Interviews

Chatbot CHIM im Städel Museum. Interview mit Stefan Schaffer

Im Städel Museum wird bald ein neuartiger, digitaler Museumsguide erprobt: Ein Chatbot. Das »sprachbasierte Dialogsystem« wird Besucher mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz durch die Ausstellungen führen. Dadurch soll es sogar in der Lage sein, auf Fragen der Besucher zu antworten oder ihnen Vorschläge auf Basis ihrer Interessen zu machen. Entwickelt wird der neue Museumsguide in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und Linon Medien. Susanne Braun hat mit Stefan Schaffer vom Projekt Chatbot im Museum (CHIM) gesprochen.

Digitale Angebote des Städel Museums Selfie im Museum Foto: Katrin Binner
Digitale Angebote des Städel Museums Selfie im Museum Foto: Katrin Binner

Susanne Braun (SB): Was genau ist die Aufgabe eines Chatbots im Museumsalltag?

Stefan Schaffer (SS): In unserem Forschungsprojekt »Chatbot im Museum«, kurz CHIM, entwickeln wir ein sprachbasiertes Dialogsystem zur Wissensvermittlung in Museen.

SB: Der Chatbot ist also nicht »nur« ein Audioguide, sondern kann zum Beispiel auch auf Fragen der Besucher eingehen kann? Wie gut funktioniert so ein Dialog mit einem Chatbot nach dem jetzigen Stand der Forschung?

SS: Beim Sprachverstehen muss die Intention einer Nutzeräußerung ermittelt werden und dem Text dann eine Bedeutung zugewiesen werden. Das ist für den Computer keine einfache Aufgabe und funktioniert bisher nur in eingeschränktem Maß. Dazu gehören aufgabenbezogene Systeme wie die Steuerung des Multimediasystems im Auto oder ein Chatbot zur Pizzabestellung. Sie sind meist regelbasiert und funktionieren in vielen Fällen schon recht gut.

Schwieriger wird es bei Systemen, bei denen die Domänen zur Benutzung nicht festgelegt sind, den so genannten »Open Domain Systemen«. Diese Systeme sollen eine langfristige Bindung mit dem Nutzer herstellen und dessen Bedürfnis nach Kommunikation befriedigen. Regelbasierte Systeme stoßen hier schnell an ihre Grenzen, da man mit diesen nur eingeschränkt in Dialog treten kann. Daher kommen hier mehr und mehr Systeme zum Einsatz, die zur Intentionserkennung Methoden des maschinellen Lernens nutzen. Sie müssen auf großen Datenmengen trainiert werden. Bisher gibt es jedoch leider nur wenige wirklich erfolgreiche Systeme in diesem Bereich.

In CHIM arbeiten wir an einer hybriden Lösung. Dabei nutzen wir zum einen strukturiertes Wissen aus Museumsdantebanken und zum anderen Sprachmodelle, die auf großen Datenmengen trainiert wurden. Dadurch erreichen wir eine größere Flexibilität. Viele Faktenfragen können direkt über die Museumsdatenbank beantwortet werden. Interessant wird, wie gut offene Fragen mit Hilfe von großen Sprachmodellen beatwortet werden können, wenn wir ein spezifisches Objekt und einen zugehörigen Text als aktuellen Kontext haben. Dies ist eine unserer Forschungsfragen in CHIM.

SB: Das berühmteste Beispiel bisher ist der Chatbot Tay von Microsoft, der auch auf Künstlicher Intelligenz basierte. Das Experiment von 2016 ging aber gründlich schief: Innerhalb kürzester Zeit verwandelte sich Tay in einen pöbelnden Rassisten...

SS: Beim Chatbot Tay von Mircosoft ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Die Entwickler haben das System durch die Nutzereingaben weiter lernen lassen. Tay hatte sich dadurch innerhalb weniger Stunden eine so unangemessene Sprechweise angeeignet, dass man das System wieder abschalten musste.

Zu den bisher am weitesten entwickelten Sprachmodellen, die in der Lage sind, Text zu generieren, zählt GPT–3. Dieses System kann auf viele Fragen verblüffend gut antworten. Aber wenn der Gesprächspartner gezielt nach Schwachpunkten des Systems sucht, lässt sich noch immer schnell erkennen, dass die Antworten nicht von einem Menschen erzeugt werden.

In den nächsten Jahren werden solche Ansätze sicherlich noch besser werden. Wenn man allerdings eine korrekte Antwort erwartet und nicht einfach nur plaudern möchte, wird es weiterhin nötig sein, auf strukturiertes Wissen aus einer spezifischen Domäne zurück zu greifen. Dieses Wissen wird zur Erzeugung der korrekten Systemausgaben genutzt.

