Wie und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte? Eine Frage, die nicht nur Absolventen des Fachs interessiert, sondern auch Anfänger. Wir haben bei Kunsthistorikern aus verschiedenen Bereichen nachgefragt und stellen ihren Berufsalltag in einer Interviewreihe vor. Luise Schendel hat nach dem Studium den Weg als Journalistin eingeschlagen.
Frau Schendel, Sie haben Kunstgeschichte, Ur- und Frühgeschichte sowie Klassische Archäologie studiert. Wann kam der Wunsch journalistisch tätig zu werden?
Wenn ich ehrlich sein soll, hatte ich einen solchen Wunsch nie. Ich habe mich sehr früh während meines Studiums auf eine Arbeit im Museum verlegt und erst wirklich spät, gegen Ende meiner wissenschaftlichen Ausbildung, die Stellenanzeigen für Kunsthistoriker gelesen. Immer wieder tauchte dabei der Wunsch nach redaktioneller beziehungsweise journalistischer Erfahrung auf, der die wissenschaftlichen Tätigkeiten im musealen Bereich abrunden soll. So habe ich also zuerst ein Praktikum im Lokalteil der Ostthüringer Zeitung (OTZ) absolviert und bin über eine freie Mitarbeit binnen eines dreiviertel Jahres in das Volontariat bei der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) hineingerutscht. Das war ein großer Glücksfall. Die überregionale Kulturredaktion des Blattes suchte zu diesem Zeitpunkt eine Kunsthistorikerin, die das Profil der Zeitung abrunden sollte, und ich kam direkt vom Studium und habe meine Chance genutzt. Obwohl ich, wie gesagt, niemals vorhatte, Journalistin zu werden, möchte ich diese Erfahrungen und die Zeit dort nicht missen. Und schließlich hat sie mich nicht nur journalistisch, sondern auch museal weitergebracht.
Nach Ihrem Magisterabschluss waren Sie von 2012 bis 2013 an der Journalistenschule Ruhr. Warum haben Sie sich für diese zusätzliche Ausbildung entschieden?
Viele Redaktionen lassen heutzutage ihren journalistischen Nachwuchs zusätzlich extern in Journalistenschulen ausbilden. Da ich ein verkürztes Volontariat bei der Thüringischen Landeszeitung absolviert habe, war ich zu diesem Zeitpunkt beruflich auch bei der Zeitungsgruppe Thüringen (jetzt Mediengruppe Thüringen) angestellt, die wiederum Teil der Essener Funke-Mediengruppe ist. Nahezu alle Volontäre dieser international aufgestellten Mediengruppe erhalten ihre journalistische »Hardware« bei der Journalistenschule Ruhr in Essen.
Wie kann man sich Ihre Ausbildung dort vorstellen?
An der Journalistenschule gibt es Schreib-Seminare sowie Ausbildungen zu journalistischen Darstellungsformen und den möglichen Sparten der Berichterstattung. Natürlich kommt man nur an eine solche Journalistenschule, nachdem man sich bereits journalistisch bewährt hat, das Handwerkszeug, viele Erfahrungen und eine »gute Schreibe« bereits besitzt. Letztere habe ich mir übrigens nicht nur über die freie Mitarbeit bei Kulturredaktionen, sondern auch während des Kunstgeschichtsstudiums zugelegt. Dort lernt man eigentlich schon früh, worauf es bei einem fundierten Text ankommt. Für ihre konstruktive Kritik bin ich meinen Professoren an der Jenaer Universität nachdrücklich wirklich dankbar. Schließlich sind sie journalistisch selbst nicht gänzlich »unbeleckt«.
Aber zur Vertiefung der Kenntnisse und für den nötigen »Schliff« sorgen schließlich die Ausbilder der Journalistenschule.
Nach Ihrer Zeit an der Journalistenschule waren Sie Redakteurin im Kulturressort der Thüringischen Landeszeitung. Wie genau sieht denn der Arbeitsalltag einer Redakteurin aus?
