Bis Sonntag lädt das Wiener Belvedere seine Besucher noch zu einem preisgünstigen Trip in den Orient ein. Rowena Fuß war vor Ort und hat das Feingefühl der österreichischen Künstler im Umgang mit dem südlichen Licht und neuen Bildformaten bestaunt.
Wie eine Reise vom Abend- ins Morgenland ist die Ausstellung im Unteren Belvedere aufgebaut. Zuerst geht es durch erdfarbene Räume in die Weite der ungarischen Puszta, gefolgt von arkadischen dalmatinischen und griechischen Küstenlandschaften. Über den Bosporus und hektische Istanbuler Basare schweift der Blick nun über die Mauern von Jericho hin zu alten ägyptischen Ruinen im Sand. Zur Ruhe kommt er schließlich in einem meergrünen Raum mit einigen Unterwasserbildern, die vor der Küste Sri Lankas entstanden. Insgesamt gibt es 116 Werke von 37 Künstlern aus dem Zeitraum 1829 bis 1910 zu erforschen — inklusive einer Taucherglocke.
Durch die etappenweise vollzogene Orientreise ist es möglich, die unterschiedlichen Landschaftsmalereien zu vergleichen. Auch international. Malten etwa Engländer und Franzosen mit Vorliebe Haremsszenen, voyeuristische Blicke in türkische Bäder oder Bilder der Eroberung, so gaben die österreichischen Kollegen einen geradezu dokumentarischen, realistischen — später auch stimmungsvollen — Blick auf Landschaft und Leute wieder.
Zu zentralen Bestandteilen der Bildsprache werden dabei die malerische Umsetzung des sich wandelnden Sonnenlichts und die Veranschaulichung brennender Hitze. Ein Beispiel ist Charles Wilda: Er hielt ein paar Wäscherinnen am Nil bei ihrer Tätigkeit in den frühen Morgenstunden fest. Beeindruckend ist seine Lichtregie: Ein sehr schwacher gelblicher Sonnenschein, der seine Quelle jenseits der linken hinteren Bildhälfte hat, beleuchtet primär einige Häuser im Hintergrund, die leicht erhöht am Flussufer thronen. Der zarte Schimmer folgt dann der gekrümmten Linie des Gewässerrands, wobei er die Frauen in der rechten vorderen Bildhälfte jedoch noch nicht erreicht. Umso stärker leuchten deswegen ihre Kleider in kräftigen Rot- und Blautönen; hier, wo das gleißende Himmelslicht noch nicht alle Farben verschlungen hat.
Eine neue Herangehensweise an die Malerei spiegelt auch der Einsatz neuer Bildformate wider, etwa in den gestaucht wirkenden Landschaftsansichten von Otto von Thoren und Josef Selleny oder den Genreschilderungen August von Pettenkofens. In einer dieser postkartengroßen Marktszenen sitzen orientalische Händler im Schatten unzähliger blauer Schirme, während der Sandboden um sie herum zu dampfen scheint.
Die Ansicht indischer Sümpfe bei Julius von Blaas d. Ä. oder eine Impression des ungarischen Plattensees Theodor von Hörmanns weisen zudem auf die gezielte Beschäftigung mit optischen Phänomenen hin. Nahezu entmaterialisiert wirkt der Boden bei von Hörmann durch die Spiegelung des Himmels im Wasser.
Was den österreichischen Malern fern liegt, ist die Darstellung von Eroberungen und eine gewisse Kolonialherrlichkeit. Leopold Carl Müller gibt den Beduinen auf seinem Kamel wirklichkeitsgetreu wieder und auch bei der Schilderung eines Marktgeschehens in Kairo legt er den Fokus auf Händler, die mit ihren Kunden feilschen. Man könnte von Urlaubsaufnahmen in Öl reden. Nirgendwo finden sich auch im Griechenlandabteil Hinweise darauf, dass 1821 bis 1830 der griechische Befreiungskampf gegen die osmanische Herrschaft wütete.
Stattdessen ruft »Sachmetstatuen im Mut-Tempel zu Karnak« von Carl Rudolf Huber Reminiszenzen an eine längst vergangene Welt hervor. Der Tempel wurde 1840 größenteils abgerissen. Zwischen 1880 und 1890 entstanden, zeigt Hubers Bild schroff aus den Sandhügeln herausragende schwarze Statuen — längst verweht vom Sand der Zeit.
Eugen von Ransonnet-Villez öffnet 1864 schließlich den Blick in die Tiefsee. Ganz bewusst setzt er dabei einen Totenkopf vor das abgebildete Riff und macht es zu einem Stillleben. Direkt daneben steht ein Nachbau seiner Taucherglocke, in der er auf wasserfestem Spezialpapier seine Skizzen anfertigen konnte. Alles in allem ein Tauchgang, der sich lohnt!