WiFi in the Städel Museum Foto: Andreas Reeg
WiFi in the Städel Museum Foto: Andreas Reeg

SB: Was genau ist Künstliche Intelligenz? Und wird man merken, dass die Antworten von einem Chatbot und nicht von einem Menschen stammen?

SS: Es gibt bisher keine eindeutige Definition von künstlicher Intelligenz. In CHIM erforschen wir einen sprachbasierten Chatbot. Für diesen Bereich könnte man sagen: Das System verhält sich künstlich intelligent, wenn die erzeugte Antwort auch von einem Menschen hätte kommen können. In CHIM ist es gar nicht unser Ziel einen Chatbot zu bauen, bei dem man nicht sagen kann, ob die Antwort von einem Menschen stammt oder nicht. Wir möchten Menschen beim Besuch einer Ausstellung dadurch unterstützen, dass wir Fragen zu Objekten möglichst korrekt beantworten.

Wie »intelligent« das System dann empfunden wird, hängt natürlich stark davon ab, wie gut das System diese Aufgabe leisten kann. Hierfür haben wir zunächst einmal eine Kampagne zur Fragensammlung gestartet. Diese Fragen werden als Trainingsmaterial für unseren Chatbot dienen. Im nächsten Schritt werden wir diesen Fragen vorhandene Inhalte zuordnen. Wir werden für wichtige Fragen auch neue Inhalte erstellen, sofern wir dafür bisher kein geeignetes Antwortmaterial haben.

SB: Glauben Sie, dass der Chatbot einen Museumsguide aus Fleisch und Blut ersetzen wird?

Nein, wir erwarten wir nicht, dass Chatbots menschliche Museums–Guides vollständig ersetzen werden. Das ist auch nicht gar nicht unser Ziel. Insgesamt kann man sagen: Wenn man eine flexible Interaktion ermöglichen will, ist der Aufwand zur Erstellung solcher Systeme recht hoch. Chatbots können allerdings eine sinnvolle Ergänzung sein, so können sie zum Beispiel dann einspringen, wenn kein menschlicher Guide verfügbar ist. Oder dann, wenn man sich lieber individuell im eigenen Tempo durch die Ausstellung bewegt und nicht an einer Gruppenführung teilnehmen möchte.

SB: Der Chatbot wird auch personalisierte Inhalte anbieten. Wie sieht es mit Datenschutz aus?

SS: Durch das CHIM werden personenbezogene Daten wie Name oder Adresse gar nicht abgefragt. Daten wie Alter oder individuelle Interessen können natürlich hilfreich sein, um personalisierte Inhalte zur Verfügung zu stellen. Aber die BenutzerInnen von CHIM werden die Möglichkeit haben, solche Angaben auf freiwilliger Basis zu machen.

Im Übrigen wird CHIM unterschiedliche Möglichkeiten der Nutzung anbieten. Personalisierte Inhalte stellen einen möglichen Weg dar. Man kann aber auch eine der vorgeschlagenen Touren mit CHIM durch das Museum machen oder die Ausstellung auf eigene Faust mit Hilfe des Systems erkunden. Wenn Daten erhoben werden, dann werden diese in jedem Fall anonymisiert.

Die Nutzung der Daten wird sich aber auf die Erstellung von Statistiken beschränken. Mit ihrer Hilfe kann ermittelt werden, zu welchen Objekten sich bestimmte Fragen häufen. Die Statistiken könnten perspektivisch auch genutzt werden, um BesucherInnen Objekte zu empfehlen. Natürlich basierend auf ihrer bisherigen Nutzung von CHIM in der Ausstellung. Im Projektplan von CHIM ist dies aber erst einmal nicht vorgesehen. Wir konzentrieren uns vorerst darauf, dass CHIM die Fragen der NutzerInnen korrekt versteht und die passenden Antworten liefert.

Auch die Frage nach einer transparenten KI–Methodik ist hier natürlich wichtig. Wir stellen von Anfang an klar, dass die Antworten nicht von einem Menschen, sondern vom Chatbot kommen. Dadurch erzeugen wir von Anfang an Transparenz. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass man Bezug darauf nimmt, »wie gut das System die Frage verstanden hat«. Wenn Unsicherheiten entstehen, dann sollte das System dies auch kommunizieren. Beispielsweise indem es antwortet: »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber vielleicht hast du ‚Franz Marc‘ gemeint«.


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https://esttest.dfki.de/http/chim–question–collecting/site/start/1?exhibitSource=staedelm

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