Rezensionen

Nora Koldehoff/Stefan Koldehoff: Der van Gogh–Coup. Otto Wackers Aufstieg und Fall, Nimbus Verlag

33 gefälschte van Gogh–Bilder hat der Kunsthändler Otto Wacker (1898–1970) verkauft. Die anschließende Gerichtsverhandlung wurde zum Waterloo für die Welt der »Experten« und für den gesamten Kunsthandel. Mit detektivischem Spürsinn untersuchen Nora und Stefan Koldehoff in ihrem Buch Aufstieg und Fall des Hochstaplers, ebenso die aberwitzigen Manöver, als man begann, ihm auf die Schliche zu kommen. Sensationelles Material wurde dabei zutage gefördert. Spunk Seiepl hat diesen Rechere–Krimi gelesen.

Cover © Nimbus Verlag
Cover © Nimbus Verlag

Es war einer der größten Kunstskandale der Weimarer Republik: Der Prozess um gefälschte van Goghs in Berlin im Jahr 1932. Heute ist der Fall ebenso vergessen wie Otto Wacker, der einst als hoffnungsvoller Galerist galt, aber die Strukturen des Kunstmarkts für sich zu nutzen wusste und die Fälschungen zu viel Geld machte. Die Geschichte dieses Betrugs und die Gerichtsverhandlung, in der sich mehrere Kunstsachverständige blamierten, erzählen viel über den Kunsthandel, der sich bis heute nicht geändert hat.

In den 1920er Jahren war die Begeisterung für Vincent van Gogh in Deutschland groß. Mehrere Autoren, unter ihnen der bis heute bekannte Kunstkritiker Meier–Graefe, schrieben Lobeshymnen auf ihn und festigten das romantisierende Bild des verkannten Genies. Es gab große Ausstellungen, vorrangig in Privatgalerien, und eine rege Nachfrage nach seinen Werken. Die Galeristen konnten gar nicht so viele Bilder zur Verfügung stellen, wie die Sammler begehrten denn die meisten Gemälde und Zeichnungen des Künstlers befanden sich noch immer im Besitz der Familie van Gogh, die nur zögerlich Werke verkaufte. Die Verlockung gefälschte van Goghs auf den Markt zu bringen war groß, zumal der Malstil des Niederländers im Vergleich zu den Altmeistern relativ leicht nachzuahmen schien.

Otto Wacker hatte also leichtes Spiel, zumal damals wie heute in weiten Kreisen des Kunsthandels mehr auf Schein als Sein geachtet worden ist. Wacker, der aus ärmlichen aber künstlerischen Verhältnissen stammte und zeitweise als Ausdruckstänzer unter dem Pseudonym Olindo Lavael Aufmerksamkeit erweckte, mietete sich in bester Lage, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den bekanntesten Galerien für moderne Kunst in Berlin, eindrucksvolle Räumlichkeiten. Sein äußeres Auftreten war elegant, niemanden schien der plötzliche Aufstieg des jungen Mannes zu irritieren.

Beim Handel mit den Falsifikaten ging er geschickt vor. Die van Goghs legte er verschiedenen Fachleuten zur Begutachtung vor und ließ sich so die Echtheit der Werke bestätigten. Wie sich herausstellte, hatten manche von ihnen nur Fotografien gesehen und diese niemals mit gesicherten Arbeiten des Künstlers direkt verglichen. Wichtige Hinweise, dass der Fälscher zum Beispiel eine Leinwand benutzte, die van Gogh niemals verwendet hatte, beachteten die Experten nicht. Auch wurde im Prozess deutlich, dass die Provenienz der Bilder von den Fachleuten nicht ernsthaft überprüft wurde. Die Behauptung Wackers, ein russischer Sammler, der in der Schweiz lebe und aus Angst vor Repressionen des Sowjetssystems gegen Verwandte anonym bleiben wolle, passte zum Zeitgeist. Eine Folge dieser Nachlässigkeit ist, dass die materielle Untersuchung von Kunstwerken und die Provenienzforschung an Bedeutung gewonnen haben gegenüber dem »Gefühl«, das einige der Begutachter im Prozess als entscheidendes Merkmal der Begutachtung von Kunstwerken verteidigten.

