Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen widmet sich in diesen Tagen dem Werk des Künstlerpaares Arp, dessen Abstraktionen die Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten. Ihre Werke im Dialog zu zeigen ist daher nur folgerichtig. Marco Hompes hat eine höchst sehenswerte Schau entdeckt.
»ZweiKlang«, so nennt die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen ihre aktuelle Sonderausstellung mit Werken von Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp. Dieser Titel, der übrigens einem Text von Hans Arp entnommen wurde, ist wunderbar gewählt. Denn es sind durchaus zwei Klänge, zwei unterschiedliche Handschriften, die hier präsentiert werden, die mitunter aber doch wunderbare Symbiosen eingehen. Man kann Harmonien und Dissonanzen, Zusammenarbeit und Alleingänge entdecken. Das gilt übrigens nicht nur für die künstlerische Arbeit, sondern auch für das Zusammenleben der beiden Künstler. Glücklicherweise konzentriert sich die Ausstellung in Bietigheim-Bissingen nicht auf die gemeinsame Biografie. Diese wird in der hintersten Ecke des ersten Ausstellungsraums abgehandelt, sodass sich der Besucher in der Hauptsache ganz der künstlerischen Produktion der Arps widmen kann. Dabei ist die Schau nicht streng chronologisch konzipiert, sondern in einzelne Themenbereiche gegliedert, die jeweils einen Aspekt der Arbeiten beleuchten.
Wie gut das funktioniert, das beweist bereits der erste Komplex der »Abstrahierenden Figuration«. Einsteigend mit einer Zeichnung dreier Akte von Hans Arp aus dem Jahr 1907 wird der Blick dafür geschärft, dass der Künstler sich bis in sein Spätwerk hinein immer wieder mit der menschlichen Figur beschäftigte. Diese Lesart wird nicht nur durch die oftmals schlank nach oben strebende Form seiner Skulpturen und die zumeist rundlich gehaltenen Kompositionen begünstigt, sondern von Arp auch durch die Titel nahegelegt. »Blatt-Torso« heißt beispielsweise eine Bronzearbeit, die entfernt an eine weibliche Silhouette mit überdimensioniertem, oval geformtem Kopf erinnert. Gleiches gilt für seine »Drei Grazien« von 1961, der eine kompositorisch äußerst ähnliche Arbeit von Sophie Taeuber-Arp gegenübergestellt wird. Sie nannte ihr Werk allerdings lediglich »Staffelung«. Bei ihr blieb die Auseinandersetzung mit figürlichen Motiven zwar auf die späten 1910er und die 1920er Jahre beschränkt. Aber schon in diesen Jahren ist ihr Anspruch bereits ein universeller. Das wird in der Städtischen Galerie schnell deutlich, wenn Aquarelle der Künstlerin auf Gouachen, Stick- und Webarbeiten treffen. Die Präsentation von angewandter Kunst zeugt nicht nur von ihrer Ausbildung an Kunstgewerbeschulen in München und Hamburg und ihrer fast 15-jährigen Tätigkeit an der Zürcher Kunstgewerbeschule als Lehrerin für textiles Entwerfen. Das gleichwertige Nebeneinander der Techniken macht auch deutlich, dass sie auf Basis einer abstrakten Formfindung keine Unterscheidung zwischen freier und angewandter Kunst mehr machte und auch nicht mehr machen musste. War eine Form erst gefunden, konnte sie in ein Kissen oder in ein Gemälde umgesetzt werden.
