Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten, Ausstellung im Bucerius Kunst Forum Hamburg, 14.10.2023 bis 28.1.2024 (und Kunstmuseum Basel, 2.3. bis 30.6.2024)

Diese großartige Ausstellung ist zugleich der Schluss- und der Höhepunkt eines Jubiläumsjahres, mit dem das Bucerius Kunst Forum 2023 sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat und das unter das Motto „Jahr der Frauen“ gestellt wurde: Stand doch das Programm mit den vorhergehenden Ausstellungen „Gabriele Münter. Menschenbilder“ und „Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour“ ganz im Zeichen großartiger Künstlerinnen in der bildenden Kunst. Welche „Genialen Frauen“ und welche Werke man in Hamburg nun entdecken und studieren kann, hat sich Stefanie Marschke genauer angeschaut.

Sofonisba Anguissola: Porträt der Bianca Ponzoni, 1557 Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie © Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt; Public Domain Mark 1.0
Sofonisba Anguissola: Porträt der Bianca Ponzoni, 1557 Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie © Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt; Public Domain Mark 1.0

Die Kuratorin Dr. Katrin Dyballa und ihr Team haben für diese opulente Schau 152 Exponate von rund 30 herausragenden Künstlerinnen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts aus ganz Europa versammelt, darunter meisterhafte Porträts, Stillleben und Historienbilder von der Renaissance bis zum beginnenden Klassizismus. Aufgrund dieses Umfangs verwundert es nicht, dass Forschung, Konzeption und Vorbereitungen vier Jahre in Anspruch genommen haben. Der intensive wissenschaftliche Austausch mit internationalen Expertinnen und Experten haben dabei neue Erkenntnisse zu Tage gebracht, wie die Kuratorin erzählt.
Die Ausstellung ist nicht chronologisch geordnet, sondern in sieben Themenkreise gegliedert („Töchter, Väter, Brüder“ – „Bewusst ohne Ehemann“ – „Karriere vor der Ehe“ – „Malen mit Familie“ – „Frauen und Druckgrafik“ – „Künstlerinnen am Hof“ – „Künstlerinnen in den Institutionen“); folgende Fragestellungen liegen ihr zugrunde: Unter welchen Bedingungen konnten Frauen in dieser Zeit künstlerisch tätig und erfolgreich werden? Wie haben diese Frauen gelebt und gearbeitet, welche Ausbildungsmöglichkeiten standen überhaupt zur Verfügung und welche Rolle spielte ihr soziokulturelles Umfeld? Dabei werden ihre Werke erstmals im familiären Kontext von Arbeiten ihrer Väter, Brüder, Ehemänner, Lehrer und Kollegen gezeigt und untersucht, wie sie ihre unterschiedlichen Karrieren im Einzelnen verfolgten – oder auch nicht. Denn für einige Malerinnen, die es jung geschafft hatten, sich als Künstlerin zu etablieren, trat das produktive Schaffen in den Hintergrund, wenn sie – verheiratet oder unverheiratet – nur noch in der Werkstatt ihres Vaters oder Mannes arbeiteten und als Schöpferinnen ihrer eigenen, unsignierten Bilder unsichtbar blieben. So z.B. Marietta Robusti – genannt „La Tintoretta“ –, die, auch als sie schon verheiratet war, überwiegend im Schatten ihres berühmten Vaters Jacopo Tintoretto in dessen Werkstatt arbeitete und ihren Malstil perfekt an den ihres Vaters angeglichen haben muss, sodass Zuschreibungen schwierig sind. Und das, obwohl aus mehreren Quellen eine rege Nachfrage nach ihren Porträts und Selbstporträts hervorgeht und sie sich sowohl bei Sammlern als auch in Adelskreisen – weder Kaiser Maximilian II. noch König Philipp II. gelang es, sie an ihren Hof zu holen – großer Beliebtheit erfreute. Auch spätere Beispiele wie die beiden Niederländerinnen Judith Leyster und Clara Peters sowie die französische Stilllebenmalerin Louise Moillon hatten ein ähnliches Schicksal. Deshalb entschieden sich manche Künstlerinnen bewusst gegen die Ehe wie die Italienerin Giovanna Garzoni, die für ihre Karriere viele Reisen unternahm und deren kostbare Miniaturen und Stillleben bei ihren Auftraggebern sehr begehrt waren (z.B. „Schoßhund mit Keksen und chinesischer Tasse“), oder die niederländische Barockmalerin Michaelina Wautier, die mit ihrem Bruder Charles Wautier eigenständig zusammenarbeitete.

