Wie und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte? Eine Frage, die nicht nur Absolventen des Fachs interessiert, sondern auch Anfänger. Wir haben bei Kunsthistorikern aus verschiedenen Bereichen nachgefragt und stellen ihren Berufsalltag in einer Interviewreihe vor. Dieses Mal ist Oliver Hellmuth an der Reihe. Er arbeitet in einem Auktionshaus.
Herr Hellmuth, Sie haben 2008 Ihren Magister in Kunstgeschichte erlangt und waren dann bis 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Jena. Heute arbeiten Sie im Auktionshaus Wendl in Rudolstadt. Wie sah Ihr Einstieg in den Kunsthandel aus?
Mein Einstieg kam eigentlich ganz plötzlich. Ich hatte mich zuvor nur auf Stellen im Bereich Museum, Universität und Galerie beworben, der Bereich Auktionshaus kam mir ehrlich gesagt zuerst gar nicht in den Sinn. Tatsächlich hat meine Frau dann den Anstoß zu einer Bewerbung im Auktionswesen gegeben, weil sie meinte, das könnte was für mich sein. Das habe ich dann einfach probiert und nach der dritten Bewerbung hat es dann auch geklappt.
Sie hatten also vorher im Kunsthandel keinerlei Erfahrung?
Nein, überhaupt keine. Ich bin davor nicht mal als Besucher jemals in einem Auktionshaus gewesen und kannte das wirklich nur vom Hörensagen.
Trotzdem lief Ihr Einstieg im Auktionshaus Wendl nicht über ein Praktikum oder Volontariat, sondern direkt über eine Vollzeitstelle?
Ja. In der Stellenausschreibung wurde nach einem wissenschaftlichen Mitarbeiter für den Bereich Gemälde gesucht. Aber ich weiß noch, dass es auch jemand sein sollte, der ein bisschen handwerkliches Geschick mitbringt. Meine Probezeit dauerte dann einen Monat und das war im Endeffekt schon eine Art Praktikum, ich musste ja auch herausfinden, ob mir das überhaupt liegt. Nach zwei Wochen verkündete mein Chef, dass er die Stelle gerne fest machen würde.
Die meisten Auktionshäuser haben nicht die Größe von Sotheby’s oder Christie’s. Welche Vorteile ergeben sich Ihrer Meinung nach in den kleineren Häusern für Berufsanfänger?
Ein Vorteil ist sicherlich der abwechslungsreiche und vielseitige Arbeitsalltag. Wenn man sich bei großen Häusern mit vielen spezialisierten Mitarbeitern die Profile anschaut, gibt es zum Beispiel Katalogisierer, eine Annahmestelle, Presseleute, Fotografen, etc. Die Bereiche sind ganz klar voneinander getrennt. In kleinen Häusern geht hingegen alles Hand in Hand, da muss jeder Mitarbeiter auch in jedem Bereich mit anpacken. Natürlich helfe ich da zum Beispiel auch mal etwas für den Versand fertig zu machen, oder einen Schrank aufzubauen. Dass ich dadurch ständig in Bewegung bin, ist für mich einer der großen Vorteile in einem kleineren Auktionshaus. Man bekommt jeden Moment des Auktionszyklus mit und hat dabei die Möglichkeit, auch mal über den Rand des eigenen Themengebiets hinauszuschauen. Neben den Gemälden bekomme ich bei unseren breit gefächerten Objekten auch einen Einblick in andere Kategorien, seien es Möbel, Schmuck oder Asiatika. Man lernt einfach, wie das ganze Unternehmen aufgebaut ist und funktioniert.
Immer mehr Auktionshäuser bieten mittlerweile ein- bis zweijährige Volontariate für Absolventen der Kunstgeschichte an. Daneben bauen auch einige kunsthistorische Masterstudiengänge ihr Angebot von berufsqualifizierenden Grundlagenkenntnissen für den Kunsthandel aus. Welchen Weg würden Sie einem Bachelor-Absolventen empfehlen?
Nach meiner Erfahrung lernt man in der Praxis immer noch am meisten. Ich finde es aber auch gut, dass in Deutschland durch einige Masterstudiengänge jetzt endlich der Kunsthandel in der universitären Ausbildung berücksichtigt wird. In Großbritannien zum Beispiel gab es Studiengänge wie »Art Marketing« ja schon lange. Einem Bachelor-Absolventen würde ich immer raten, einen Master zu machen, sich da bereits in Richtung Kunsthandel zu orientieren und sich danach für ein Volontariat zu bewerben.
Warum würden Sie auf jeden Fall den Master empfehlen?
Ich glaube, dass leider viele alteingesessene Kunsthändler einen Bachelor-Absolventen noch nicht ganz so ernst nehmen, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Das hat sich in der Praxis meiner Meinung nach einfach noch nicht so etabliert.
Ihr Schwerpunkt sind Gemälde. Hat sich das bereits im Studium oder erst in der Praxis entwickelt?