In einem zweiten Ausstellungsbereich wird der Unterschied der künstlerischen Praktiken der Eheleute auf den Punkt gebracht: »Konstellation und Komposition«. Hans Arp verstand die meist organischen Elemente seiner Werke, vor allem das immer wiederkehrende bewegte Oval, als flexible Versatzstücke. Darin zeigt sich vielleicht auch ein verbindendes Element zwischen seiner Dichtung und der bildenden Kunst. Das dichterische Gestaltungsprinzip der Konstellation, womit in diesem Fall ein Zusammenbringen und Austarieren bereits vorhandener Teile gemeint ist, übertrug er kurzerhand auf seine Skulpturen, Wandteppiche, Reliefs und Gemälde. Sophie Taeuber-Arp suchte in ihrer Kunst hingegen stärker nach autonomen Kompositionen, bei denen die Grundstruktur oftmals mathematisch exakt, beinahe nüchtern scheint. Bezeichnend hierfür ist die Arbeit »Konstruktion eines schwarzen Kreises und dunkelrote, rote und blaue Segmente«. Taeuber-Arp begann, vermutlich mit Hilfe eines Zirkels, von einem Kreis aus konzentrische, nach außen strebende und einander überschneidende Kreise zu ziehen. Erst durch den klugen Einsatz von Farbe mit der sie partiell einzelne Bereiche ausfüllte, entstand eine dynamische und klangvolle Arbeit. Diese Kombination aus rationalen Strukturen und Farbklängen erklärt vielleicht, dass sich die Künstlerin auch mit Architektur beschäftigte. Ein recht kleiner Bereich der Werkschau erinnert an die künstlerische Ausgestaltung eines ehemaligen Militärgebäudes am Place Kléber in Straßburg, der bekannten »Aubette«: Der klare, an den Grundsätzen des Neuen Bauen orientiere Aufbau der Räume, für die sie auch modulare Systemmöbel entwarf, wird durch rechteckige monochrome oder mit einem Raster aus farbigen Quadraten ausgefüllte Wandflächen aufgelockert. Neben der »Aubette« sollen auch die Entwürfe für das gemeinsame Wohnhaus in Meudon von der Künstlerin stammen.
Neben den starken Unterschieden zwischen den beiden Künstlern werden in der Ausstellung auch immer wieder die Gemeinsamkeiten betont. Oft sind ähnliche Bildideen nebeneinander präsentiert. Interessant ist hierbei, dass die ausdrucksstärkeren und technisch perfekteren in der Regel von Sophie Taeuber-Arp stammen. Bezeichnend für dieses Miteinander ist zudem eine »Ehe-Plastik« von 1937. Hierbei handelt es sich um eine geschwungene und immer wieder mit scharfen Kanten eingeschnittene Holzarbeit. Wer welchen Teil bearbeitet hat, darüber kann man nur spekulieren. Auch über die Autorschaft bei gemeinschaftlichen Papierarbeiten mit Sonia Delaunay und Alberto Magnelli kann gerätselt werden. Die enge Zusammenarbeit lässt einige Fragen aufkommen: Hat die Künstlerin vielleicht auch bei den Tapisserien Hans Arps ihre Finger im Spiel gehabt? Wie weit konnte er bei ihren Innenraumausgestaltungen mitwirken, und wie viele Arbeiten Hans Arps stammen eigentlich von seiner Ehefrau? Diese starb nämlich 1943 durch eine Kohlenmonoxydvergiftung im Haus ihres Freundes Max Bill. Als kreativen Umgang mit der Trauer nahm Arp gemeinsame Arbeiten als Basis für neue und schuf »Ré-Créations«. Die Grenzen der Urheberschaft scheinen sich hierbei zu verwischen. Neben der Verarbeitung durch Bilder schrieb der Witwer viele Texte über seine verstorbene Frau, was mitunter zu einem verklärenden Bild der Künstlerin führte und ihre Rezeption nachhaltig, teilweise negativ beeinflusste.
Mit »ZweiKlang« gelang den Ausstellungsmacherinnen eine bewundernswert leichte und gleichzeitig höchst informative Ausstellung, der es gelingt, beiden Positionen die gleiche, wertfreie Aufmerksamkeit teilwerden zu lassen. Zu einem Besuch in dem kleinen Fachwerkstädtchen Bietigheim-Bissingen wird daher dringend geraten.