Ausstellungsbesprechungen

Venedig. Stadt der Künstler, Bucerius Kunst Forum Hamburg, bis 15. Januar 2017

Venedig, die Stadt im Meer mit ihrem besonderen Licht und ihrer prachtvoll inszenierten Architektur, hat seit der Renaissance für Kunstschaffende eine ganz besondere Anziehungskraft. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg zeigt aktuell mit »Venedig–Stadt der Künstler« vornehmlich malerische Positionen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Andrea Richter hat sich die Ausstellung angesehen.

Rote Wände, schwere goldene Rahmen, zentrierte Beleuchtung. Drei Stadtansichten Canalettos an der Wand gegenüber des Eingangs, empfangen den Besucher: »Markusplatz mit Dogenpalast« (1740-17-50), »Das Markusbecken, Blick nach Norden«, (um 1730) und »Ansicht des Markusbeckens in Venedig« (1735). Giovanni Antonio Canal, der als gelernter Bühnen- und Theatermaler wie kein anderer die Ikonografie Venedigs prägte, zeigt Venedig als Panorama, eine prachtvolle Inszenierung: Die Piazza San Marco, Zentrum der Macht im Venedig des 18. Jahrhunderts, wird zu seinem bevorzugten Motiv. Im angrenzenden Raum schließen sich Porträts venezianischer Würdenträger an: so auch das »Bildnis des Dogen Leonardo Loredan« (um 1465-1525/26), das Vittore Carpaccio zugeschrieben wird und »Der Doge Alvise Mocenigo« (1570-1577) von Jacopo Tintoretto.

Unter den 110 ausgestellten Leihgaben, Venedig-Bildern von 1500 bis heute aus 30 Museen, befinden sich jedoch nicht nur Veduten-Malerei und Dogenporträts. Kuratorin Inés Richter-Musso will verschiedenste künstlerische Perspektiven auf die Stadt zeigen. Der romantisch-verklärte, sehnsuchtsvolle Blick, mit den Bildschöpfungen des 19. Jahrhunderts untrennbar verbunden, dominiert jedoch die Auswahl der ausgestellten Arbeiten. William Turner, der 1819 auf den Spuren von Francis Bacon nach Venedig reiste, formulierte die Metapher von der »Vergänglichkeit und Schönheit« Venedigs. So hängen in der Hamburger Ausstellung Friedrich Nerlys »Die Markussäule im Mondlicht« (zwischen 1855 und 1860) und die »Piazetta in Venedig bei Mondschein« (1842) direkt nebeneinander, zwei von 40 Variationen desselben Motivs, das dieser in 30 Jahren malte, unweit davon »Venedig: San Marco und die Piazetta mit San Giorgio Maggiore, Nacht« (um 1840) von William Turner.

Kuratorin Richter-Musso hat bewusst auf eine strenge Chronologie verzichtet und sich für eine thematische Gruppierung entschieden. So finden sich im Cluster »Inszenierung und Parodie« eigens für die Ausstellung restaurierte Karikaturen von Giambattista Tiepolo neben Tuschezeichnungen von Francesco Guardi. Die Karikaturen Tiepolos, Rückenfiguren, deren Identität nicht eindeutig zu klären ist, zeichnen das Bild einer venezianischen Gesellschaft, deren Maskerade in den Augen des Künstlers nicht zuletzt dazu diente, persönliche Unzulänglichkeiten und Fehler zu kaschieren.

Auch Francesco Guardis Gesellschaftsstudien, wie »Hof des Ridotto bei San Moisé« (1768-1774), zeigen Gruppen von Menschen, die sich dem Amüsement hingeben und dabei als eher amorphe, gesichtslose Masse erscheinen. Das kritische Moment verbindet die Arbeiten der beiden Künstler. Mit dieser Betonung interpiktorialer Bezüge weist die Schau im Bucerius Kunst Forum über die vor acht Jahren in der Fondation Beyeler gezeigte erste Venedig-Ausstellung, deutlich hinaus. Diese setzte einen kunsthistorischen Schlusspunkt mit Monet. Richter-Musso hingegen bezieht die Moderne mit ein.

In »Licht und Farbe« hängt Wassily Kandinsky neben Gerhard Richter. »Schönheit und Verfall« zeigt nicht nur Malerei von William Turner und den Gondoliere von Friedrich Nerly, sondern auch den »Sozialkistentransporter« (1989) von Martin Kippenberger. Dessen spöttische Anmerkung zu venezianischer Kitsch-Romantik soll einen Kontrapunkt setzen, wirkt allerdings inmitten der sorgfältig gehängten Flachware etwas verloren.

In »Architektur und Fotografie« wiederum finden sich Daguerreotypien von John Ruskins, der in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts die vergängliche Schönheit vornehmlich gotischer Architektur auf fotografische Platten bannte, nur wenige Meter entfernt von den Architekturporträts Candida Höfers – menschenleere Architekturräume, als kritischer Kommentar zu den Touristenströmen, die die Stadt jeden Sommer fluten.

Diese Position wird nun zum recht abrupten Schlusspunkt einer Ausstellung, die den Anspruch hat, Gegenwartkunst mit einzubeziehen. Neuere Arbeiten, die sich auseinandersetzen mit dem fortschreitenden Verfall der Stadt, hervorgerufen durch Umweltverschmutzung, Profitgier, schlechtes Besuchermanagement und den steigenden Meeresspiegel, sind in Hamburg nicht zu sehen. Eine Fortführung des Projekts, die aktuellere Perspektiven auf die Stadt im Meer mitdenkt, wäre daher wünschenswert und würde der romantischen Verklärung, von der auch diese Ausstellung nicht frei ist, etwas entgegensetzen. Denn Venedig ist eben nicht nur ein Sehnsuchtsort für Künstler, sondern offensichtlich auch für Kunsthistoriker.

Parallel zur Ausstellung läuft eine Venedig-Filmreihe mit den üblichen, leicht angestaubten Verdächtigen: Käutner, Roeg, Visconti. Die Dokumentation »Peggy Guggenheim – Art Addict« ( Lisa I. Vreeland, 2014) erscheint hier als kleiner Lichtblick. Der Film basiert auf einem lange verschollen geglaubten Interview mit der leidenschaftlichen Sammlerin und exzentrischen Mäzenatin.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns