Buchrezensionen

Elisabeth Sandmann: Der gestohlene Klimt. Wie sich Maria Altmann die »Goldene Adele« zurückholte, Elisabeth Sandmann Verlag 2015

In den 2000er Jahren beschäftigten sich amerikanische Gerichte mit einem der ganz großen Fälle der Geschichte der Raubkunst: Die Erbin der Wiener Familie Bloch-Bauer wollte die im Zuge der Enteignungen durch die Nationalsozialisten an die Österreichische Galerie (heute Belvedere) gegangenen Bilder der Familie zurückhaben, darunter die berühmte »Adele Bloch-Bauer I« von Gustav Klimt. Stefanie Handke hat sich in die Geschichte des Bildes vertieft.

Es ist keine Geschichte wie ein Krimi, die Elisabeth Sandmann da erzählt – es ist ein Krimi, und ein realer noch dazu. Sie zeichnet die Geschichte des Klimt-Gemäldes »Adele Bloch-Bauer I«, auch »Goldene Adele« genannt, nach. Mit ihrem kleinen Büchlein bietet sie damit einen Hintergrund zum Film »Die Frau in Gold«, der 2015 in die Kinos kam und sich gegenüber der Realität einige Freiheiten herausnahm. Dabei wirft sich nicht nur einen Blick auf die Protagonisten, sondern auch auf ihr Umfeld und die bedeutsame Frage um den Umgang mit NS-Raubkunst von internationaler Bedeutung.

Die Autorin lässt ihre Geschichte mit der goldenen Zeit der Wiener Moderne beginnen: 1903 erhielt Gustav Klimt Ferdinand Bloch-Bauer den Auftrag für ein Porträt von dessen Frau; 1907 war es schließlich fertiggestellt. Die porträtierte Adele Bloch-Bauer war Mitglied der Wiener High Society und mischte im Kulturleben der Stadt rege mit. Sandmann zeichnet dabei das Porträt einer emanzipierten, an Politik wie Kultur rege interessierten und mit einem Idealismus für die Kunst ausgestatteten Frau, die mit Begeisterung ins Atelier Klimts gepilgert sein muss und für die die Stunden dort eine kleine Flucht aus dem Alltag gewesen sein müssen. Ihre Schwester Therese und sein Bruder Gustav waren ebenfalls ein Paar, hatten aber im Gegensatz zu Ferdinand und Adele Kinder, die in diesem großbürgerlichen Umfeld aufwuchsen. Ihre jüngste Nichte Maria sollte später einen Rechtsstreit um Adeles Erbe entfachen.

Diese hatte in ihrem Testament bereits darum gebeten, dass ihr Mann »ihre« Klimt-Bilder der österreichischen Staatsgalerie hinterlassen solle. Ob sie damit aber meinte, dass die inzwischen zwei Porträts von ihr ihrem Besitz zuzurechnen waren oder aber dass sie ihr Abbild zeigten, war zunächst fragwürdig. Kurze Zeit später aber ließ ihr Ehemann feststellen, dass die Werke eindeutig seinem Besitz zuzurechnen seien. Nichtsdestotrotz wollte er dem Wunsch seiner Frau entsprechen.

Anlass dafür war der Kunstraub durch die Nationalsozialisten. Mit dem »Anschluss« Österreichs 1938 änderte sich das Leben der Bloch-Bauers rapide: Ferdinand hoffte vergeblich, auf seinem Schloss Panenské Břežany in Böhmen sicher zu sein, sein Bruder und dessen Familie aber erlebte die Enteignungen in Wien. Ferdinand Bloch-Bauers Haus und der gesamte Hausrat in Wien wurden beschlagnahmt, an Funktionäre verteilt und versteigert. Bis in die 1990er Jahre sollten immer wieder Gegenstände aus der Sammlung des Paares bei Auktionen auftauchen. Dass seine Zuckerfabrik ebenso den Nazis zum Opfer fiel wie schließlich auch sein Besitz in der Tschechoslowakei, ist aus heutiger Sicht unvermeidlich. Ferdinand Bloch-Bauer floh und starb 1945. Zwar hatte er noch versucht, mithilfe eines Anwalts einen Teil seines Vermögens und seiner Kunstwerke zu retten, doch der korrupte Anwalt hatte stärkeres Interesse an der Liquidation des Vermögens. Damit blieben nur seine zwei Nichten und sein Neffe als Erben übrig, denen ebenfalls die Flucht gelungen war und unter denen er seinen verbliebenen Besitz aufteilte.

Der Anwalt der Familie, Gustav Rinesch, machte sich noch 1945 auf, den Verbleib der zahlreichen Kunstwerke (mehr als 400!) zu klären. So stieß er auch auf die Klimt-Gemälde in der Österreichischen Galerie, wo man nun versuchte, den auf dubiosem Wege erworbenen Besitz zu sichern: Es habe ein mündliches Legat des Paars Bloch-Bauer gegeben, die Werke seien dem Haus geschenkt worden. Obendrein nutzte man Adeles Testament, um seinen Anspruch zu stärken, und konnte sich immer noch auf die besondere künstlerische oder kulturelle Bedeutung der Kunstschätze berufen, um eine Ausfuhr zu verhindern. Schließlich erklärten sich die drei Erben damit einverstanden, die meisten Klimt-Bilder zugunsten anderer Werke aus der Familiensammlung aufzugeben. Bis 1998 verhielt sich die Familie ruhig.