Katharina van Hemessen: Selbstporträt an der Staffelei, 1548 Kunstmuseum Basel, Schenkung der Prof. J.J. Bachofen-Burckhardt-Stiftung 2015
Katharina van Hemessen: Selbstporträt an der Staffelei, 1548 Kunstmuseum Basel, Schenkung der Prof. J.J. Bachofen-Burckhardt-Stiftung 2015

Die meisten Künstlerinnen stammten aus Familien, in denen die Väter bereits in einem künstlerischen Handwerk tätig waren. Das war auch bei Katharina van Hemessen aus Antwerpen der Fall. Ihr gelang es jedoch, eigene Wege zu gehen. Sie ist ein frühes Beispiel für die Förderung durch den Vater, der es seiner Tochter erlaubte, eigenständig zu arbeiten, und wurde bereits 1567 in einem Buch über die Niederlande als berühmte Malerin erwähnt. Sie signierte fast alle ihre Gemälde, so auch das „Porträt einer jungen Frau vor weißem Grund“: Einmalig in ihrem Œuvre ist hier die helle Farbigkeit, die generell in der Porträtmalerei selten ist. Die besonders gut zur Geltung kommenden Schatten sind wohl eine Anregung ihres Vaters Jan Sanders van Hemessen. Sie verleihen dem Bild Räumlichkeit und der Dargestellten eine besondere Präsenz.
Das Schlüsselwerk der Schau, mit dem der Rundgang beginnt, ist jedoch ihr originelles „Selbstporträt an der Staffelei“ aus dem Jahr 1548, das sie selbstbewusst mit der lateinischen Signaturformel „Ego Caterina de Hemessen me pinxi 1548 – aetatis suae 20“ signiert (Ich, Katharina van Hemessen, habe mich 1548 selbst gemalt im Alter von 20 Jahren). Auf dem Gemälde ist sie gerade dabei, ein Frauengesicht auf eine bereits gerahmte Holztafel zu malen. Dieses Bild im Bild stellt vermutlich das in Köln aufbewahrte Porträt ihrer Schwester Christina am Virginal dar und war mit den identischen Maßen sowie durch die Ausrichtung und Komposition als Pendantbildnis oder als Diptychon angelegt, welches das Selbstbildnis und das Schwesternbildnis vereinte.
Das kleinformatige Selbstporträt ist nicht nur das älteste Bild in der Ausstellung, sondern auch das erste Bildnis überhaupt, auf dem sich ein Maler oder eine Malerin mit Pinsel und Malstock bei der Arbeit zeigt, womit Katharina van Hemessen mit erst 20 Jahren ihren männlichen Kollegen weit voraus war. Ein „Geniestreich“, wie die Kuratorin findet. Denn die Malerin hat es höchstwahrscheinlich als Bewerbungsbild an potenzielle Auftraggeber verschickt, um damit ihre Malkünste anzupreisen. Das ist in den Quellen auch von anderen Künstlerinnen der Renaissance als gängige Praxis belegt, vor allem von den schon zu Lebzeiten berühmten italienischen Malerinnen Sofonisba Anguissola und Lavinia Fontana. Letztere ist in der Schau mit ihrem „Selbstporträt am Spinett“ von 1577 vertreten. Es ist eines von zwei Selbstbildnissen, die sie ihrem zukünftigen Ehemann und Maler Gian Paolo Zappi vor der Hochzeit geschickt hat, um ihre vielfältigen Talente und ihr professionelles Können vorzuführen. Fontana war nach der Ausbildung bei ihrem Vater Prospero in Bologna bereits eine erfolgreiche Malerin, die sich nicht nur auf Porträts beschränkte, sondern sich auch selbstverständlich Historien und anderen Sujets widmete. Nach der Heirat wurde Zappi der Manager seiner weitaus talentierteren Gattin, die ihre große Familie (elf Kinder!) ernährte. Ausführlich zu dieser fulminanten Ausnahmekarriere im „Digitalen Biopic-Essay“, das die Künstlerin selbst zu Wort kommen lässt (s.u. Begleitprogramm).

Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 02
Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 02

Viele zeitgenössische Gelehrte und Sammler wünschten sich Selbstbildnisse von Malerinnen für ihre Porträtgalerien sowie Kunst- und Wunderkammern, wie aus regem Schriftverkehr hervorgeht. Die Frauen stellten sich oft – dem gängigen humanistischen Bildungsideal entsprechend – mit verschiedenen, ihrer Profession würdigen Attributen dar und produzierten nicht selten Selbstporträts in Serie. Dabei konnten sie sich auf literarisch überlieferte Vorbilder und damit auf eine eigene weibliche Traditionslinie berufen. Ein wichtiger, in der Schau ausgeklammerter und nur im Katalog erwähnter Aspekt, der für das Selbstverständnis insbesondere der Renaissance-Malerinnen eine große Rolle spielt. Schon Giovanni Boccaccio („De claris mulieribus, 1360) und in der Folge Christine de Pizan in „Das Buch von der Stadt der Frauen“ (1404/05) berichten von den außergewöhnlichen Leistungen antiker Malerinnen, von denen das „Selbstbildnis der Marcia“ in diesem Zusammenhang entscheidend ist. Sie schreibt: „(…) ein äußerst kunstvolles Gemälde; es zeigte sie beim Blick in einen Spiegel und war so naturgetreu, daß jeder, der sie sah, sie für lebendig hielt. Noch lange Zeit später wurde dieses Bild mit höchster Sorgfalt aufbewahrt und den Künstlern als berühmtes Kleinod gezeigt (…)“. Weiter heißt es bei Christine de Pizan, dass Künstlerinnen oder andere herausragende Frauen aufgrund ihrer Talente und Leistungen durch Porträts, die sie bei der Ausübung ihrer Profession zeigen, zu Lebzeiten oder postum öffentlich geehrt wurden, und zwar auch in den Reihen ihrer männlichen Kollegen, sodass sie in den Rang der uomini famosi erhoben wurden. Die Malerinnen der Renaissance kannten diese überlieferten Vorbilder und beriefen sich in ihren lateinischen Signaturformeln ausdrücklich darauf, um so zum einen mit ihren Selbstporträts die Wurzeln ihrer Profession zu dokumentieren, zum anderen um das Selbstbildnis einer verehrten antiken Künstlerin nachzuahmen und damit in Wettstreit zu treten. Dieses Prinzip der aemulatio, das ebenso bei den männlichen Kollegen weit verbreitet war, galt auch für zeitgenössische Vorbilder und ist etwa in der Vita der sehr früh verstorbenen Irene di Spilimbergo – einer Schülerin Tizians – überliefert. Dort heißt es, sie habe sich durch ein Selbstbildnis von Sofonisba Anguissola aus Cremona zum Wettstreit und damit zur Anfertigung ihres eigenen Porträts angespornt gefühlt, um so denselben Rang und Ruhm anzustreben und das Vorbild zu übertreffen. Die Tatsache, dass Künstlerinnen Bildideen von berühmten Vorgängerinnen oder zeitgenössischen Kolleginnen in die Gestaltung ihrer Selbstbildnisse miteinbezogen, zeigt, wie wichtig das Werk einer Frau für ihr Selbstverständnis sein konnte.

Lavinia Fontana: Selbstporträt am Spinett, 1577 Galleria dell’Accademia Nazionale di San Luca, Rom © Accademia Nazionale di San Luca, Roma. Foto: Mauro Coen
Lavinia Fontana: Selbstporträt am Spinett, 1577 Galleria dell’Accademia Nazionale di San Luca, Rom © Accademia Nazionale di San Luca, Roma. Foto: Mauro Coen

Viele Künstlerinnen arbeiteten zeitweilig an europäischen Höfen und schufen Auftragswerke, so auch Fede Galizia, Catharina Treu und Sofonisba Anguissola, die den spanischen König Philipp II. und seine Familie in zahlreichen Porträts festhielt, sowie Rachel Ruysch, die mit ihrem Ehemann für den Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg tätig war. Auch Katharina van Hemessen folgte schon zwei Jahre nach ihrer Hochzeit – zusammen mit ihrem Ehemann, einem Organisten – der Einladung von Maria von Kastilien, Erzherzogin von Österreich, Prinzessin von Spanien und Königin von Böhmen und Ungarn, an den spanischen Hof nach Madrid. Diese gründete später sogar eine Stiftung zu Gunsten der Eheleute van Hemessen und hinterließ ihnen nach ihrem Tod eine großzügige Leibrente.