Im Studium hatte ich mich eigentlich gegen Ende mehr auf Skulpturen spezialisiert. Auch meine Abschlussarbeit habe ich über Skulpturen geschrieben. Ich könnte jetzt gar nicht sagen, was von beidem mir mehr liegt. Ich beschäftige mich zwar bei der Arbeit mehr mit Gemälden, da wir aber auch die Sparte Skulpturen haben, kann ich meinem Kollegen auch immer mal wieder mit einem Rat zur Seite stehen und natürlich auch mein eigenes Wissen noch weiter ausbauen.
Wie lernt man Originale von Fälschungen, gute von schlechter Kunst zu unterscheiden?
Das ist eine gute Frage, die meiner Meinung nach auch sehr leicht zu beantworten ist: Schauen, schauen, schauen. Ich werde jährlich mit ungefähr 2000 Gemälden konfrontiert, die ich ad hoc zu bewerten habe. Dabei sieht man ehrlich gesagt zu 90 Prozent schlechte Kunst und nur zu 10 Prozent richtig gute Sachen. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, so oft wie möglich in Museen zu gehen und sich die großen Meister anzuschauen und zwar richtig genau anzuschauen, vor allem deren Malweise. Ich glaube wenn man viel gesehen hat, kann man irgendwann auch die guten von den schlechten Kunstwerken unterscheiden. Ein Gespür dafür entwickelt man sicherlich auch im Studium. Das Sehen, das man dort lernt, sollte man auf jeden Fall immer frisch halten und verfeinern. Was im Studium oft zu kurz kommt, ist aber die Arbeit mit Originalen. Fälschungen sind ja oft am Material festzumachen und um das richtig beurteilen zu können, muss man die Gemälde oft einfach mal auf den Rücken drehen, dazu kommt man im Studium ja eher nicht.
Stellen wir uns einmal vor, ein Einlieferer steht mit einem vermeintlichen Gemälde von August Macke vor Ihnen. Welche Arbeitsschritte folgen nun, bis das Kunstwerk den Besitzer gewechselt hat?
Also bei so einem Namen würde ich zuerst einmal fragen, ob der Einlieferer auch eine Expertise, also ein Expertengutachten zum Gemälde, dabei hat. Das Gemälde ohne Expertise anzunehmen ist nicht sinnvoll. Hat er jedoch eine, ist alles rechtlich abgesichert und das Gemälde wird bei uns aufgenommen. Dann wird gemeinsam mit dem Einlieferer ein Preis für die Auktion festgelegt. Dabei orientieren wir uns an den Preisen, die für Gemälde des Künstlers in den letzten vier bis fünf Jahren in Auktionen erzielt wurden. Schließlich wird ein Katalogtext erstellt, in dem genau der Zustand des Gemäldes beschrieben wird. Ob es einen Titel hat, einer bestimmten Serie zugeordnet werden kann und dergleichen. Für den Katalog werden dann auch Fotos gemacht. Und wenn die Auktion läuft, wartet man darauf, dass das Gemälde aufgerufen und versteigert wird. Das sind so die groben Schritte.
In Stellenanzeigen von Auktionshäusern wird oftmals eher nach »Kaufmännischer Ausbildung mit kunsthistorischem Interesse« als nach einem geisteswissenschaftlichen – hier speziell kunsthistorischen – Abschluss gesucht. Kaufmännisches Geschick scheint also unabdingbar für die Arbeit im Auktionshaus.
Ich würde sagen, wenn man dieses Geschick noch nicht hat, sich aber wirklich für den Kunsthandel interessiert, dann lernt man das in der Praxis relativ schnell. Als ich vor vier Jahren angefangen habe, war ich beim Verhandeln unsicher, es sind ja die unterschiedlichsten Typen, mit denen man tagtäglich konfrontiert wird. Aber nach ungefähr einem Jahr hatte sich das Wissen, wie man mit wem verhandelt und wie man auf verschiedene Menschen zugeht absolut verfestigt.
Sie haben Kunstgeschichte, Neuere Geschichte und Germanistische Literaturwissenschaft studiert – Sie sind also der klassische Geisteswissenschaftler. Würden Sie bezogen auf Ihren jetzigen Beruf heute andere Fächer wählen?
Nein, würde ich nicht. Ich habe diese Fächer ja aus absolutem Interesse angefangen, und das hat sich auch nach den vier Jahren im Kunsthandel nicht geändert.
Sie würden also auch nicht zum Beispiel zu BWL im Nebenfach tendieren?
Also mit meinem heutigen Wissen würde ich vielleicht mal reinschnuppern, aber meine Fächerkombination würde ich nicht ändern wollen.
Wem würden Sie eher von einem Einstieg in den Kunsthandel abraten?
Ich glaube, man sollte das Verhandeln schon mögen. Wem es überhaupt nicht liegt, sich auf Diskussionen mit Einlieferern und Käufern einzulassen, dem würde ich wirklich abraten. Und es sollte einem auch klar sein, dass man diese ganzen wissenschaftlichen, analytischen Fragestellungen im Arbeitsalltag des Kunsthandels eigentlich nicht braucht.
Wenn man allerdings Kunst aller Art mag, Abwechslung im Arbeitsalltag und darüber hinaus gerne verhandelt, dann ist man im Kunsthandel gut aufgehoben. Die Nähe zum Objekt, die man hier hat, ist einfach mit nichts zu vergleichen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hellmuth!