Ausstellungsbesprechungen

Werner Tübke: Das Monumentalwerk – Von der Skizze zur Vollendung, Panorama Museum, Bad Frankenhausen, bis 11. Oktober 2009

Alle reden von der Leipziger Schule, manche sogar deren Ende herbei – nachdem die Arno-Rauch-Nachfolge im Sandkasten ausgefochten wurde. Aber wie langlebig die Schule ist, zeigen deren Vorläuferinstitutionen. Rink und Gille haben die ursprüngliche Leipziger Schule durch die historischen Umbruchzeiten in die Gegenwart gerettet, ein Verdienst, das merkwürdigerweise immer etwas im Schatten blieb. Der eigentliche Gründervater der Leipziger Erfolgsgeschichte in Sachen Kunst ist jedoch Werner Tübke, ein nicht unumstrittener »Malerfürst« fast alter Schule. Er gehörte mit Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig zum harten Kern. Eine Retrospektive des 1929, also vor 80 Jahren geborenen (und 2004 gestorbenen) Malers würdigt ihn nun in Leipzig (bis 13. September 2009) und Berlin (30. September 2009 – 3. Januar 2010). Doch damit nicht genug – im Portal ist darüber berichtet worden –: Das Panorama-Museum in Bad Frankenhausen, das man leider oft links liegen lässt, macht mit einer Hintergrundschau zu Tübkes berühmten Monumentalwerk zur »Frühbürgerlichen Revolution in Deutschland« auf den Künstler und auf das eigene Haus aufmerksam.

In Leipzig präsentieren sich rund 90 (von insgesamt etwa 400) Gemälde mit religiösen und historischen, harlekinadischen und italianisierenden Motiven, in Bad Frankenhausen steht ein einziges Bild mit seinen Vorstufen und Skizzen im Mittelpunkt. Hier kommt – zum runden Geburtstag – ein weiteres Jubeljahr hinzu: Am 14. September jährt sich der Bau des Panorama Museums zum 20. Mal, weshalb am Samstag, den 12. September, eine Museumsnacht stattfinden wird. Das Datum muss man sich genau ansehen, weil es mit den letzten Tagen der DDR zusammenhängt. Die DDR-Oberen weihten das Museum noch ein, das jenes Panoramabild von über 1700 Quadratmetern Fläche (123m lang, 14,5m hoch) enthielt. Der Staatskünstler, Werner Tübke, hatte an dem Werk fast ein Dutzend Jahre lang gearbeitet. Rund 2500 Menschen sind über unzählige Anekdoten untereinander verwoben, die vordergründig den von Honecker & Co kultivierten Bauernaufstand um Thomas Müntzer umkreisen, aber schließlich nicht in allen Szenen auf Linie mit der Staatsführung waren. Die Frankenhausener Ausstellung zeigt die Entstehungsgeschichte des Bildes in Skizzen, Grafiken, technologischen Einrichtungen, Fotodokumente und Archivmaterial. Tübke führte Buch und Film über diese Zeit. Die künstlerische Vollendung und physische Erschöpfung hielt er im Film fest mit den Worten: »Elf Jahre Elend« (die Revolution war in Wirklichkeit immerhin eine blutige Angelegenheit).

Mit diesem Zitat beginnt Gerd Lindner seinen Beitrag zum Katalog, der zur Leipziger/Berliner Retrospektivausstellung erschienen ist – der Autor ist Direktor des Panorama Museums und befasst sich naheliegenderweise mit dem seiner Obhut anvertrauten Monumentalbild und mit seiner eigenen Schau, weshalb der Katalogband – so kritisch er auch im Hinblick auf die große Ausstellung bewertet wird wegen seiner allzu braven Sicht auf den Maler – eine wichtige Ergänzung zur Präsentation im Panorama Museum ist. Vielleicht hätte es dem Buch insgesamt gut angestanden, die Rolle der Staatskunst mehr hervorzuheben, in Bad Frankenhausen ist die jüngste deutsche Geschichte präsent genug.

Originell wäre es auch gewesen, im Fall des Panorama-Bildes die konstatierte Beispiellosigkeit »in der neueren Kunstgeschichte« (Lindner) einmal zu unterlaufen und die Monumentalarbeit mit dem fast genau gleichgroßen (!) Panoramawerk von Hendrik Willem Mesdag in Den Haag / Scheveningen oder Grützkes – sehr viel kleinerem, aber doch noch 33 m langem – Rundbild in der Paulskirche in eine Bildtradition zu stellen, ergänzt um Massenszenerien wie die – freilich fast schon kleine – »Alexanderschlacht« von Albrecht Altdorfer und um groß angelegte, räumlich inszenierte Zyklen wie Claude Monets Seerosenbilder (»Les Nymphéas«) in der Orangerie im Jardin des Tuileries oder Cy Twomblys »Lepanto« in der Münchner Sammlung Brandhorst.