Immer wieder kann man auf dem Rundgang durch die Ausstellung auch weniger bekannte oder komplett in Vergessenheit geratene Künstlerinnen entdecken, wie z.B. die Kupferstecherinnen Diana Mantovana, Magdalena de Passe und im 18. Jahrhundert besonders Maria Katharina Prestel, die sich zusammen mit ihrem Mann Johann Gottlieb Prestel auf die druckgrafische Darstellung von Zeichnungen und Gemälden spezialisiert hatte. Oder die flämische Bildhauerin Maria Faydherbe, die Kleinplastiken aus Buchsbaumholz und Alabaster hinterlassen hat. Sie signierte eine kleine Madonnenfigur stolz mit „Maria Faydherbe hat mich gemacht“. Aus einem Dokument der Stadt Mechelen des Jahres 1633 geht zudem hervor, dass sie mit einem bemerkenswerten Protest die dortige Lukasgilde aufgemischt hat: Sie hatte den Mitgliedern der Gilde nämlich öffentlich in Anwesenheit der Ratsherren „mangelnde Fähigkeiten“ vorgeworfen und auf die eigene stilistische Unabhängigkeit und Überlegenheit ihrer Werke aufmerksam gemacht; ihre Kollegen habe sie als „Erzeuger von Dutzendware“ bezeichnet. Die so Diffamierten boten Maria Faydherbe daraufhin tatsächlich an, Figuren aus Holz und Stein anzufertigen, um sie dann mit deren Bildwerken zu vergleichen und den Vorwurf widerlegen zu können. Wie die Geschichte am Ende ausgegangen ist, ist leider nicht überliefert.

Michaelina Wautier: Studie einer Frau, um 1660 The Phoebus Foundation, Antwerpen © The Phoebus Foundation, Antwerp
Michaelina Wautier: Studie einer Frau, um 1660 The Phoebus Foundation, Antwerpen © The Phoebus Foundation, Antwerp

Die Schau schließt mit den Werken der bekannten, erfolgreichen Künstlerinnen, die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts in den Kunstakademien wirkten. Diese waren zu wichtigen kunstpolitischen Institutionen geworden und gewährten sukzessive immer mehr Frauen Zutritt. Besonders gefördert wurden Frauen in Bologna, wo Elisabetta Sirani tätig war. Die dortige Akademie nahm viele Frauen als Ehrenmitglieder auf, weibliches Künstlertum gehörte zum Standortmarketing. Sirani hatte zuvor schon die Leitung der Werkstatt ihres Vaters übernommen, in der sie ausgebildet wurde. Darüber hinaus gründete sie in Bologna eine Malschule ausschließlich für Frauen, um sie künstlerisch auszubilden. Ihr Ruf war so ausgezeichnet, dass sie schließlich in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen wurde. Auch Angelika Kauffmann und Anna Dorothea Therbusch waren Mitglieder gleich mehrerer Akademien: Letztere schaffte es an die Pariser Académie royale de peinture et de sculpure, während Kauffmann zu den Gründungsmitgliedern der renommierten Royal Academy of Arts in London zählte. Die stattliche Anzahl ihrer Selbstbildnisse zeugt vom Selbstbewusstsein der Malerin und von der Pflege des eigenen Images. Sie ist hier mit mehreren Exponaten vertreten, darunter mit dem Titelmotiv des Katalogs und des Ausstellungsplakats – der „Allegorie der Klio“ (ca. 1770/75), der sie ihre eigenen Züge verliehen hat und die, so die Kuratorin, als Muse der Geschichtsschreibung programmatisch für die Leistungen aller präsentierten Künstlerinnen stehe.

Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 14
Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 14

