Wenn Künstler Kritik an der Flüchtlingspolitik üben, indem sie im Mittelmeer ertrunkene Menschen in Berlin beerdigen, dann rücken Politik und Kunst eng zusammen. So geschehen in diesem Sommer des Jahres 2015.
Die Akteure: Das Zentrum für politische Schönheit.
Das Motto: Die Toten kommen.
Das Ziel: ein Aufschrei in der deutschen Bevölkerung angesichts der katastrophalen Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer. Wenn die Lebenden es schon nicht geschafft haben, so sollen wenigstens die Toten nach Deutschland kommen, so die Idee. Gleichzeitig bekamen die vielen Namenlosen so ein Gesicht.
So radikal die Idee, so radikal ihre Methoden: Man verkündete, Leichen aus anonymen Gräbern, in denen die umgekommenen Flüchtlinge beerdigt wurden, exhumiert zu haben, transportierte diese quer durch Europa und meldete personalisierte Beerdigungen in Berlin an, ja man wollte sie gar vor dem Kanzleramt in Berlin beerdigen und dort einen »Friedhof für den unbekannten Einwanderer« errichten. Das wurde dann doch untersagt und die zur Beerdigung einer syrischen Frau geladenen Politiker erschienen nicht. Eine Provokation für die Regierenden? Auf jeden Fall! Spektakulär? Mehr geht kaum!
Doch kann Kunst wirklich Politik machen oder macht nicht vielmehr Politik Kunst? Immerhin funktioniert Kunst stets in einem politisch-gesellschaftlichen Kontext, den es zu berücksichtigen gilt: Tabuthemen werden von Künstlern entweder vermieden oder als Provokation bewusst verwendet, Kunst wird im Auftrag der Politik produziert oder drückt die eigene politische Haltung aus – ein weites Feld also, in dem sich der politisch mehr oder weniger engagierte Künstler bewegt.
Die Geschichte der Politik der Kunst beginnt bereits in den frühen Hochkulturen: Monumentale Bauten und Skulpturen demonstrierten die Macht herrschender Kasten, egal ob Priester oder Senator. Die ersten Karikaturen, die Personen des öffentlichen Lebens und persönliche Feinde aufs Korn nahmen, sind ebenfalls aus der Antike bekannt. Widerstand und Auftragskunst hat es also seit jeher gegeben, man möchte fast glauben, Anpassung und Widerstand sind der Kunst immanent. Propaganda ist Teil der künstlerischen Arbeit.
Seit jeher versucht die Politik dabei, der Kunst ihre ästhetischen und natürlich auch inhaltlichen Vorstellungen überzustülpen und sie in ihren Dienst zu stellen: vom relativ klaren politischen Bildprogramm der römischen Cäsaren bis zu den Kanzlerbildnissen der Gegenwart. Auch subtilere Vorgehensweisen können Künstler nutzen, um ihre Botschaften zu transportieren: Herrscherbildnisse zum Beispiel zeichnen sich durch eine umfangreiche Symbolik aus. Insignien wie Krone oder Szepter, aber auch Mantel oder Apfel weisen den Herrscher als solchen aus; weitere Beigaben wie Wappen, Kreuze oder gemeine Figuren aus der Heraldik ordnen ihn einer Dynastie und bei Bedarf einem Orden oder einer anderen Gemeinschaft, der der Herrscher angehört, zu. Neben diesen klassischen Porträts gibt es Darstellungen des Herrschenden in oder nach einer Schlacht, im Kampf mit seinen Gegnern, auf der Jagd und noch so einiges mehr. Insbesondere in der Renaissance kommen diese stark individualisierten Bildnisse auf. ...weiterlesen
