Die Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) widmet sich der Frage wie Geschlechter im populären Medium wiedergegeben werden. Freilich begegnen den Lesern hier oftmals Stereotype, aber der Comic besitzt auch das Potenzial diese Stereotype zu unterwandern. Die Tagung widmet sich dem Phänomen.
Der Comic ist über Dekaden hinweg als populärkulturelles Massenphänomen wahrgenommen worden, das (geschlechter-)stereotype Darstellungen manifestiert und damit gesellschaftlich fest- und fortschreibt. So gehört etwa das Bild des besonders hilflosen, passiven, dafür aber umso attraktiveren weiblichen Opfers genauso zum Repertoire des Darstellungskanons wie die Repräsentation eines strahlenden, weißen, heterosexuellen, muskulösen Helden, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Welt und ihre Bewohner*innen vor unsäglichem Unheil zu bewahren. In diesem Sinne scheint sich der Comic also nicht zwingend von anderen (massen-)medialen Formen zu unterscheiden, die im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit eine Tendenz zur Verallgemeinerung und zum Klischee aufweisen. Auch die Reaktionen auf die weltweiten Anti-Comic-Kampagnen der 1950er-Jahre und die damit einhergehende Selbstzensur vieler Comicverlage verweisen aus historischer Perspektive exemplarisch auf heteronormative und oftmals xenophobe Tendenzen der massenmedialen Comic-Kultur, die sich lange in der Demographie ihrer Produzent*innen widerspiegelten. Als populäres und oftmals marginalisiertes Medium ist der Comic jedoch nie in dieser Rolle als (reaktionärer) Stabilisator aufgegangen. Vielmehr verfügt das Medium über eine gesellschaftspolitische Dimension, die Comic-Schaffende seit jeher dazu veranlasst hat, Zwischenräume kreativ zu nutzen, um (gesellschaftliche) Normen zu hinterfragen und zu unterlaufen.
Comics sind bildliche und zugleich ‚sequenzielle Kunst’: Es handelt sich um ein visuelles Medium, welches sich genauso durch die statische Abfolge von Bildern wie durch die Leerstellen zwischen diesen Bildern definiert. Die sequenziellen Bilder des Comics folgen also nicht ‚nahtlos’ aufeinander, sondern sind durch eine Ansammlung von Lücken gleichzeitig voneinander getrennt und miteinander verbunden. Diese ‚Zwischenräume’ können als Verweis auf einen Ort des ‚Nicht-Gezeigten’ inszeniert oder interpretiert werden, welcher einer endgültigen, in sich geschlossenen ‚Wahrheit’ entsagt und die Möglichkeit alternativer Weltsichten eröffnet, die jenseits des gesellschaftlichen Status Quo angesiedelt sind. Gleichzeitig bezieht sich der Titelbegriff der geplanten Tagung ‚Zwischenräume’ aber auch auf die Hybridität und Uneindeutigkeit des Bild und Text kombinierenden Mediums Comic: Als ‚Zwischen-Medium’ stellt der Comic eine grenzüberschreitende Form dar, die sich gängigen, auf hierarchischen und hegemonialen Strukturen basierenden Klassifizierungen sowie Ausschlussmechanismen widersetzt und dabei das (produktive) Potenzial besitzt, als ‚natürlich’ geltende binäre Oppositionen – wie z.B. Subjekt/Objekt, Natur/Kultur, Mann/Frau, echt/unecht, gut/schlecht, normal/anormal, weiß/schwarz oder heterosexuell/homosexuell – ins Wanken zu bringen. Unter gewissen Umständen besitzt der Comic also das Potenzial, rigide Dichotomien aufzubrechen, und eröffnet somit einen Raum für die Darstellung von ‚Zwischentönen’ – von Brüchen, Differenzen und Vielfalt.
