Ausstellungsbesprechungen

Goya, Daumier und Yongbo Zhao – Provokation! Kunsthaus Kaufbeuren, bis 28.2.2010

In Kaufbeuren trifft sich die Welt oder, um es eine Nummer kleiner zu formulieren: Im dortigen Kunsthaus begegnen sich die Werke dreier Künstler. Wie das zusammenpasst, zeigen die Namen der Beteiligten, die zwar mit Francesco de Goya und Honoré Daumier in Westeuropa angesiedelt sind, genauer gesagt, in Spanien und Frankreich, aber der dritte im Bunde verweist weit in den Osten. Günter Baumann hat für PKG die Ausstellung besprochen.

Auch wenn der 1964 geborene Chinese Yongbo Zhao der Benjamin der Ausstellung ist, bringt er nicht nur einen sehr gegenwärtigen Wind ins Spiel, sondern auch den internationalen Anspruch, der zusammen mit den beiden anderen Künstlern zudem historische Dimensionen einnimmt: Drei Jahrhunderte sind hier abgedeckt, grob überschlagen, mithin muss man auch innerhalb Europas noch kulturelle Besonderheiten in Rechnung stellen, die die globale Weite dieser Ausstellung unterstreichen. Der Clou dabei ist der gemeinsame Nenner, der alle Künstler über alle Grenzen und Zeiten hinweg vereint, und der als ein Quäntchen individuelle Freiheit des kreativen Menschen durchgeht: die Provokation.

Die eleganteste Form der künstlerischen Angriffe auf gesellschaftliche Missstände ist die Karikatur, die in ihrer extremen Position zur Satire oder Groteske wird. Meister dieses Genres sind Goya und Daumier, die ihrer Zeit den Spiegel vorgehalten und zugleich die Maßstäbe dafür gefestigt haben, die bis heute gültig sind. Gegen diese zwei Klassiker ist es freilich schwer, einen jungen Künstler in gleicher Augenhöhe aufzubauen. So wirken die Arbeiten Zhaos eher komisch, hin und wider spöttisch, ohne dass man ihnen immer auch den Biss abnimmt. In »Der Kelch der Päpste II« beispielsweise strauchelt der Papst – unverkennbar ist es Benedikt XVI. – inmitten einer Alptraumgesellschaft mit theatralisch feixenden Menschen asiatischen Zuschnitts. Die Szenerie ist, wie die anderen, zum Teil sehr drastischen Bilder von Zhao, technisch grandios gemalt, aber eher im Surrealismus verortet als in der dem – wenn auch überzeichneten – Realismus verpflichteten Satire. Schnell wird klar, dass man den Bogen hier anders spannen muss, als es die hinlänglich bekannten Radierfolgen Goyas oder die hinreißenden Lithografien Daumiers – beide treffsicher wie kaum andere Künstler – nahe legen. Yongbo Zhao scheint seine Stärken jedoch weniger in der Gesellschaftskritik als in der Auseinandersetzung mit deren Hauptmeistern auszuspielen. In Arbeiten wie »Wir sind das Volk« und anderen greift er im Stil Goyas und Daumiers auf Motive der Kunstgeschichte zurück, spielt mit ihnen. Bis in die Mimik hinein kann man Parallelen zwischen dem Werk Daumiers und Zhaos erkennen, d.h. es sind Zitate in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen zu entdecken.

Das führt zwar vom eigentlichen Thema weg – dem der Provokation: Da muss man konstatieren, dass die Kunst eines Ai Weiwei heutzutage eher wider den Stachel löckt, als es die grafischen Künste könnten (um einen Landsmann von Yongbo Zhao zu nennen), soweit es um unsere Breitengrade geht. Letztlich ist es jedoch auch diesen wackeren Streitern bei der schonungslosen Entlarvung von Herrscherwillkür, Machtmissbrauch, sozialen Missständen usw. zu danken, dass wir heute gelassen auf die spitzen Federn der Künstler reagieren können - bekanntlich ist das in diktatorialen oder islamischen Ländern noch nicht so. Aber einen Spaß bereitet die Schau in Kaufbeuren trotzdem, außerordentlich: Die zeitlose Darstellung bei Daumier und Goya über die Tagespolitik hinaus und die postmoderne ›Aufarbeitung‹ ihrer Erkenntnisse bei Zhao bestechen allesamt, und ein bisschen provokativ scheint ein Slogan wie »Wir sind das Volk« doch noch immer zu sein.

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