VALIE EXPORTs (*1940) multidisziplinäres Werk entzieht sich jeglichen Zu- und Festschreibungen und durchbricht mediale Grenzen und Genres. Die aktuelle Ausstellung in C/O Berlin würdigt das vielschichtige Schaffen der international einfluss-reichsten Medien- und Performancekünstler:innen des 20. Jahrhunderts. Sie verdeutlichen die vielseitige Entwicklung einer Künstlerin, deren Arbeiten bis heute aktuell sind und vielfach wichtige Referenz für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen wurden. Der in Berlin lebende Kunstkritiker Sebastian C. Strenger hat sich einen ersten Eindruck gemacht und war begeistert.
VALIE EXPORT (*1940) hat mit ihrer medienreflexiven Praxis und ihrer kritischen feministischen Perspektive unerschrocken gesellschaftliche Normen und Rollenbilder herausgefordert. Die Retrospektive gewährt einen umfassenden Einblick in das künstlerische Wirken von VALIE EXPORT und präsentiert Werke, die zwischen 1966 und 2009 entstanden sind. Durch ihre aufsehenerregenden Aktionen im öffentlichen Raum in den späten 1960er Jahren erlangte die mittlerweile als Ikone der feministischen Kunst gefeierte Filmemacherin, Performance- und Medienkünstlerin Bekanntheit. Die Ausstellung spannt den Bogen von den provokanten Expanded-Cinema-Aktionen über symbolträchtige Performances und analytische Konzeptfotos bis hin zu multimedialen Installationen und urbanen Interventionen. Sie verdeutlichen die vielseitige Entwicklung einer Künstlerin, deren Arbeiten bis heute aktuell sind und vielfach wichtige Referenz für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen wurden.
Die Ausstellung zeigt viele von EXPORTs bahnbrechenden Arbeiten, wie etwa das "TAPP und TASTKINO" (1968), eine frühe Expanded-Cinema-Aktion, bei der die Künstlerin eine als „Kinosaal“ dienende Box vor ihren nackten Oberkörper schnallt und Passant:innen einlädt, für eine exakt definierte Zeitdauer ihre Brust zu berühren, wodurch der voyeuristische Blick auf den weiblichen Körper hinterfragt wird. Zu sehen ist auch die legendäre Aktion "Aus der Mappe der Hundigkeit" (1968), bei der EXPORT ihren damaligen Partner Peter Weibel wie einen Hund an einer Leine durch das Zentrum von Wien führt, um traditionelle Geschlechterverhältnisse zu hinterfragen und menschliches Verhalten mittels Tiervergleich zu untersuchen.
VALIE EXPORTs multidisziplinäres Werk umfasst neben dem eigenen Körper auch Fotografien, Zeichnungen, Videos und Installation. Ein Schwerpunkt der Berliner Ausstellung liegt auf der Relevanz der Fotografie im Schaffen der Künstlerin. Ob zu dokumentarischen Zwecken, als Experiment oder als eigenständiges Werk, spielt diese eine zentrale Rolle. EXPORT formuliert ihre Analyse von Massenmedien und Abbildungsprozessen ausdrücklich als feministische Kritik, um die Rolle der Frau, ihre gesellschaftliche Marginalisierung und die Repräsentation des weiblichen Körpers in einer patriarchalen Gesellschaft zu untersuchen. Es ist eine sehenswerte Ausstellung, bei der jedoch das kuratorische Konzept die besondere über viele Jahre bestehende Verbindung der Künstlerin zu den Teilen Ost- und West-Berlins für ihr filmisches Schaffen weitgehend ausspart.
VALIE EXPORT (*1940, Österreich) zählt zu den führenden Pionier:innen der internationalen konzeptuellen Medien-, Performance- und Filmkunst. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Linz, schloss sie 1964 die Höhere Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie in Wien ab. 1967 kreierte sie ihren ausschließlich in Versalien geschriebenen Künstlerinnennamen, um eine neue Identität zu etablieren und sich von dem Namen ihres Vaters und ihres einstigen Ehemannes zu befreien. Ihr Œuvre umfasst u.a. Videos, Installationen, Performances, Filme, Expanded-Cinema-Arbeiten und konzeptuelle Fotografien. Schon früh kuratierte sie Ausstellungen mit feministischem Schwerpunkt, wie zum Beispiel MAGNA. "Feminismus: Kunst und Kreativität" (1975). EXPORT war an internationalen Ausstellungen wie der Biennale in Venedig (1980), documenta 6, documenta 12, Biennale KOCHI, 2018, und Biennale MOSKAU, 2019, vertreten. Ihre Werke wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen im Centre Pompidou, Paris; The Museum of Modern Art, New York; Tate Modern, London uvm. präsentiert. Ihre Arbeiten befinden sich in vielen dieser Sammlungen. Sie unterrichtete unter anderem am Art Institute in San Francisco, der University of Wisconsin, Milwaukee/USA, und der Hochschule der Künste, Berlin. Bis 2005 hatte VALIE EXPORT eine Professur für Multimedia-Performance an der Kunsthochschule für Medien Köln inne. 2015 wurde das VALIE EXPORT Center in Linz gegründet. Zuletzt wurde vor zehn Tagen die nach der Künstlerin benannte "Valie Export Stiftung" in Wien gegründet. „Die gemeinnützige Stiftung ziele darauf ab, das Werk der Künstlerin zu erhalten, zu erforschen und es im internationalen Kontext noch bekannter zu machen und zu positionieren", so Stiftungsvorstand Sigrid Guggenberger vom Studio Valie Export.
"VALIE EXPORT . Retrospektive" bietet seit Langem die erste umfassende institutionelle Einzelpräsentation des facettenreichen Werks der Künstlerin. Sie war zuvor im ALBERTINA Museum Wien und im Fotomuseum Winterthur zu sehen und wird von einem Katalog begleitet.
VALIE EXPORT. Retrospektive
Ausstellung: 27. Jan – 22. Mai 2024
C/O Berlin Foundation
Amerika Haus
Hardenbergstraße 22–24
10623 Berlin
www.co-berlin.org