Call for Papers

Call for Papers: Nach der ikonischen Wende. Aktualität und Geschichte eines Paradigmas, vom 13. bis 15. September 2017 in Zürich

Der iconic turn und der pictorial turn haben die Bildforschung verändert. Die Tagung will diese beiden Wendepunkte der Kunst- und Bildgeschichte untersuchen und auf ihre Bedeutung wie Aktualität untersuchen. Unter vier Gesichtspunkten werden spannende Beiträge gesucht. Einsendeschluss für Abstracts: 31. März 2017.

Vor beinahe einem Vierteljahrhundert wurden mit dem iconic turn (Gottfried Boehm) und dem pic­torial turn (William J. T. Mitchell) zwei Paradigmen geisteswissenschaftlicher Bildforschung eta­bliert. Seitdem ist viel geschehen: Eine bildtheoretische und bildkritische Perspektive ist zum festen Bestandteil zahlreicher Fächer geworden und hat sich in vielfältigster Weise ausdifferenziert. Gleichzeitig haben sich institutionelle Bedingungen und (massen-)mediale Dispositive weiterentwi­ckelt. Mit dem zeit­lichen Abstand stellt sich auch die Frage nach dem bisher Verdeckten und den Differenzen inner­halb der Bildforschung, wie auch deren Verhältnis zu anderen Paradigmen oder ›turns‹ der Gegenwart.

Die interdisziplinäre Tagung stellt sich zur Aufgabe, diese Momente der Wende zum Bild gleicher­maßen genealogisch wie mit Blick auf gegenwärtige und zukünftige Entwicklung zu verfolgen. Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medienwissenschaft, der Kunst- und Bildge­schichte, der Literatur- und Kulturwissenschaften, der Philosophie sowie benachbarter Disziplinen sind eingeladen, sich mit einem Beitrag zu beteiligen. Darüber hinaus sind auch alternative Vor­tragsformate, ins­be­son­dere aus dem Bereich der künstlerischen und gestalterischen Forschung, aus­drücklich will­kommen.

Folgende vier Themenbereiche und Fragen stehen dabei im Fokus:

1) Bildtheorie diesseits oder jenseits der Kunst?
So wie sich die bildtheoretische Wende von der philosophischen Ästhetik abgrenzte, so die ›Bild­wissenschaft‹ von der Kunstgeschichte. Die Perspektive auf Bilder jenseits der Kunst sollte neben einer ›Flut‹ massenmedialer Bilder auch die zunehmend in ihrer Bedeutung anerkannten technischen und epistemischen Bilder umfassen. Zugleich blieben Werke der bildenden Kunst eine zentrale Referenz für einen systematischen Bildbegriff, aufgrund ihrer Reflexivität vor allem die Werke seit der ästhetischen Moderne. Iconic und pictorial turn wurden so zu Katalysatoren einer weitreichenden Verschränkung des Ästhetischen und der Kunst mit Kategorien des Epistemischen wie ›Forschung‹, ›Wissen‹ oder ›Denken‹.

  • Was ist aus der Abgrenzung der Bildforschung von klassischer Ästhetik und Kunstgeschich­te geworden?
  • Welche institutionellen Strukturen sind im Kontext künstlerischer Forschung entstanden? Welche Chancen und Probleme treten dabei auf?
  • Welche anderen Referenzen eines systematischen Bildbegriffs lassen sich finden?
  • An welchen Stellen kann gegenwärtige Kunsttheorie als Bildtheorie auftreten?

2) Entgrenzung und Digitalisierung: An den Rändern und unter der Bildfläche
Der iconic turn war grundlegend vor allem am flächigen, begrenzten Bild ausgerichtet: Vom ge­rahmten Tafelbild über die kadrierte Fotografie bis hin zum Diagramm als übersichtlicher, flächiger Inskription. Gerade die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet digitaler Bilder, Displays und Inter­faces stellen einen solchen Bildbegriff vor Herausforderungen: Einerseits tendieren aktuelle compu­terbasierte Formen der Sichtbarmachung zu Synästhesie, Dreidimensionalität, Bewegung und Hap­tik. Andererseits kommt mit der Tiefendimension des Codes eine neue Ebene von Operativität und Manipulierbarkeit ins Spiel, die die Idee von Übersichtlichkeit und Präsenz im Bild in Frage stellt.