Ein typisches und für das Genre des Herrscherporträt zugleich bahnbrechendes Beispiel ist Tizians Karl V. als Sieger nach der Schlacht bei Mühlberg. Tizian verbindet dabei zeitgenössische mit antiken Elementen der Herrscherdarstellung und legt dem Bild ein umfangreiches Zeichensystem zugrunde, das ihn sowohl in einen dynastischen als auch in den historischen Kontext einordnen und von den Zeitgenossen deutlich zu lesen war. Diese Darstellung Karls V. auf einem galoppierenden Pferd in Angriffspose ist an die antiken Kaiserbildnisse angelehnt, insbesondere an das berühmte bronzene Reiterstandbild Marc Aurels, dem die europäische Ikonografie im Übrigen auch das Pferd als Symbol imperialer Macht zu verdanken hat. Die Bezugnahme auf das antike Kaisertum war Teil der Kommunikations-Strategie des Kaisers und seines Umfelds, ihn in die Tradition der Caesaren zu stellen. Zugleich greift Tizian mit der Lanze in der Hand des Kaisers und dem sprengenden Pferd auf die Ikonografie des Heiligen Georg im Kontext der ritterlichen Kultur zurück – des Sippenheiligen der Habsburger. Auch der kaiserliche Anspruch als Schützer des Christentums wird so in Szene gesetzt. Trotz dieser Überhöhungen begegnet dem Betrachter hier eine nahezu naturalistische Darstellung der prächtigen Rüstung und der Person des Kaisers: ein zwar energischer, aber doch schon älterer Herr zu Pferde. Zuletzt setzen die Landschaft, aber auch die kriegerische Aufmachung des Herrschers das Porträt in Verbindung zum Sieg über den Schmalkaldischen Bund.
Reist man in eines der noch verbliebenen kommunistischen Länder alter Prägung, fühlt man sich zuweilen in eine andere Zeit versetzt. Dazu trägt auch die Propaganda für das politische System bei. Vietnam ist eines dieser Länder. Propaganda-Plakate werden hier wie Kunstwerke gehandelt. Nina Zöpnek hat sie sich genauer angesehen.
Hässlich, seelenlos, grau. Architektur und baubezogene Kunst der 1960er und 1970er Jahre sind ein schwieriges Thema. Insbesondere im Osten Deutschlands, wo sie noch dazu ein Mittel der sozialistischen Staatspropaganda waren. Muss man sowas erhalten? Die drei Autoren beleuchten in »Kunstvolle Oberflächen des Sozialismus« diverse Objekte und widmen sich auch der Denkmalfrage. Rowena Fuß hat sich eingelesen.
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Kunst steht aber nicht nur im Dienste der Politik, sie beteiligt sich auch aktiv am Tagesdiskurs und natürlich an den politischen Entwicklungen ihrer Zeit. Das Spektrum reicht dabei von (Bild-)Kommentaren über kritische bis ironische Inszenierungen bis hin zu Interventionen. So schrieb Pablo Picassos »Guernica« Geschichte als Fanal gegen den Krieg und Joseph Beuys mischte sich immer wieder in aktuelle Diskurse, auch um die Kunst, ein. Spätestens seit dem Arabischen Frühling ist aber auch die Street Art noch einmal politischer geworden und stellt eine ernst zu nehmende künstlerische Artikulationsform dar, um sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzumischen. ...weiterlesen
Eine neue Kunstform erobert seit einigen Jahren den öffentlichen Raum: Der sogenannte Artivismus bewegt sich irgendwo zwischen Kunst und sozialer Bewegung und manche fragen sich: »Ist das überhaupt noch Kunst?« Lilo Schmitz beschäftigt sich mit dieser neuartigen Kunstform und präsentiert in ihrem Sammelband Beiträge, die deren Spektrum abbilden. Bianca Straube hat sie gelesen und viel Interessantes entdeckt.
Die Aktionen russischer Künstler haben in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen gesorgt – und juristische Schritte nach sich gezogen. Sandra Frimmel analysiert die Inszenierungen der darauffolgenden Gerichtsprozesse mit noch nie dagewesener Tiefe und gibt damit zugleich Einblicke in das russische Kunstverständnis. Marco Hompes ist ihren Gedanken gefolgt.
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Karikaturen sind heute wie früher in den Zeitungen allgegenwärtig. Sie setzen sich mit politischen oder gesellschaftlichen Themen auseinander und sorgen dank ihrer Provokationsfreude für Diskussionen. Sie überschreiten Grenzen, amüsieren den Leser und regen zum Nachdenken an. Thyra Mecklenburg hat ihn gelesen.
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