Damals jedoch wurde die Washingtoner Erklärung unterzeichnet, der Fall zweier geraubter Bilder führte schließlich zur Unterzeichnung des österreichischen Kunstrückgabegesetzes und eine erneute Debatte kam auf. Hubertus Czernin, seines Zeichens Journalist, holte das Thema aus aktuellem Anlass aus der Versenkung und veröffentlichte eine Artikelserie. Darin legte er dar, dass die Klimt-Bilder geraubt waren. Und es kam wie es kommen musste: Eine Freundin Maria Altmanns las die Serie, unterrichtete ihre Freundin davon und die entschloss sich, noch einmal ihr Glück zu versuchen. So beauftragte sie den jungen Anwalt Randol Schoenberg. Mit Hubertus Czernins Hilfe trug er zahlreiche Dokumente zusammen, darunter das Testament Adele Bloch-Bauers. Ein Beirat sollte sich mit dem Fall Bloch-Bauer befassen und empfahl die Rückgabe von Teilen der Porzellansammlung, aber berief sich erneut auf Adeles (zur Erinnerung: in der Sache der Bilder nicht bindendes) Testament.

Randol Schoenberg und Maria Altmann entschieden sich, nachdem sie eine Klage in Österreich zurückziehen mussten, in den USA zu klagen. Ein unerhörter Vorgang, denn er stellte die Frage nach der Souveränität eines Staates und inwiefern dieser noch für vermeintlich beglichenes Unrecht haftbar gemacht werden konnte. Immerhin berief sich Österreich auf seine Immunität, Schoenberg und Altman führten dagegen das Völkerrecht ins Felde. Anwälte, Diplomaten, Ministerien und die Regierungen beider Länder waren mit der Frage befasst bis 2004 zu allerletzt der US Supreme Court die Rechtmäßigkeit der Klage anerkennt und den Fall zurück an den District Court in Los Angeles, wo die Klage ursprünglich eingereicht worden war, verweist.

Dort verständigte man sich schließlich auf ein Schiedsverfahren, bei dem drei Experten eine Entscheidung treffen sollten. Diese war nicht minder bedeutungsschwer als das Gerichtsurteil, denn immerhin galt die »Goldene Adele« als zentrales Nationalerbe Österreichs. Auch moralische Gesichtspunkte spielten eine Rolle, denn hätte Adele Bloch-Bauer auch nach 1938 noch ihre Bilder in der Österreichischen Galerie sehen wollen? Die drei Schiedsrichter waren sich jedenfalls einig und entschieden, dass fünf der Klimt-Bilder an die Erben der Bloch-Bauers zurückgegeben werden mussten. Ein Erfolg für Maria Altmann, aber auch ein Symbol für den Umgang mit NS-Raubkunst. Zum einen hatten die zahlreichen Verhandlungen und Argumentationen die Öffentlichkeit für die Frage sensibilisiert, zum anderen war es bei einem national und international bewundertem Kunstwerk zu einer Rückgabe gekommen.

Und heute? Heute hängt »Adele Bloch-Bauer I« in der Neuen Galerie in New York. Der Staat Österreich hatte das Vorkaufsrecht auf die Bilder nicht wahrgenommen, in den letzten Wochen vor dem Umzug der Bilder gaben sich die Besucher die Klinke in die Hand, um sie noch einmal »live« zu erleben. Maria Altmann verkaufte das legendäre Porträt ihrer Tante schließlich an Ronald S. Lauter, der es seither in der Neuen Galerie präsentiert, ganz im Sinne der Vorbesitzerin.

Die Stärke von Elisabeth Sandmanns Buch sind sicherlich ihre Empathie und ihre farbige Beschreibung des Umfeldes, in dem das Bild entstand und lange Zeit zuhause war: So zeichnet sie mit dem Wien in den 1920er und 1930er zunächst eine goldene Zeit der Kunst nach, dann die düsteren Jahre nach 1938. Ihre Geschichte des titelgebenden Porträts ist zugleich die Geschichte einer jüdischen Familie im 20. Jahrhundert und der zahlreichen anderen Kunstwerke aus ihrem Besitz – »Adele Bloch-Bauer I« steht gleichsam für mehrere hundert andere Werke. Interessant wäre aber eine genauere Analyse insbesondere des gefällten Schiedsspruches gewesen, war die Entscheidung der Experten (Dr. Andreas Noedl, Prof. Dr. Walter Rechberger und Prof. Dr. Peter Rummel) doch von weitreichender Bedeutung für beide Streitparteien, aber auch für die Sache aller Opfer des Kunstraubs, den die Nazis im großen Stil betrieben haben. So hält man ein gut geschriebenes Büchlein in Händen, das ein Thema, das aktueller denn je ist, gut illustriert.

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