  • Mit welchen Konzepten und Methoden kann Bildforschung auf diese Entgrenzung der Bild­lichkeit reagieren?
  • Wie kann hier der Rückgriff auf traditionelle ästhetische oder medientheoretische Diskurse über Architektur, Skulptur oder Installation weiterhelfen?
  • Wie gehen die Kunst und Design mit diesen Entwicklungen um?

3) Das Kulturelle als Feld der Bildforschung
In der deutschsprachigen Theorietradition begründete sich die Wende zum Bild oft anthropologisch oder als Kritik des abendländischen Logozentrismus. In der englischsprachigen Tradition stand dem – mit dem Begriff der ›visual culture‹ – eine Orientierung an der Kategorie des Kulturellen gegen­über, in der sich die Reflexion von Bildern mit Fragen von Kulturanalyse oder Identitätspolitik ver­band, etwa in W. J. T. Mitchells Verknüpfung des Bildbegriffs mit Differenzen von Geschlecht und Hautfarbe. Parallel hierzu entwickelte sich ›Transkulturalität‹ im letzten Jahrzehnt zu einem zentra­len Bereich kunst­ge­schicht­licher Forschung, etwa in der Verbindung europäischer mit ostasiatischer Kunst­ge­schichte.

  • Was leistet die Kategorie des Kulturellen zwischen den Universalisierungstendenzen anthro­pologischer Argumentationen und den Beschränkungen eines Euro-Logo-Zentrismus
  • Wurden feministische und postkoloniale Ansätze zum Bildlichen von einem universalisie­renden Bildbegriff verdeckt?
  • Stehen sich diese Perspektiven unversöhnlich gegenüber, oder zeichnen sich Wege ihrer Ver­knüpfung ab?

4) Das Ikonische im Lichte neuer Realismen und Materialismen
Der iconic turn wird häufig als Teil einer ganzen Abfolge geisteswissenschaftlicher turns (media, spatial, etc.) aufgefasst. Gemeinsam war diesen eine Rehabilitierung von Phänomenen der Präsenz, Sichtbarkeit und Räumlichkeit in Abgrenzung zu einem postmodernen Paradigma universeller Ver­weisung und Zeichenhaftigkeit. Seit einigen Jahren sind zu Stichworten wie ›spekulativer Realis­mus‹, ›objekt-orien­tierte Ontologie‹ oder ›Anthropozän‹ Debatten entstanden, die diese Tendenzen in verschiedener Weise radikalisieren und weiterführen. In der zeitgenössischen Kunst hat sich unter den Schlagworten ›post-internet‹ bzw. ›post-digital‹ eine neue Sensibilität für die materiellen Grundlagen digitaler Kultur herausgebildet.

  • Welche Fortsetzungen, Genealogien oder Brüche lassen sich zwischen dem iconic turn und aktuellen Realismen und Materialismen aufzeigen?
  • Gibt es eine Ästhetik des spekulativen Realismus bzw. vergleichbarer Ansätze und welche bild­theoretischen Implikationen bringt sie mit sich?
  • Wie verhält sich eine neues »spekulatives« Denken zu Traditionen der Bild- und Medienkri­tik?

Fahrt- und Unterbringungskosten werden bei einer positiven Beurteilung der eingereichten Themen­vor­­schläge übernommen. Die Publikation der Beiträge in einem Sammelband ist geplant.

Bitte sen­den Sie Ihren Themenvorschlag (max. 2000 Zeichen) zusammen mit einem Kurz-CV bis zum 31.03.2017 an ikonische.wende(at)zhdk.ch

Organisation: Martin Beck, Jonas Etten, Julian Jochmaring, Hans Kannewitz, Fabian Alexander Kommoß, Lina Maria Stahl.

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