Aufstehen, Duschen, anziehen … Nein, Scherz beiseite. Mein Arbeitsalltag, auch während des Kurz-Volos, fing in der Regel mit einer Redaktionskonferenz an. Dort werden die Themen des Tages vorgestellt, Pläne für den Rest der Woche gemacht und so weiter. Meistens bin ich morgens bereits auf Terminen gewesen, habe recherchiert oder ähnliches, um über den Tag, im Wechsel mit den Kollegen natürlich, die Texte zu schreiben, das Layout anzufertigen und die Themen für den nächsten Tag zu planen. Oft wurde außerdem durch eine Todesmeldung eines Schriftstellers oder Regisseurs die gesamte Tagesplanung komplett geändert. Dabei muss der Redakteur seine E-Mails und die Meldungen der Agenturen wie Dpa oder Epd ständig im Blick behalten und die freien Mitarbeiter koordinieren. Am Ende des Arbeitstages hat sich bei mir das Ritual eingebürgert, noch zehn Minuten in den stiller werdenden Redaktionsräumen zu verweilen, um bei den Klängen von Debussy den Adrenalinspiegel wieder zu senken. In den stressigsten Zeiten war ich von morgens um sieben bis nachts um zwölf Uhr in der Redaktion. Nun habe ich mich für eine freie Mitarbeit bei verschiedenen Medien entschieden, um meine Doktorarbeit bei weitgehend unabhängiger Zeiteinteilung anfertigen zu können. Das war während der Redaktionsarbeit leider nicht möglich.
Es gibt eine Vielzahl an Studiengängen, die explizit kulturjournalistisches Schreiben in den Mittelpunkt stellen, beispielsweise an der Universität Hildesheim oder der Universität der Künste Berlin. Welche Vorteile hat es Ihrer Meinung nach, einen geisteswissenschaftlichen und speziell einen kunsthistorischen Hintergrund zu haben?
Einen sehr großen. Während Studenten der Journalistik etwas über die Arbeit in der Redaktion lernen, bekommen Kunstwissenschaftler eine Fachexpertise mit auf den Weg. Diese Erfahrungen begleiten sie dann durch ihr gesamtes Berufsleben. Aber Weiterbildungen sind eigentlich unerlässlich. Nur mit dem Studienabschluss in der Hand kommen die Absolventen nicht sehr weit. Was schließlich zählt, sind die praktischen Erfahrungen, die sie nebenbei gesammelt haben. Außerdem bereitet speziell das Kunstgeschichtsstudium darauf vor, richtig »hinzusehen« und die richtigen Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen. Das nützt immer – sei es beim Layout, bei der Rezeption eines Kunstwerkes oder beim Schreiben einer Theaterkritik. Weiterbildungsstudiengänge wie die von Ihnen genannten sind für die berufliche Karriere natürlich sehr förderlich – vor allem, was die praktischen Erfahrungen anbetrifft (in der Regel sind Praktika in Redaktionen Ausbildungsbestandteile) und die Netzwerke zu anderen Journalisten und Redaktionen, die die Chancen auf dem Arbeitsmarkt später natürlich deutlich erhöhen.
Wozu raten Sie Studenten, die sich bereits vor oder während Ihres Studiums für den Arbeitsbereich Kulturjournalismus entscheiden?
