Wie und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte? Eine Frage, die nicht nur Absolventen des Fachs interessiert, sondern auch Anfänger. Wir haben bei Kunsthistorikern aus verschiedenen Bereichen nachgefragt und stellen ihren Berufsalltag in einer Interviewreihe vor. Ralf Poppen bietet Kunst- und Kulturreisen an.
Herr Poppen, Sie sind promovierter Kunsthistoriker und Inhaber des Kunst- und Kulturreiseunternehmens ViadellArte in Bonn. Woher kam der Anreiz, in diesem Bereich zu arbeiten?
Bereits während der Promotionsphase habe ich mich zusammen mit einem Kommilitonen mit einer Art Consulting Firma selbstständig gemacht. Die Idee hierzu kam uns während der Studienzeit und zwar nicht in der Theorie der Vorlesungen und Seminare, sondern in der Praxis. Wir haben beide Führungen in der Bundeskunsthalle in Bonn gemacht und dort oft zusammen überlegt, wie es nach dem Studium weitergehen soll. Zwei Ideen standen damals im Raum: entweder ein Reiseunternehmen oder Kunstberatung für Wirtschaftsunternehmen.
…und dann haben Sie sich zuerst für art consulting entschieden.
Ja, wir haben zehn Jahre zusammen in diesem Bereich gearbeitet. Als es zu Ende ging, habe ich tatsächlich erst einmal mit großer Begeisterung wieder Führungen in der Bundeskunsthalle gemacht. Und dort kam ich auch wieder auf die zweite Idee von damals, das Reiseunternehmen. Ich wurde oft von Gruppen gefragt, ob ich weitere Führungen in anderen Museen und anderen Städten übernehmen könne. Da wurde in mir der Unternehmer wach, weil ich gemerkt habe, dass es in diesem Bereich einen Markt gibt und dass es entweder für die Interessenten keine adäquaten Angebote gibt oder diese Angebote nicht gefunden werden. Die erste Idee von ViadellArte war deshalb, ein Netzwerk von sehr guten Museumsführern aufzubauen, die auch Reisen leiten sollten.
Wieso das ausgeprägte Bedürfnis selbstständig zu arbeiten?
Das lag an den ersten eigenen desillusionierenden Praktika und den Berichten von Kommilitonen darüber, welche Erfahrungen sie außerhalb der Universität an ihren Arbeitsplätzen machten. Das reichte für mich, um zu entscheiden, dass ich das so nicht möchte.
Ihr Beispiel zeigt, dass die Selbstständigkeit mit guten Ideen gelingen kann, trotzdem ist dieser Schritt sicherlich nicht immer einfach.
Ganz klar. Selbstständigkeit und Unternehmertum ist nichts für jeden, das muss schon zur eigenen Persönlichkeit passen. Fakt ist, dass man schon mal unruhige Nächte hat, darauf sollte man eingestellt sein. Rückhalt aus dem Umfeld ist hilfreich, aber man sollte es schon alleine stemmen können. Eine robuste Gesundheit ist beispielsweise von Vorteil, Krankheitstage kann man sich so gut wie gar nicht erlauben. Am wichtigsten ist aber sicherlich die entsprechende Idee, die auch einen Markt hat.
Sie haben keine Ausbildung im kaufmännischen oder touristischen Bereich. Hatten Sie vor Ihrer ersten Unternehmensgründung andere praktische Erfahrungen in diesen Bereichen gemacht oder alles in der Praxis gelernt?
Während meines Studiums gab es an der Universität keinerlei Informationen zum Thema Selbstständigkeit. Unternehmensgründung war dort zu meiner Zeit eher verpönt. Das heißt, die Informationsbeschaffung war durchaus mühsam. Es gab Gründerseminare bei der IHK und wir hatten über verschiedene Wege einen Steuerberater und einen Unternehmensberater kennengelernt, die bei den wichtigsten Fragen weiterhalfen. Und natürlich hatte ich als Student gelernt, mir Informationen aus Büchern zusammenzusuchen. Bei ViadellArte war dann über lange Jahre eine Reiseverkehrskauffrau meine rechte Hand, die konnte gerade zu Beginn viele Wissensdefizite aus dem Touristikbereich ausgleichen. Der Rest war learning by doing.
Beim Gedanken an Ihren Beruf kommt vielen sicher die romantische Vorstellung des Weltenbummlers in den Kopf, nach dem Motto: »Heute das MoMA, morgen der Vatikan«. Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag wirklich vorstellen?
