Buchrezensionen, Rezensionen

Werner Spies: Der ikonografische Imperativ der Deutschen, Berlin University Press 2009

Das Gegenstandslose nach dem Vorbild der amerikanischen abstrakten Malerei war der deutschen Kunst der Nachkriegszeit mehr als willkommen. Eine Generation deutscher Künstler, die den Verzicht auf den Bezug zur jüngsten Vergangenheit nicht hinnehmen wollte, setzte jedoch an die Stelle einer „milden Kondolenzkunst“ eine schockierende, an die jüngste Geschichte Deutschlands gebundene Thematik. Wie in einem Aufschrei formulieren sie, was Werner Spies den ikonografischen Imperativ der deutschen Malerei nennt. Spies geht der Vehemenz der Werke von Anselm Kiefer, Neo Rauch, Jörg Immendorf bis zu Tomi Ungerer nach und fragt, warum dieser deutschen Kunst die Kunstgeschichte und Kritik bis heute mit so großen Vorbehalten und Ressentiments begegnet.

Hinter dem suggestiven Titel „Der ikonografische Imperativ der Deutschen“ verbergen sich sechzehn hervorragende Essays, die von 1980 bis 2008  für Vorträge, Feuilletons oder Kataloge verfasst wurden. In seiner leichtfüßigen, gleichzeitig einfühlsamen und treffsicheren Manier bringt uns der Surrealismusveteran die populären und die weniger bekannten deutschen Künstler nahe. Er spricht über die Physiognomie des Hässlichen in George Grosz´ Bildern, über Max Beckmanns Verständigunsprobleme mit dem französischen Publikum und Jörg Immendorfs Freundschaftsbilder. Wenn es um einen so pathetischen Begriff wie den ikonografischen Imperativ der Deutschen geht, dürfen die Namen Georg Baselitz, Gerhard Richter, Andreas Gursky und Neo Rauch nicht fehlen. Seinem langjährigen Freund Max Ernst widmet er gleich zwei Aufsätze und einen der Höhepunkte des Buches stellt die Laudatio zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2008 an Anselm Kiefer dar.
Diese gelungene Mischung wird von einem Text von Durs Grünbein gekrönt, in dem er dem Gefühl nachgeht, das Goethe und Spies wohl beide erleben durften.
Es ist immer ein Vergnügen Texte von Werner Spies zu lesen, deshalb ist dieses Buch eine empfehlenswerte Freizeitlektüre für Laien und für Connaisseure, die einen neuen Blick auf die deutsche Kunst der letzten hundert Jahre werfen möchten. Die Texte wecken das dringende Verlangen, direkt ins Auto zu steigen und in ein Museum zu fahren, wo man die Werke der genannten Künstler betrachten kann. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum in dieser Ausgabe keinerlei begleitende Bilder sind, was sich jedoch beim Lesen gelegentlich als Nachteil auswirkt. 

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