Buchrezensionen

Gerd-Helge Vogel (Hrsg.): Pflanzen, Blüten, Früchte. Botanische Illustrationen in Kunst und Wissenschaft, Lukas Verlag 2014

Pflanzendarstellungen in der Kunst haben eine lange Geschichte; ob als dekoratives Ornament oder detailgetreue wissenschaftliche Abbildung – Grünzeug scheint ein Dauerbrenner zu sein. Grund genug, sich also einmal eingehender mit dem Dialog von Wissenschaft und Kunst in Sachen Pflanzen zu beschäftigen. Stefanie Handke hat das getan.

Anlässlich der Ausstellung »Bildergarten. Von der Naturillustration zum Design« erschien der Aufsatzband, kann aber sehr wohl alleine stehen, bietet er doch im Grunde genommen eine Geschichte der Pflanzendarstellung vom Mittelalter bis zur Gegenwart und gleichzeitig noch einen Einblick in die Werkstatt der Designer und Illustratoren, die sich in der heimischen und exotischen Flora bedienen.

So macht denn auch der Herausgeber den Anfang mit einem umfangreichen Überblick botanischer Darstellungen, der die Zeit vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert (genauer gesagt: bis zum Biedermeier) umfasst. Gerd-Helge Vogel leistet sich gar einen kleinen Exkurs in die Vorzeit und zieht dafür ägyptische Reliefs und spätantike Handschriften heran, um sodann – wie sollte es anders sein – die mittelalterlichen Prachthandschriften ebenso wie die prächtigen Gemälde Jan van Eycks heran. Man staunt angesichts der wirklichkeitsgetreuen Darstellung von Pflanzen, wenn man die zumeist religiösen Sujets nun einmal unter dem Gesichtspunkt der botanischen Darstellung betrachtet. Sodann widmet sich der Autor der seiner Meinung nach die »goldene Zeit der Blumenmalerei vom 16. bis 18. Jahrhundert« und wirft dabei einen Blick auf vor allem auf niederländische Pflanzendarstellungen vom Stillleben bis zur Landschaftsmalerei, die durch das Streben nach Erkenntnis geprägt waren und daher nicht nur dekorative Elemente, sondern auch durchaus ernst zu nehmende botanische Darstellungen und die Blumenmalerei eine eigene Kunst. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert ging aber der Trend vermehrt zu einer ästhetisierenden, auf die dekorativen Elemente der Pflanzen, insbesondere in Stillleben. Davon legen Blumenstilleben von Jaques Linard oder Jean-Baptiste Siméon Chardin ab ebenso wie Joseph von Pichlers »Blumenstück« (vor 1778). Noch trivialer geht es sodann im Biedermeier zu, als die Porzellanmalerei einen reichen Fundus an mit pflanzlichen Elementen verzierten Porzellanen hervorbringt und Pflanzenmaler in Porzellanmanufakturen ihre technischen Fähigkeiten ausbauen. Mit der Ankunft an der Wende zum 20. Jahrhundert ist daher das Motto vorgegeben: die dekorative Pflanze.

Genauso verhält es sich mit dem Untersuchungsobjekt der Autoren Bernadette Walter und Otto Schäfer: Philippe Robert. Der schweizer Künstler ist bekannt für seine Illustrationen u.a. zum Reiseführer »La Florine Alpine«, dessen Vergleich mit einem Vorgängerwerk »Flore coloriée« zeigt, worauf es Robert ankam: eine künstlerische Darstellung, die Anregungen für Kunsthandwerker und Designer gab. Die fand er nämlich auch selbst und entwarf er auch selbst Vasen und Fliesen oder schuf Wandgemälde und zeigte sich ganz im Sinne des Jugendstil interessiert an den Formen und Farbverhältnissen von Blättern, Ranken und Pflanzen. Hier scheint gleichsam ein Endpunkt der im vorherigen Essay beschriebenen Entwicklungen hin zur Pflanze als reinem dekorativen Element erreicht zu sein.

