Ausstellungsbesprechungen

Himmelslicht und weite Erde. Meisterwerke auf dem Weg zur Freilichtmalerei in den Künstlerkolonien Ahrenshoop und Schwaan, Kulturhistorisches Museum, Rostock, bis 9. September 2012

Eine interessante und gut bestückte Ausstellung mit 80 hochwertigen Gemälden und 30 Grafiken bietet das Kulturhistorische Museum Rostock in diesem Sommer an. Wer Freude an realistischer oder impressionistischer Freilichtmalerei besitzt, kann in dem mittelalterlichen Gebäude des kleinen Museums einer ganzen Anzahl von Meisterwerken begegnen. Stefan Diebitz hat trotz der umständlichen Bahnreise sein Kommen nicht bereut.

Schon weil es in einem alten Zisterzienserkloster untergebracht ist, erinnert das Kulturhistorische Museum der Stadt Rostock an das St. Annen-Museum in Lübeck, das allerdings von den Augustinerinnen bewohnt war. In beiden gotischen Gebäuden finden sich schöne Kreuzgänge, und in der Mitte liegt ein Innenhof mit einigen Sandsteinfiguren. Dem Rostocker Museum fehlt zwar die Kunst der Gegenwart, die in Lübeck neben dem Mittelalter eine wichtige Rolle spielt, aber dafür liegt es noch ein wenig zentraler, nämlich fast unmittelbar neben dem Universitätsplatz mit dem prachtvoll restaurierten Hauptgebäude der Universität und der Kröpeliner Straße mit ihren alten Bürgerhäusern. Einen Besuch ist es schon wegen seiner Architektur wert, aber in diesem Sommer kommt noch eine sehr sehenswerte Sonderausstellung über zwei Mecklenburger Künstlerkolonien hinzu.

Künstlerkolonien waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine verbreitete Erscheinung in ganz Europa. Auf der Suche nach neuen Motiven verließen Maler die Städte und fanden Orte wie das niedersächsische Worpswede, das norwegische Åsgårdstrand, St. Ives in England oder Nida mit seinen braunroten Holzhäusern auf der Kurischen Nehrung. An der Mecklenburger Ostseeküste war es der Oldenburger Paul Müller-Kaempff, der Ahrenshoop auf der Halbinsel Darß entdeckte, heute eine blühende Touristenregion, damals aber eher ein Armenhaus, dessen Elend Wilhelm Raabe in seinem »Hungerpastor« schilderte.

Müller-Kaempff malte die Landschaft in einer sehr realistischen, leicht idyllischen und ziemlich unspektakulären Weise. Katrin Arrieta, die Kuratorin der Ausstellung, fühlte sich an Wunschbilder erinnert, aber es sind in jedem Fall realistische, sich am prallen Leben orientierende Bilder: die Stimmung an der Ostseeküste, die Atmosphäre ihrer mit Strandhafer bewachsenen Dünen, der windgebeugten Bäume und der niedrigen Bauernkaten ist perfekt eingefangen, und man glaubt gerne, dass der Maler mit diesen Gemälden großen Erfolg hatte.

Etwas weiter von der Küste weg sammelte Franz Bunke in dem im Süden Rostocks gelegenen Städtchen Schwaan Schüler und Kollegen um sich. Beide Künstlerkolonien besaßen außer einem gemeinsamen Interesse an der Landschaftsmalerei noch einen sehr ähnlichen Hintergrund, etwa Beziehungen zur Weimarer Malerschule, zur Berliner Akademie und später auch zur Berliner Sezession, deren Gründung auch von den Kolonien angeregt wurde.

Das Motto dieser Ausstellung könnte »Vielfalt in der Einheit« lauten, denn es finden sich realistische, impressionistische und endlich sogar expressionistische Werke. Fast durchweg sind es natürlich Landschaftsbilder, für die sehr oft – neben der im Titel angesprochenen Weite – das Licht den entscheidenden Moment darstellt. Manche Gemälde sehen fast aus, als seien sie transparent und stünden vor einer Lichtquelle – sie scheinen von allein zu leuchten! Besonders eindrucksvoll ist hier »Winterlandschaft mit Eisläufern« (1890) von Carl Malchin, wo es dem Maler gelungen ist, den Schimmer der untergehenden Sonne auf dem Eis des zugefrorenen Sees einzufangen. Auch eine Gewitterstimmung desselben Malers – dunkle Wolkenwand, aber von irgendwo bricht der Sonnenschein durch – ist eine Feier des Lichtes.

Eigentlich ist keiner der ausgestellten Maler wirklich berühmt geworden, aber zur zweiten Garde gehörten diese Künstler nun wirklich nicht, und es ist durchaus angemessen, wie die Kuratorin Katrin Arrieta von »Meisterwerken« zu sprechen. Manche Bilder, etwa die Arbeiten Carl Malchins, wirken gelegentlich altmeisterlich-niederländisch und erinnern an Feinmalerei, andere weisen in ihrer originellen Motivik oder in ihrer expressiven Farbgebung schon weit in das 20. Jahrhundert hinein.

Für die Verbindung zum Impressionismus sorgte vor allem Elisabeth von Eicken, die sich ab 1894 in Ahrenshoop aufhielt, nachdem sie zuvor einige Jahre in Frankreich gelebt, studiert und gearbeitet hatte, wovon eine »Ansicht von Moret-sur-Loing« zeugt, die sie als erst Zwanzigjährige anfertigte. Aus der Künstlerkolonie in Barbizon, so Gerburg Forster in ihrem Katalogbeitrag, brachte sie nicht allein eine »maltechnisch solide Ausbildung«, sondern »auch die notwendige Freiheit des Sehens« mit. Ihre Bilder gehören zu den Entdeckungen, die man in Rostock machen kann. Mir gefiel besonderes »Waldinneres«, das einen Bruchwald mit seinen Birkenstämmchen, dem feuchten Boden und den dunkelbraunen Pflanzen im Hintergrund zeigt.

Rudolf Bartels gehört nach Schwaan, einem kleinen Ort südwestlich von Rostock, in dem heute ein kleines Museum, die Kunstmühle, an die Künstlerkolonie erinnert. Zwei seiner einzigartigen Laternengemälde bilden den spektakulären Abschluss der Ausstellung. Es sind sehr dunkle Bilder, auf denen sich die prachtvoll in Rot, Grün und Gelb glühenden Laternen um so wirkungsvoller abheben. Von diesen Laternenbildern, die der Künstler offenbar über Jahre hinweg schuf, existieren mindestens sieben Exemplare, und das letzte von 1912 scheint schon fast zur Abstraktion hinüberzuweisen. Von den Kindern werden nur die Rückenpartien gezeigt, und so haben sie sich, gemalt in einem intensiven nächtlichen Blau, in Kegel verwandelt, zwischen denen die ganz runden Laternen wirkungsvoll aufscheinen.

Es ist etwas schade, dass das Museum beim Katalog offenbar sparen musste. Im Grunde stellt er bloß eine dicke Broschüre dar, und das haben weder die informativen Beiträge noch die schönen Bilder verdient. Die großartige Ausstellung ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

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