Blick ins Buch © Nimbus Verlag
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Wacker wäre niemals aufgeflogen und seine van Goghs würden unter Umständen bis heute als Originale gelten (da sie zum Teil schon in den offiziellen Werkkatalog aufgenommen worden waren), hätte er nicht leichtsinnigerweise gleich sechs Werke an die Galerie Cassirer geliehen, die eine große van Gogh Ausstellung veranstaltete. Erst hier fielen Unstimmigkeiten im Vergleich zu Originalen des Malers auf.

Der anschließende Prozess wurde international von der Presse begleitet und entpuppte sich zu einem Kampf der Sachverständigen, die teils mit sich selbst widersprechenden Expertisen auftraten. Hintergrund vieler, zum Teil bewusster Fehlentscheidungen zu der Echtheit der Werke waren, neben dem Nationalismus der holländischen Fachleute, Eitelkeit und vor allem wirtschaftliche Interessen. Nicht nur, dass die Kunstexperten an den Gutachten Geld verdienten stellte ein Problem dar, sondern auch, dass viele von ihnen im Handel mit van Goghs selbst involviert waren.
Prominente Experten wie Julius Meier–Graefe und Jacob Baart de la Faille, der Autor des soeben erschienenen Werkverzeichnisses, hatten in Gutachten die Echtheit von Wackers Van Goghs bestätigt. Mit Ausnahme Cassirers hatten alle namhaften deutschen Kunsthändler bei Wacker eingekauft und die Werke mit großen Verdienstspannen an Sammler im In– und Ausland vermittelt. Bei einem Prozess war mit ungeahnten Folgeschäden zu rechnen.

Schließlich wurde Otto Wacker zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Machtantritt der Nazis tat kurz darauf ein übriges. Im Dezember 1935 aus dem Gefängnis entlassen, sah er sich aller Verdienstmöglichkeiten beraubt. Sein Tanz, mit dem er sich erneut versuchte, galt den Nazis als artfremd, die Künstler der Moderne, mit denen er sich beschäftigt hatte, als entartet. Nach dem Krieg arbeitete Wacker in der DDR als Lehrer für Gesellschaftstanz und betätigte sich als Restaurator alter Kunstwerke. Am 13. Oktober 1970 starb er in Ost–Berlin, den Namen »seines« Fälschers verriet er niemals, es wird aber vermutet, dass sein Bruder die Werke schuf.

Blick ins Buch © Nimbus Verlag
Blick ins Buch © Nimbus Verlag

Im Anhang an dem chronologisch erzähltem Bericht des Kunstskandals erlaubt die Publikation die Bilder aus der Galerie Otto Wacker mit den originalen van Gogh Werken zu vergleichen. Angaben, was aus den Fälschungen geworden ist, sind ein interessantes Kompendium der beiden Autoren, dass darauf schließen lässt, dass sich noch immer einige Bilder aus der Galerie in Privatbesitz befinden und vielleicht für echte van Goghs gehalten werden.
Fraglich ist, warum die Autoren nicht Émile Schuffenecker (1851–1934) erwähnen, der 1890 im Lager von Theo van Gogh Bilder kopierte und vermutlich zusammen mit der Familie van Gogh gefälschte Bilder als Originale verkaufte. Eine Tatsache, die bis heute der Forschung Schwierigkeiten bereitet.

Vergleiche des Skandals um Otto Wacker mit Kunstskandalen der letzten Jahre liegen nahe und zeigen, dass sich in der Kunstwelt nicht viel gebessert hat. Viele Experten vergeben ihre Gutachten auch heute gegen Bares, die Überprüfung von Materialien und Provenienzen gehören nicht zum Standard und werden wenn überhaupt, nachlässig verfolgt.
Das Buch mit zahlreichen Abbildungen macht ein Stück Geschichte des deutschen Kunsthandels und der van Gogh Rezeption bekannter und fordert zu einem kritischen Blick auf sogenannte Experten und vor allem auf den Kunstmarkt auf.

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