Im Rahmen der 13. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung wird diesem produktiven Potenzial des Mediums nachgegangen und es sollen somit verschiedene Formen der Zwischenräume und -töne im Comic, aber auch in seiner Produktion und Rezeption sichtbar gemacht werden. Im Vordergrund der sowohl international als auch interdisziplinären Tagungsbeiträge wird dabei die Frage stehen, wie Geschlecht, Identität und Diversität in der sequenziellen Kunst dargestellt und verhandelt werden. Indem queer-feministische und intersektionale Perspektiven sowie Ansätze der Disability Studies mit aktuellen Ansätzen der interdisziplinären Comicforschung verbunden werden, soll das diskursive Ineinandergreifen und Zusammenwirken gesellschaftlich konstruierter identitäts- und differenzstiftender Kategorien wie Geschlecht, Sexualität, Alter, Klasse, Nationalität, Dis/Ability, Religion oder Ethnizität in den Fokus der Veranstaltung rücken. Die 13. Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung soll so dazu beitragen, Ausschließungen, Machtstrukturen sowie (hetero-)normative Zuweisungen im Medium Comic aufzuspüren und ihre gesellschaftspolitische sowie mediale Form der (Re-)Produktion einer differenzierten Betrachtung sowie kritischen Analyse zu unterziehen.
Montag, 17. September 2018
10:30 Uhr
Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Comicforschung e.V. (ComFor)
12:00 Uhr Mittagspause
13:00 Uhr
Begrüßung und Einführung: Organisatorinnen | ComFor-Vorstand | Prorektorat für Gleichstellung und Diversität der Universität zu Köln
13:30 Uhr
Artistic Lecture
Philip Crawford (Berlin, GER): My Noose Around That Pretty’s Neck
Moderation: Barbara Margarethe Eggert
14:15 Uhr
Panel 1: Representations of Dis/Ability
Moderation: Anne Waldschmidt
15:45 Uhr Kaffeepause
16:15 Uhr
Panel 2: Graphic Medicine: Intersections of Comics, Health and Corporeality
Moderation: Christina Maria Koch
17:45 Uhr Kaffeepause
18:30 Uhr
Keynote 1
Tahneer Oksman (New York City, USA): An Art of Loss
Moderation: Véronique Sina
Dienstag, 18. September 2018
9:30 Uhr
Panel 3: Making Comics and Exhibiting their Physicality
Moderation: Christine Gundermann
11:00 Uhr Kaffeepause
11:30 Uhr
Panel 4: (Trans-)Cultural Identities
Moderation: Laura Schlichting
13:00 Uhr Mittagspause
14:45 Uhr
Panel 5: (De-)Constructing Race and Ethnicity
Moderation: Marie Schröer
16:15 Uhr Kaffeepause
16:45 Uhr
Panel 6: Superheroes Revisited: Intersections of Gender and Genre
Moderation: Stephan Packard
18:15 Uhr Kaffeepause
19:00 Uhr
Keynote
Carolyn Cocca (New York City, USA): Reproducing Inequality and Representing Diversity: The Politics of Gender in Superhero Comics
Moderation: Nina Heindl
9:00 Uhr
Panel 7: Structures of Power and Difference in Superhero Comics
Moderation: Lukas R.A. Wilde
10:30 Uhr
Kaffeepause
11:00 Uhr
Panel 8: Queering Comics
Moderation: Daniel Stein
12:30 Uhr Mittagspause
14:00 Uhr
Panel 9: Fluide Körper
Moderation: Ole Frahm
15:30 Uhr Kaffeepause
16:00 Uhr
Panel 10: Alternative Comics und Feminismus
Moderation: Dietrich Grünewald
17:30 Uhr
Abschlussdiskussion
Moderation: Nina Heindl | Véronique Sina
Konzeption: Christine Gundermann (Universität zu Köln | Historisches Institut), Nina Heindl (Universität zu Köln | a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne), Véronique Sina (Universität zu Köln | Institut für Medienkultur und Theater)
Tagungsorganisation: Nina Heindl (Universität zu Köln | a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne), Véronique Sina (Universität zu Köln | Institut für Medienkultur und Theater)
Ausstellungsorganisation: Christine Gundermann (Universität zu Köln | Historisches Institut)
Kontakt: comfortagung2018@gmail.com
Anmeldung: Für die Teilnahme an der Tagung bitten wir um vorherige Anmeldung bis zum 31. August 2018 per Mail an: comfortagung2018@gmail.com.
Weitere Informationen auf der Website der Gesellschaft für Comicforschung.