Tatsächlich bin ich viel unterwegs, was sehr schön ist. Aber natürlich reist man als Gruppenleiter anders. Die Teilnehmer sollen diese Reise genießen und das bedeutet, dass man die ganze Zeit in Gedanken bei der Gruppe ist und immer einen Schritt voraus sein muss. Zwischendurch kommt schon mal der eigene Genuss bei einem Museumsbesuch, aber eigentlich ist die Aufmerksamkeit immer auf die reibungslose Organisation gerichtet. Die Zeit zwischen den Reisen ist bei mir gut ausgefüllt mit Büroarbeit. Die groben Arbeitsschritte sind hier die Produktentwicklung, also die Organisation und Fixierung der Reiseleistungen, das Marketing, dann die Reise als Dienstleistung durchzuführen und schließlich die Nachbereitung. Hinzu kommt der gesamte buchhalterische Bereich.
Man darf sich also keine Illusionen machen, es gibt auch lange Phasen am Schreibtisch?
Ja. Aber es hängt auch von den Mitarbeitern ab. Ich habe drei exzellente Mitarbeiterinnen, die mich bei dieser Schreibtischarbeit entlasten, einen reibungslosen Ablauf gewährleisten und das Unternehmen führen, wenn ich selbst eine Reiseleitung übernehme.
Was ist Ihrer Meinung nach essenziell, um mit unterschiedlichsten Gruppen erfolgreich Kunst und Kulturreisen durchzuführen?
Elementar ist eine gute Vorbereitung. Aber es reicht nicht, nur viel zu wissen. Das Wichtigste ist Leidenschaft für diesen Beruf. Man sollte in der Lage sein, die Menschen mit der eigenen Begeisterung für ein Thema anzustecken. Dann sind das Sternstunden.
Trotzdem. Das Interesse der Mitreisenden über einen längeren Reisezeitraum aufrecht zu erhalten, ist bestimmt eine Herausforderung. Wieviel Entertainer sollte hierfür in einem stecken?
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Kunstgeschichte bietet so eine große Vielfalt, dass ich mich für jedes Thema, zu dem ich bisher Führungen oder Reisen veranstaltet habe, wirklich begeistern konnte. Das auf gute Art weiterzugeben, die Leute wirklich zu unterhalten, muss man lernen. Die wenigsten sind hier Naturtalente. Ich war das auch nicht, für mich war die Führungstätigkeit in der Bundeskunsthalle hierfür elementar. Ich habe das sehr gerne gemacht, aber mir war über lange Zeit vor jeder Führung übel vor Aufregung. Diese Aufregung brauchte ich aber, um wirklich gut zu sein. Mittlerweile bin ich nicht mehr so aufgeregt, aber es prickelt nach wie vor und das ist gut so.
Wie haben Sie gelernt, die richtigen Reiseziele zu wählen?
Das kann man leider nicht lernen. Das Buchungsverhalten ist kaum zu durchschauen und vorherzusehen. Das ist immer auch ein bisschen Glückssache, es gibt hier keine Regelmäßigkeiten. Wichtig ist es, während der Reisen zuzuhören: Die Kunden erzählen mir, was sie interessiert. Hilfreich sind auch die Bewertungsbögen, die wir am Ende jeder Reise verteilen. Hier können unsere Kunden eintragen, wohin sie mit uns reisen möchten. Letztlich entscheidet das Bauchgefühl von meinen Mitarbeiterinnen und mir.
Und wie wählen Sie die Programmpunkte einer Reise aus?
Hier ist es, denke ich, wichtig, selbst Spaß am lebenslangen Lernen zu haben. Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht nur Kunsthistoriker, sondern Kulturhistoriker sein möchte. Es bereitet mit großes Vergnügen, Menschen nicht nur gute Kunst, sondern auch gutes Essen, gute Musik und auch mal ein unglaubliches Naturerlebnis näherbringen zu können.
Gibt es Aspekte bei Ihrer Arbeit, die Sie weniger mögen?
Unangenehm sind bürokratische Angelegenheiten, beispielsweise mit Finanzämtern. Und ich hätte gerne ein bisschen mehr Zeit. Privat, aber auch beruflich. Vor allem bei der Planung und Vorbereitung der Reisen. Ansonsten habe ich einen Traumberuf.
Sie bieten auch immer wieder Praktika für Studenten und Absolventen der Kunstgeschichte an. Was sollten mögliche Kandidaten mitbringen?
Neben einer allgemeinen Neugier ist für uns wichtig, dass man ein sehr gutes Deutsch in Wort und Schrift beherrscht. Praktikanten werden bei uns nach wenigen Tagen schon mit allen im Unternehmen anfallenden Aufgaben betraut und wir können nicht jeden Brief, jedes Anschreiben noch einmal auf die Rechtschreibung kontrollieren. Ansonsten bin ich ganz offen, die Praktikanten sollen ja bei uns etwas lernen. Und ich freue mich über jeden kreativen Input. Durch zu viele Vorgaben im Voraus blockiert man das nur.
Vielen Dank für das Gespräch!