkung auf einfache Hauptsätze, also die Klarheit in der Syntax dient der leichten und kindgerechten Aufnahme der Information. Klarheit ist aber auch sicherlich ein grundsätzliches Qualitätsmerkmal jeder Grafik. Denn sie möchte ja wirken und unmittelbar durch klare Formen sprechen. Auch in dieser Hinsicht sind die Illustrationen mustergültig gelungen, stellen sie doch wenige oder oft nur ein einziges Motiv in den Mittelpunkt der Komposition. Die Bildgründe sind flächig und auf einen vorherrschenden Farbton festgelegt, der stets harmonisch mit den auf Linearität und Umriss abgestellten Bildmotiven abgestimmt wird.
Britta Teckentrups Illustrationen sind zudem das Ergebnis einer raffinierten Mischtechnik. Der historische Ausgangspunkt ist ohne Zweifel die alte Tradition des Holzschnitts, aber vermutlich verwendet sie auch Formen von Décalcomanie oder Frottage. Der Bildgrund wird chromatisch belebt, indem die Pigmente manchmal mittels eines Palettenmessers oder Spachtels in Nuancen ausgezogen werden.
Das Buch ist sicherlich ideal für ein Grundschulfach wie Sachkunde und gehört in jede Stadt- und Schülerbibliothek. Aber man versteht die Entrüstung, wenn gerade die besonders guten Schriftsteller sich dagegen wehren, immer nur auf das Genre Kinder- und Jugendbuch festgelegt zu werden. Es ist einfach ein schön gemachtes, informatives Buch für Jung und Alt – oder, wie es so schön auf Spielempfehlungen heißt: von 9 bis 99.