Fazit:
Diese facettenreiche, höchst interessante Ausstellung bietet die Möglichkeit, in vielerlei Hinsicht neue und überraschende Einsichten in die kunsthistorische Bedeutung von Künstlerinnen und deren Wahrnehmung in der Gesellschaft zu gewinnen. Der Fokus liegt auf den Lebensumständen und dem familiären Umfeld, in dem die Frauen ihre Werdegänge und Karrieren entwickelten und häufig sehr erfolgreich waren: Sie wurden Hofmalerinnen, Lehrende, Unternehmerinnen oder Verlegerinnen; manche erhielten höchste Auszeichnungen. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die Ausbildungssituationen und die Bedingungen waren, unter denen die Künstlerinnen in England, Italien, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland gearbeitet und gelebt haben.
Zum ersten Mal sind die Werke der Künstlerinnen denen ihrer männlichen Kollegen gleichwertig gegenübergestellt, was einen unmittelbaren Vergleich erlaubt, der entweder formale und stilistische Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede offenbart. Oft wirken die Bilder der Frauen innovativer, was möglicherweise daran lag, dass die Malerinnen nicht immer dieselben Studienbedingungen und Möglichkeiten hatten wie ihre männlichen Kollegen und schon deshalb die Notwendigkeit bestand, andere Wege einzuschlagen.
Darüber hinaus wird ersichtlich, warum die Leistungen so vieler Künstlerinnen in Vergessenheit geraten konnten: Fehlte die Unterstützung eines künstlerischen Umfeldes oder eines Förderers, hatten Frauen selten eine Chance, ihren Beruf professionell auszuüben und ihre Werke einem öffentlichen Publikum zur Schau zu stellen oder auf anderem Weg bekannt zu machen. Und nicht zuletzt wurde durch die lange Zeit männlich dominierter Kunstgeschichtsschreibung die weibliche Kunst in den Nachschlage- und Übersichtswerken und der Forschungsliteratur nur am Rande erwähnt oder kam gar nicht vor.
Die Ausstellung trägt nun dazu bei, diesen Missstand zu beheben und macht hoffentlich vielen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern Mut und Lust, weitere Themenbereiche zu erforschen – denn viele Bildwerke von genialen Frauen warten noch darauf, entdeckt und identifiziert zu werden!

Angelika Kauffmann: Klio, Muse der Geschichtsschreibung, um 1770/75 Kunstsammlungen der Museen Augsburg © Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Foto: Andreas Brücklmair
Angelika Kauffmann: Klio, Muse der Geschichtsschreibung, um 1770/75 Kunstsammlungen der Museen Augsburg © Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Foto: Andreas Brücklmair

Tickets, Termine und Infos: buceriuskunstforum.de/ausstellungen/geniale-frauen
Die Ausstellung ist im Anschluss im Kunstmuseum Basel zu sehen (2.3.–30.6.2024), in dem das prominente Selbstporträt von Katharina van Hemessen sonst verwahrt wird. Als angefragte Leihgabe begründete es überhaupt erst die Kooperation zwischen den beiden Ausstellungshäusern.

Zum Weiterlesen:
Katalog zur Ausstellung im Bucerius Kunst Forum Hamburg und im Kunstmuseum Basel, „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“, hrsg. v. Katrin Dyballa, Hirmer Verlag, München 2023.
Katy Hessel: „The Story of Art without Men: Große Künstlerinnen und ihre Werke – Kunstgeschichte aus weiblicher Perspektive, Piper Verlag, München 2022.
Stefanie Marschke: „Marcia und die Tradition der Malerinnen“ und „Kunstobjekte“, in: Künstlerbildnisse und Selbstporträts: Studien zu ihren Funktionen von der Antike bis zur Renaissance, Weimar 1998, asw-verlage.de (VDG – Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften), S. 116 ff. und S. 199 ff.

Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 04
Ausstellungsansicht Geniale-Frauen-Kuenstlerinnen-und-ihre-Weggefaehrten Foto Ulrich Perrey 04

Unter dem umfangreichen Begleitprogramm zur Ausstellung sind die charmanten „Digitalen Essays“ hervorzuheben, die sich nicht nur, aber auch ans junge Publikum richten: Stellvertretend für die 30 Künstlerinnen werden in sieben akustischen Biopics (Katharina van Hemessen, Lavinia Fontana, Judith Leyster, Maria Sibylla Merian, Rachel Ruysch, Maria Katharina Prestel und Angelika Kauffmann) ihre spannenden Werdegänge anschaulich nacherzählt und der historisch-soziokulturelle Kontext greifbar gemacht. Dabei haben sich die Autorinnen in die Lage der ausgewählten Malerinnen versetzt und ihre Stimmen in die Gegenwart geholt – ihre Sprache, Kommentare und Bewertungen sind aus der Sicht des 21. Jahrhunderts formuliert und interpretiert. Es ist zu wünschen, dass dieses Material vielfach im Schulunterricht Verwendung findet. Diese „Autobiografien“, die den Besuchern via Postkarten mit QR-Code erzählt werden, findet man auch als Texte auf der Homepage oder direkt unter: https://readymag.com/u2545770170/4403846/

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