Aber es geht noch dekorativer: Unter der Prämisse, dass Pflanzen uns allerorten umgeben, wenden sich gleich mehrere Autoren Pflanzen an auf und in der Kleidung zu. So untersucht Anna-Brigitte Schlittler zwei besondere Formen der Pflanzlichkeit an Kleidung: die sogenannte boutonniére und »Pflanzenhüllen«. Während erstere die kleine Ansteckblume am Revers oder im Knopfloch meint, also Ausdruck höchster Kultiviertheit ist, verweist Schlittler mit den Pflanzenhüllen wie sie etwa die »Silvesterkläuse« im Kanton Appenzell-Außerrhoden tragen auf eine Ursprünglichkeit und Wildheit, die die Pflanze hier verkörpert. Gerade bei diesen Pflanzenhüllen wird im 20. Jahrhundert auch die Symbiose von Mensch und Pflanze zum Thema, die ihren bisherigen Höhepunkt im Critical Design und Experimenten mit Pflanzen bei Teresa Murak oder Laerke Thorst Balslev findet. Da scheinen die Textilmuster, denen sich Anna Moor unter dem Motto »Flora Exotica« widmet, fast schon altbacken. Aber sind Blumenmuster wirklich alten Damen vorbehalten? Mitnichten, denn Moor zeigt auf, dass sich Pflanzenmuster nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen und »exotisch« hier nicht nur Blumen aus fernen Ländern meint, sondern auch die Muster, die im kreativen Prozess aus den natürlichen Vorlagen entstehen.

Überhaupt schlagen die Essays einen Bogen von den historischen Voraussetzungen hin zur Praxis; so auch Nikolaus Heeb und Jasmin Baumann, die in ihren Beiträgen einen Einblick in die Praxis der botanischen Illustration geben. Die ist nämlich keinesfalls frei von Idealisierungen und künstlerischen Techniken wie man vielleicht meinen könnte, sondern nutzt diese ebenso für ihre Darstellung wie computergestützte Modelle, arbeiten mit Perspektiven und Bildkomposition, mit Lichteinfall und und und. So weit entfernt vom Anspruch Philippe Roberts, Vorlagen für Kunsthandwerker zu liefern, scheint die Arbeit der wissenschaftlichen Illustratoren wohl gar nicht zu sein, denkt sich da der Leser.

Den kunst- und kulturhistorischen Kreis schließen die letzten beiden Aufsätze, die sich der amerikanischen Kunst und der Rolle der Pflanzen in ihr widmen. Sie stellen noch einmal den Einfluss der umgebenden Pflanzenwelt auf kulturelle und künstlerische Traditionen in den Mittelpunkt; seien das die bunten Gewebe südamerikanischer Völker oder aber der Vorliebe für die prächtige und exotische Pflanzenwelt der Region, die sich in der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts etwa bei Martin Johnson Heade zeigte, wenn die abgebildeten Menschen eher Staffage waren und Bäume, Blumen oder Kakteen im Mittelpunkt der Landschaftsdarstellungen standen. In der nordamerikanischen Maltradition scheinen botanische Elemente dabei ähnlich verwendet worden zu sein wie in Europa: sie finden sich als Beigabe auf Porträts und als Bildelement in Stillleben, während die Hudson River School die Schönheit und Wildheit der amerikanischen Landschaften thematisierte und die Entwicklung der Pflanzendarstellungen in der amerikanischen Kunst ebenso wie in Europa gesellschaftliche Entwicklungen spiegelt.

Der Band schafft es so, einen guten Überblick über die Entwicklung der Pflanzendarstellung und dem kreativen Umgang mit heimischer wie fremder Flora zu liefern. Besonders besticht dabei die Verbindung von kunst- und kulturhistorischer Betrachtung (Vogel, Walter/Schäfer, Ganzarolli de Oliviera) mit regelrechten Werkstattberichten (Heeb, Baumann).

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