Bilden Sie sich umfassend! Lesen Sie so viel Sie können, auch Printmedien. Und vertrauen Sie nicht jedem Beitrag, der im Internet zu finden ist. Auch Wikipedia kann sich irren. Nehmen Sie lieber ab und zu einen Duden oder einen »Brockhaus« in die Hand und verschaffen Sie sich ein umfassendes Allgemeinwissen. Sie werden es brauchen. Und absolvieren Sie so viele Praktika, wie möglich. Am besten crossover, in Print, Online, Radio und Fernsehen, bei Magazinen, lokal, regional und überregional – und versuchen Sie sich auch in PR-Abteilungen. Dort arbeiten ebenfalls viele Journalisten aus dem Kulturbereich, aber meist zu deutlich besseren Konditionen und mit etwas weniger Stress als in den Redaktionen. Das ist auch eine Frage nach Sicherheiten. PR-Stellen schrumpfen meist nicht so schnell, wie die in Redaktionen. Die Medienbranche spart heute gerne am Personal. Und wer noch vor zehn Jahren einen sicheren Arbeitsplatz innezuhaben glaubte, mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag (die gibt es für Berufseinsteiger (fast) nicht mehr), kann schon morgen auf der Straße stehen. »Etwas mit Medien« machen zu wollen, ist noch immer eines der beliebtesten Ziele unter Studenten, doch wer wirklich ankommen möchte, braucht sehr viel Engagement und Durchhaltevermögen. Und einen Idealismus, der über den zu oft viel zu kleinen Geldbeutel hinwegsehen lässt. Unnötig zu sagen, dass es nur die Wenigsten und Besten zum Schluss schaffen. Man sollte sich als Student keinen Illusionen hingeben und seinen Fähigkeiten und Zielen stets kritisch gegenüberstehen. Denn das bereits bestehende Überangebot an willigen Arbeitskräften bietet Arbeitgebern eine ideale Möglichkeit, sich die journalistische Elite auszusuchen.
Was ist neben einer guten Schreibe Ihrer Meinung nach noch wichtig, um interessante Beiträge zu Kunst und Kultur zu liefern?
Gute Kontakte. Gut schreiben zu können nutzt nur wenig, wenn man keine Möglichkeit hat, etwas zu veröffentlichen. Ein gesundes Netzwerk unterschiedlicher Auftraggeber, vom Lokal- bis zum überregionalen Journalismus, von der Zeitung über die Online-, Rundfunk-, Fernseh- und PR-Abteilungen, hilft dabei sehr. Und es gilt, was mein alter Chefredakteur Hans Hoffmeister mir bei dem Einstellungsgespräch einmal sagte: »Wer schreibt, der bleibt«. Und er hatte Recht. Hat man sich erst einmal bewährt und über eine längere Phase gute Texte in einem bestimmten Bereich (zum Beispiel dem Kulturjournalismus) geliefert, kommen die Auftraggeber meist von alleine auf den Journalisten zu. Außerdem gibt es heutzutage die Möglichkeit, sich schreiberisch über einen eigenen Blog zu profilieren, vor allem, wenn er über die neuen Medien vernetzt ist. Doch Vorsicht: Blogger sind unter Journalisten meist nicht sehr anerkannt, weil es oft keine objektiven Qualitätskriterien gibt, die den Texten zu Grunde liegen. Viele Laien schreiben dort zu Themen, die Wissenschaftler und »richtige« Journalisten natürlich anders und gekonnter bearbeiten würden. Nichtsdestotrotz kann ein guter Blogbeitrag von einem professionellen Schreiber oder einem Wissenschaftler stammen. Und was für Berufsanfänger noch wichtig ist: Bauen Sie sich ein zweites Standbein auf. Es kann durchaus sein, dass Sie nicht im Journalismus ihre Brötchen verdienen können. Für diesen Fall sollten Sie sich einen Plan B zurecht legen und parallel an ihm arbeiten.
Sie sind derzeit Doktorandin an der Universität Jena. Gibt es noch andere Projekte, denen Sie sich widmen?
Ich arbeite derzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Öffentlichkeitsarbeit eines Kunstmuseums und als Dozentin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, entwickle im Team ein Konzept für ein Philosophie-Museum, halte Laudationes und bin auch journalistisch weiterhin rundum gut versorgt. Die Vielfalt macht mir großen Spaß. Frei zu arbeiten kann ein großer Schritt ins Ungewisse sein, aber die Selbständigkeit gibt mir die Freiheit, die ich momentan brauche, um mich auch wissenschaftlich meinem niederländischen Barockthema widmen zu können.
Wissen Sie schon, wo es nach der Promotion hingehen soll?
Ich lasse mich überraschen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!