# Page Separator #

 Zugegeben: In diesem monografischen Kontext wäre dies fast abwegig – es wird jedoch allein in der Markierung des Feldes deutlich, dass wir Tübke nicht nur als politisch belasteten Künstler wahrnehmen (oder ihn kommentarlos sich selbst überlassen) sollten oder auch nur können. Es knüpfen sich daran auch spannende Fragen: Wie ist es um den Realismus bestellt (vgl. Mesdag)? Wie ist das staatliche Selbstverständnis (vgl. Grützke)? Wie stehen der realistische und der abstrakte Umgang mit der Geschichte zueinander (vgl. Twombly)?

Doch zurück zu Katalog und Ausstellung. Noch ein Plus des Buches – das bei aller Einschränkung den besten Überblick über das Schaffen Werner Tübkes gewährt – ist für den Besucher in Bad Frankenhausen, dass wichtige Schlüsselwerke abgebildet sind, die nur in Leipzig bzw. Berlin ausgestellt sind wie der »Schlachtberg 1525« oder die »Vorfassung mit Kogge«, letzteres sogar aus Privatbesitz. Eine Ahnung bekommt man beim Blättern des Bandes auch davon, dass die Entstehung von Tübkes kolossalem Panorama-Bild zwar über ein Jahrzehnt umfasst, dass Tübke selbst jedoch auch darüber hinaus ein selten gewordenes Interesse an der Historie an den Tag legte, das im Westen nur wenige Pendants kennt, zumal im figurativen Bereich, und dass er auch während der Arbeit am Panorama-Bild immer noch 1000 weitere Werke schuf, die oftmals privaten Inhalts sind (Porträts usw.). Freilich war er nicht auf sich allein gestellt. Im Panorama Museum kann man der Einbindung einiger Werkstattmitarbeiter, allen voran Eberhard Lenk, nachspüren, die Tübkes »Modell«-Bild maßstabgetreu ins Großbild mitübertrugen. Eine solche Detailsicht kann man in Leipzig naturgemäß nicht leisten. Im Rückbezug gewinnt das Frankenhausener Monumentalbild damit auch einen enthistorisierten Zug, der eben auch zeigt, dass Werner Tübke nicht der Hardliner war, den viele in ihm sehen. »Es war, im Gegensatz zu meiner sonstigen kunstgeschichtlichen Arbeit, nie wissenschaftliche Arbeit im eigentlichen Sinn«, schrieb Tübke, »vielmehr träumte ich mich durch die Texte durch, nahm vieles nur ins Kurzzeitgedächtnis, zeichnete Figurengruppen, vergaß streckenweise völlig das Ziel. Fragmente fanden später an geeigneter Stelle ihren Platz«

Die Textbeiträge des Leipziger Katalogs, die einiges zur Ehrenrettung des Malers beitragen, sind auch für die Ausstellung in Bad Frankenhausen hilfreich. Die Autoren seien neben Gerd Lindner deshalb aufgeführt: Günter Meissner befasst sich mit den berühmt gewordenen »Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze«, Annika Michalski kümmert sich um existenzielle Seite der närrischen Figur, Eduard Beaucamp schreibt über die Mysterien des Schmerzes, Jürgen Lenssen folgt den religiösen Bildspuren bei Tübke, Eckhart Gillen fragt nach der postmodernen Seite des Ex-DDR-Künstlers, Brigitte Tübke-Schellenberger ergänzt die Beiträge um persönliche Erinnerungen, Hans-Hendrik Grimmling, Ulrich Hachulla, Erich Kissing, Rainer Schade, Dietrich Wenzel (der auch Mitarbeiter am Projekt Panoramagemälde war), Baldwin Zettl und Doris Ziegler betrachten Tübke als Lehrer und Kultfigur. Zu bedauern bleibt allerdings, dass eine Diskussion um das SED-treue Werk »Arbeiterklasse und Intelligenz« fehlt, grade auch im Hinblick auf das Frankenhausener Auftragswerk, weil dabei die Nuancen im Umgang mit diktatorial gesteuerter Kunst deutlicher herausgearbeitet werden könnten. Das lässt sich aber nachholen, wenn dieses Bild aus dem Depot des Leipziger Bildermuseums demnächst seinen Platz an der dortigen Universität wieder erhält.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns